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Regionale Produkte

Hier geht‘s um die Wurst!

Schutz für Nürnberger Bratwurst und Nürnberger Lebkuchen: Wer darf mit geografischen Herkunftsbezeichnungen werben?

Lübecker Marzipan, Dresdener Stollen, Aachener Printen, Schwarzwälder Schinken – ob süß oder herzhaft, von der Küste bis zu den Alpen gibt es in Deutschland eine Vielzahl regionaler Spezialitäten. Sie klingen nach Heimat und wecken appetitliche Assoziationen: Wer Allgäuer Bergkäse hört, sieht glückliche Kühe unter blau-weißem Himmel auf einer grünen Wiese wiederkäuen. Dieses Wohlfühl-Kopfkino auszulösen, gehört zur hohen Schule des Lebensmittel-Marketings. Regionalität und Qualität von Produkten stehen bei Verbrauchern hoch im Kurs, insbesondere bei einer kaufkräftigen Klientel. „Gegenläufig zum Globalisierungstrend entwickelte sich (…) eine Rückbesinnung auf Regionalität bzw. regionale Lebensmittel“, so Nina Stockebrand, Expertin für Regionalmarketing. „Der Wunsch nach Heimat und Tradition wird in einer zunehmend komplexen Welt deutlich.“

Diese Sehnsucht mit entsprechenden Erzeugnissen zu bedienen, ist eine lukrative Absatzstrategie von Lebensmittelherstellern. Allerdings gibt es schwarze Schafe, die ihre Waren unter falschem Etikett anbieten – und somit das Vertrauen der Verbraucher missbrauchen und den Ruf derjenigen Anbieter schädigen, die tatsächlich qualitativ hochwertige Erzeugnisse aus regionaler Herkunft anbieten.

Hier wollte die Europäische Union Abhilfe schaffen: Bereits 1992 wurden die geografischen Herkunftsbezeichnungen als System zum Schutz und zur Förderung traditioneller und regionaler Lebensmittelerzeugnisse eingeführt. Dazu gehören die EU-Gütesiegel „g.U“ (geschützte Ursprungsbezeichnung) und „g.g.A.“ (geschützte geografische Angabe).

Das rote g.U.-Siegel garantiert, dass ein Produkt in einer definierten Region erzeugt, verarbeitet und hergestellt worden ist – und zwar nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren. So darf für den Allgäuer Bergkäse nur Milch aus dem Allgäu verwendet werden, weil die geologischen und klimatischen Verhältnisse die Güte dieses Rohstoffs wesentlich beeinflussen.

Das blaue g.g.A.-Siegel fordert lediglich, dass mindestens eine der drei Produktionsstufen Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung in der genannten Region erfolgt. Die Gurken im Glas „Spreewaldgurken“ dürfen aus Holland kommen; entscheidend ist, dass sie im Spreewald eingelegt werden. Analog gilt für den „Schwarzwälder Schinken“, dass die Schweinekeulen aus Norddeutschland stammen können, aber im Schwarzwald geräuchert werden müssen.

Insgesamt sind in Brüssel über 1 400 geschützte geografische Herkunftsangaben registriert, davon 90 aus Deutschland. Im europäischen Vergleich zeigt sich Deutschland hier eher zurückhaltend – Italien, Frankreich und Spanien sind mit jeweils 296, 248 bzw. 195 Eintragungen die Spitzenreiter bei den Registrierungen in der sogenannten DOOR-Datenbank (Database of Origin and Registration), die von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission geführt wird.

Antrag beim Patentamt

Der Weg zu den Gütesiegeln g.U. und g.g.A führt in Deutschland über einen „Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe/Ursprungsbezeichnung“ beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). In einer zweistufigen Prüfung entscheiden das DPMA und anschließend die EU-Kommission über den Schutzantrag. Nach einem positiven Votum erfolgt die Eintragung in das Verzeichnis. Dann genießen die betreffenden Agrarerzeugnisse und Lebensmittel auf Grundlage der europäischen Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 europaweit Schutz.

Die juristische Besonderheit dieser Gütesiegel besteht darin, dass sie Schutz ähnlich wie eine Kollektivmarke bieten. Das heißt, der Schutz wird nicht einem bestimmten Hersteller, sondern dem Produkt gewährt. Jeder, der ein Produkt vermarktet, das der eingetragenen Produktspezifikation entspricht, darf den geschützten Namen verwenden.

Die „Nürnberger Bratwürste/Nürnberger Rostbratwürste“ tragen seit 2003 das g.g.A.-Siegel. Vorausgegangen war ein jahrelanger Kampf gegen Nachahmer, den der 1989 gegründete Schutzverband Nürnberger Bratwürste e. V. ausgefochten hatte. In diesem Verein hatten sich lokale Bratwursthersteller gemeinsam mit den in der Fleischerinnung Nürnberg organisierten Metzgern im Schulterschluss mit der Stadt Nürnberg zusammengeschlossen, um die Qualitätsstandards und das Ansehen der heimischen Wurstspezialität europaweit zu verteidigen.

„Ende der 1990er Jahre war in Supermärkten alles Mögliche unter der Bezeichnung ‚Nürnberger Bratwurst‘ zu finden. Dagegen wollten wir etwas tun“, erinnert sich Dr. Rainer Heimler, 1. Vorsitzender des Schutzverbands Nürnberger Bratwürste. In einem aufwendigen, mehrjährigen Antragsverfahren führte der Verband den Nachweis, dass die Bratwurstherstellung nach einem besonderen Verfahren in Nürnberg eine jahrhundertelange Tradition hat.

Dies war eine Voraussetzung, dass die „Nürnberger Bratwürste“ mit dem Prädikat „geschützte geografische Angabe“ geadelt wurden. Dieses Siegel definiert auch bestimmte Qualitätsansprüche, die als Produktspezifikation bei der EU-Kommission hinterlegt werden. „7-9 cm lange Bratwurst im engen Schafsaitling mit mittelgrober Körnung; Stückgewicht roh ca. 20-25 g“ – so der amtliche Steckbrief der „Nürnberger Bratwurst“. Für die Füllung ist hochwertiges Schweinefleisch vorgeschrieben, in die Gewürzmischung gehört Majoran. Alle Schritte der Herstellung – vom Zerkleinern der Fleischstücke über das Mischen der Wurstmasse bis zum Befüllen der Saitlinge – müssen auf Nürnberger Stadtgebiet erfolgen.

Der Schutzverband Nürnberger Bratwürste achtet darauf, dass als „Nürnberger“ bezeichnete Bratwürste tatsächlich aus Nürnberg stammen und die Qualität, die Rezeptur und alle typischen Eigenschaften eingehalten werden. So engagiert sich der Verband für die Markenpflege und steigert den Bekanntheitsgrad der „Nürnberger“. Derzeit sind die „Nürnberger Bratwürste“ als Bandenwerbung im Max-Morlock-Stadion zu sehen; der 1. FC Nürnberg und der Schutzverband Nürnberger Bratwürste sind Kooperationspartner.

Als Jurist weiß Heimler zu schätzen, dass die „Nürnberger Bratwürste“ nun unter dem Schutz der EU-Verordnung 1151/2012 stehen. Wer nachgeahmte oder ähnliche Produkte anderer Herkunft oder mit einer anderen Rezeptur zu Unrecht unter gleichem Namen vermarktet, muss mit zivil- oder gar strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Hersteller und Verbände haben Klagebefugnis und können Abmahnungen sowie einstweilige Verfügungen erwirken. Entdecken Behörden einen Etikettenschwindel mit geografischen Herkunftsbezeichnungen, etwa bei Lebensmittelkontrollen im Supermarkt, können Bußgelder fällig werden. Grundlage dafür ist die 2014 in Kraft getretene Lebensmittelinformationsverordnung sowie § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Artikel 7 verlangt die „Lauterkeit der Informationspraxis“. Demnach dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, „insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung“.

Auch sogenannte „Anspielungen“ auf den falschen Herkunftsort sind bereits irreführend, wie Rechtsanwalt Heimler betont. Es dürfen beispielsweise weder Fotos noch Grafiken verwendet werden, die eine „gedankliche Assoziation“ erwecken könnten, das Produkt sei an einem bestimmten Ort hergestellt worden. Das heißt, im Falle „falscher Nürnberger“ wäre die Burg-Silhouette auf der Verpackung tabu. Dasselbe gilt für „Nürnberger Lebkuchen“, die ebenfalls das g.g.A.-Siegel tragen.

Ein weiteres fränkisches Erzeugnis mit EU-weit geschützter geografischer Herkunftsangabe ist seit 2012 der „Aischgründer Karpfen“. Um ihre Fische mit dem Gütesiegel „g.g.A.“ zu vermarkten, müssen sich die Teichwirte in das Register der Teichgenossenschaft Aischgrund eintragen lassen und hohen Qualitätsansprüchen genügen. Zum Beispiel dürfen pro Hektar Teichfläche maximal 800 Jungfische eingesetzt werden, damit die Karpfen viel Bewegungsfreiheit und reichlich natürliches Futter haben.

Durch Freihandelsabkommen geschützt

Wer in den Vereinigten Staaten durch einen Supermarkt schlendert, wird feststellen, dass geografische Ursprungsangaben mehr als großzügig interpretiert werden. In den USA entfaltet die EU-Verordnung keine Schutzwirkung. Grundsätzlich gelten die g.U. und g.g.A-Siegel nur in den EU-Mitgliedsstaaten – es sei denn, der Schutz der geografischen Herkunftsangaben wurde in Freihandelsabkommen der EU mit Drittstaaten verankert. So schützt das vor Kurzem zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Ceta-Abkommen künftig 145 europäische geografische Herkunftsangaben für Agrarprodukte und Lebensmittelproduzenten, darunter auch die „Nürnberger Bratwurst“ und den „Schwarzwälder Schinken“. Im Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan ist die Liste der geschützten geografischen Herkunftsangaben noch länger: Dort werden 205 europäische Produkte aufgeführt.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2018, Seite 14

 
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