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KUM | Möbius & Ruppert

In der Welthauptstadt der Bleistiftspitzer

Ulrich und Julia Fischer - Foto Greiner © Foto: Udo Greiner

Ulrich und Julia Fischer, Urenkel des Firmengründers Alfred Möbius,
vor einer Luftaufnahme der Verwaltung und Produktion von Möbius & Ruppert.

Auf fast jedem Schreibtisch sind Bleistiftspitzer zu finden. Seine Ursprünge hat das Zeichengerät in einer mittelfränkischen Stadt.

Erlangen gehört zu den Städten mit den meisten Patentanmeldungen in Europa. Heute sorgen der Siemens-Konzern sowie die universitären Einrichtungen und wissenschaftlichen Institute für den Erfinderreichtum, doch die Tradition reicht weit zurück. So gilt die Stadt auch als Geburtsort eines so profanen Geräts wie des kegelförmig gebohrten Bleistiftspitzers, 1908 erfunden von dem damals in einer Bürstenfabrik tätigen Konstrukteur Theodor Paul Möbius. Er war es eines Tages leid, seine abgeschriebenen Bleistifte mit dem Taschenmesser anspitzen zu müssen. Daraus hat sich in Erlangen eine kleine Industrie entwickelt, die heute noch durch die Firmen KUM sowie Möbius & Ruppert repräsentiert wird. Sie beliefern zusammen nach wie vor zu etwa 75 Prozent den Weltmarkt für Bleistiftspitzer.

Die Erfindung des heute alltäglichen Gebrauchsgegenstands, in jedem Büro und Schulmäppchen zu finden, gilt als Revolution in der 450-jährigen Geschichte des Bleistifts. Dieser besteht  entgegen dem Volksglauben und Sprachgebrauch nicht aus weichem und giftigem Blei, sondern aus einem Grafit-Ton-Gemisch, das bei 1 000 Grad Hitze gebrannt wird. So muss der Spitzer außer dem Holz auch die steinharten Tonpartikel abraspeln, was stabile Messer erfordert. Diese sind aus chromlegiertem, mit rund einem Prozent Kohlestoff angereichertem Stahl, werden auf rotglühende 800 Grad erhitzt, dann herunter gekühlt und wieder auf 200 Grad aufgeheizt, was dem Messer hohe Flexibilität verleiht. Bei der anschließenden Politur liegen die erlaubten Toleranzen bei höchstens 0,03 Millimetern. Bevor das Messer in den keil- oder quaderförmigen Korpus aus Magnesium oder Messing eingebaut wird, wird es mit Ultraschall gereinigt und einer hauchdünnen Ölschicht überzogen.

Mikrometerarbeit in der Fertigung

Die technische Präzision im Mikrometerbereich verschafft den Erzeugnissen aus Erlangen die Ausnahmestellung in der Welt – in der Qualität von Nachahmern nach wie vor bisher unerreicht. „Unsere Messer – alle im eigenen Haus gefertigt – werden mit einer Messtoleranz von fünf Hundertstel Millimeter geschliffen“, erklärt Neil Lowndes, Technischer Leiter bei KUM. Man härte den Stahl mit 64 Härte Rockwell C (HRC). Zum Vergleich: Spitzenmesser in der Küche weisen höchstens 53 HRC auf.

Zu Zeiten von Theodor Paul Möbius, der von 1868 bis 1953 lebte, war diese Hochtechnologie natürlich noch nicht annähernd entwickelt. Seine Ehefrau reiste anfangs mit einem Bauchladen durch Deutschland, um die Ware zu verkaufen. Ein Dutzend Jahre später allerdings hatte sich der Bleistiftspitzer durchgesetzt. Das Unternehmen des Erfinders, in den 20er und 30er Jahren mit 150 Mitarbeitern noch führend in der Branche, kam dagegen nach dem Tod des Gründers ins Schlingern, weil es den Anschluss an die technische Entwicklung verpasst hatte. Das Firmengelände musste an die Stadt verkauft werden, alles mündete in eine inzwischen verblichene Auffanggesellschaft. Möbius war aber mit seiner Erfindung nicht lange allein geblieben. 1919 gründeten Fritz Mußgüller und Adam Klebes die Kunststoff- und Metallwarenfabrik KUM. 1922 schloss sich ein Bruder, Alfred Möbius, mit Heinrich Ruppert zur Firma Möbius & Ruppert zusammen. Beide Firmen existieren heute noch.

Doch zurück zu den Anfängen: In den 20er Jahren kamen die Nachbarländer Schweiz und Österreich, später Großbritannien, Schweden, Dänemark und Spanien als neue Märkte von Theodor Paul Möbius hinzu, schließlich ganz Europa und die USA. In der Zeit von 1909 bis 1939 wurden etwa 20 Mio. Spitzer in alle Welt verkauft. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg – und die Produktion versiegte. Nach dem Krieg gab es keine Rohstoffe: Sie stammten aus den von den Alliierten besetzten Gebieten, für deutsche Firmen unerreichbar.

Erst in den 50er Jahren fanden die Erlanger Hersteller wieder den Anschluss an frühere Produktionszahlen. Moderne Maschinen ermöglichten schließlich eine Massenfertigung. So wurden Mitte der 80er Jahre etwa 200 Mio. Bleistiftspitzer in Erlangen hergestellt. 80 Prozent der Produktion gingen schließlich in den Export – und die Erlanger haben bis heute das Geheimnis der unerreichten Qualität für sich behalten, was Umsatz und Gewinn sichert.

Zeichengeräte für die Welt

Bei KUM erzielt man mit 70 Vollzeit-Mitarbeitern – und einer 15 Angestellte zählenden Tochterfirma zur Kosmetikfertigung in Irland – zehn Mio. Euro Umsatz, davon 75 Prozent durch das Exportgeschäft mit Kunden in 60 Ländern weltweit. Die Produktpalette umfasst neben Spitzern auch Malpinsel, inbesondere für die asiatische Kalligrafie, Scheren, Zirkel, Künstlerbedarf und sogar Zeichengeräte zur nautischen Navigation. KUM hat in Zusammenarbeit mit einer Münchener Ergotherapeutin den „Sattler Grip“ entwickelt – einen aufsteckbaren Gummiaufsatz für Stifte, der zu einer ermüdungsfreien Schreibhaltung verhilft. Spezialisiert hat sich KUM auch auf Linkshänder – mit Lineal-Skalierung von 30 links bis null rechts oder einem speziellen Schreibunterlagen-Block, einem sogenannten „Lefty Desk Pad“. Bei KUM werden in der Fertigung überwiegend von der eigenen Abteilung selbst konstruierte Maschinen und Anlagen eingesetzt. „Es würde keinen Sinn machen, in einem anderen Land zu produzieren, da wir dort nie die Qualität erreichen würden, die unsere Stärke ist“, sagt Marketing-Chef Stefan Maldet.

Ähnlich sieht man das beim Wettbewerber in der eigenen Stadt, bei Möbius & Ruppert. Dort liegt mit 55 Mitarbeitern der Fokus auf „Premium“, mit dem man sich die „unglaublich quantitative“ Konkurrenz aus Fernost, mit den Plagiaten aus China, vom Leibe halten will. Einige Auszeichnungen zeugen vom hohen Standard – so der Preis „Design Plus“ im Rahmen der internationalen Frankfurter Konsumgütermesse 1986, die Einordnung in die 100 innovativsten Unternehmen im  Mittelstand 2002 und der ISPA-Award der International Stationary Press Association 2006.

Die M&R-Produkte, zu denen sich Kosmetik-Spitzer, Tisch-Papierschneidemaschinen und Zeichengeräte gesellt haben, finden sich heute als Exklusiv-Linie in Fashion- und Konzept-Stores, werden aber vor allem auch für bekannte Marken produziert. Der Anteil der Spitzer an den verkauften Produkten liegt bei 60, jener der Zeichengeräte bei 40 Prozent. Deutschland bleibt bei einem Umsatz von fünf Mio. Euro der wichtigste Markt, doch gehen 65 Prozent in den Export in 70 Länder, überwiegend in Europa und Nordamerika.

Ulrich und Julia Fischer, die beiden Geschäftsführer aus der Familie in vierter Generation, sind angesichts der Wertigkeit ihrer Produkte und einer „wachsenden Schreibkultur“ optimistisch: „In Deutschland und Europa wachsen die Kinder mit Buntstiften auf – im Gegensatz zu anderen Ländern, wo Tablets verwendet werden.“

Das traditionelle Schreibgerät und sein Spitzer sind selbst in der Weltliteratur zu Ehren gekommen. So hat der US-amerikanische Cartoonist David Rees „die Kunst, einen Bleistift zu spitzen“, in einer praktischen und theoretischen Abhandlung auf 224 Seiten, die im Buchhandel für 17,99 Euro zu kaufen ist, verewigt. Bedauerlich: Über Erlangen, die Welthauptstadt der Spitzerhersteller, hat Rees erstaunlicherweise kein Wort verloren.

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2018, Seite 74

 
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