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Verpackungen

Mehr Recycling!

Am 1. Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft. Was müssen die Unternehmen beachten?

Auf jeden Bundesbürger kommen durchschnittlich rund 220 Kilogramm Verpackungsabfall pro Jahr – damit belegt Deutschland einen Spitzenplatz in Europa. Etwa zwei Drittel des Verpackungsabfalls werden recycelt, der Rest landet in der Müllverbrennungsanlage und wird zur Energiegewinnung genutzt. Während die Recyclingquoten bei den Abfallfraktionen Glas, Papier/Pappe/Karton, Aluminium und Stahl deutlich über 80 Prozent liegen, ist bei Kunststoffverpackungen in puncto stofflicher Verwertung noch reichlich Luft nach oben.

Nun will der Gesetzgeber mit dem neuen Verpackungsgesetz (VerpackG) Impulse für höhere Recyclingquoten setzen und zugleich mehr Transparenz in die Entsorgungswirtschaft bringen. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2019 in Kraft und löst die 1991 eingeführte und seitdem siebenmal novellierte Verpackungsverordnung ab (WiM berichtete). Die Inhalte des VerpackG und seine Folgen für Hersteller und Händler standen im Mittelpunkt des IHK-Fachforums „Kreislaufwirtschaft | Verpackungen“, das der Geschäftsbereich Innovation | Umwelt der IHK Nürnberg für Mittelfranken in der Reihe „Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement“ veranstaltet hat. Daran nahmen über 110 Vertreter regionaler Unternehmen teil, die sich rege an der Diskussion mit den Experten beteiligten.

Produktverantwortung für Verpackungen: Wie schon die Verpackungsverordnung konkretisiert das Verpackungsgesetz die Produktverantwortung für Verpackungen. Wer verpackte Waren für private Endverbraucher erstmals in Deutschland gewerbsmäßig in Verkehr bringt, muss dafür Sorge tragen, dass diese Verpackungen ordnungsgemäß entsorgt werden. Sie müssen an einem System, im früheren Sprachgebrauch „duales System“, beteiligt werden. Die sogenannten Erstinverkehrbringer verpackter Waren sind verpflichtet, einen entsprechenden „Systembeteiligungsvertrag“ mit einem Entsorger abzuschließen (Lizenzierung).

Das Verpackungsgesetz betrifft also grundsätzlich die gleichen Unternehmen, die schon nach der Verpackungsordnung verpflichtet waren, für die Sammlung und das Recycling der Verpackungen ihrer Produkte zu sorgen, wenn diese Verpackungen „typischerweise beim privaten Haushalt oder diesen gleichgestellten Anfallstellen“ als Abfall landen. „Gleichgestellte Anfallstellen“ sind beispielsweise Gaststätten, Krankenhäuser, Büros von Freiberuflern oder kleinere Handwerksbetriebe. Das VerpackG gilt demnach „für alle Hersteller und/oder Händler, die ein verpacktes Produkt – unabhängig ob klein oder groß – im stationären Handelsgeschäft direkt am Ladentisch an den Kunden oder online an den Endkunden ‚als Erster‘ verkaufen“, so die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR).

Katalog betroffener Produktgruppen: Ob Verpackungen „systembeteiligungspflichtig“ sind, können Hersteller und Händler bald online in einer „Orientierungshilfe“ auf der ZSVR-Internetseite nachschlagen. Dieser Katalog umfasst 36 Produktgruppen mit über 400 Einzeldatenblättern und soll mehr Klarheit und Rechtssicherheit bringen. „Darin sind etwa 80 Prozent aller Füllgüter abgebildet“, erklärte Jochen Rüth, Leiter Entsorgung bei der ZSVR, auf dem IHK-Fachforum. Dort berichteten auch Praktiker wie Maria Hammerl, Umweltmanagerin von Roland Meinl Musikinstrumente in Gutenstetten, und Stefan Löb, Umweltbeauftragter bei Electrolux Hausgeräte in Nürnberg, von ihren ersten Erfahrungen mit dem 1 600-Seiten-Werk. Ein Fazit: Es sei nicht ganz einfach, sich darin zurechtzufinden. Hinzu kommen Abgrenzungsprobleme. Zum Beispiel gelten Kleiderbügel als systembeteiligungspflichtige Verpackung, wenn sie zusammen mit einem Kleidungsstück verkauft werden. Separat verkaufte Bügel sind dagegen nicht systembeteiligungspflichtig. Eisstiele gelten als Verkaufsverpackungen, während der Lutscherstiel als integraler Produktbestandteil betrachtet wird. Jan Söllig, Berater mit langjähriger Erfahrung in der Entsorgungswirtschaft, wies darauf hin, dass die Verbindlichkeit dieses Katalogs durchaus strittig sei.

Umverpackungen: Unverändert gilt im Verpackungsgesetz, dass Umverpackungen für private Endverbraucher grundsätzlich bei Systemen angemeldet werden müssen. Spezialregeln gelten für Serviceverpackungen. Dazu zählen beispielswiese das Fleischerpapier, der Coffee-to-go-Becher oder die Brötchentüte, die an der Verkaufstheke für den Endkunden befüllt werden. Hier kann der „Erstinverkehrbringer“, sprich der Metzger oder Bäcker, die Systemanmeldepflicht an den Lieferanten der Serviceverpackungen vordelegieren. „Allerdings sollten sie sichergehen, dass der Lieferant diese Lizenzierung vorgenommen hat“, so die Empfehlung von Jochen Rüth.

Versandverpackungen: Bei Versandverpackungen ist diese Vorverlagerung der Systembeteiligungspflicht jedoch nicht möglich. Zum Missfallen des Versandhandels. Der argumentierte, dass der Karton im Prinzip dasselbe sei wie die Tüte des stationären Handels. „Dieser Auffassung ist der Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt“, erklärte Jochen Rüth. Das Verpackungsmaterial inklusive Füllmaterial, das bei der Übergabe bzw. Übersendung an Endverbraucher in Verkehr gebracht wird, ist damit ebenfalls systembeteiligungspflichtig. Wer also regelmäßig Waren online verkauft und versendet, muss dieses Material lizenzieren und sich als Inverkehrbringer registrieren.

Pflicht zur Registrierung: Das große Novum im Verpackungsgesetz ist die Registrierungspflicht bei der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR). Diese Institution mit Sitz in Osnabrück agiert als „beliehene Behörde“; die unter der Rechtsaufsicht des Umweltbundesamts hoheitliche Aufgaben übernimmt. Erstinverkehrbringer von systempflichtigen Verpackungen müssen sich nach den neuen Regeln des VerpackG einmalig und kostenlos bei der ZSVR registrieren lassen. Diese Verpflichtung kennt keine Ausnahmen für Kleinbetriebe. Bei diesem Register ist der Name Programm: „Lucid“ (auf Deutsch: „klar“ und „deutlich“) ist eine frei zugängliche Online-Datenbank, aus der ersichtlich ist, welche Hersteller und Händler sich mit welchen Marken registriert haben.

Diese Transparenz soll der bislang weit verbreiteten Trittbrettfahrerei in der Kreislaufwirtschaft gegensteuern. Manche Unternehmen tricksen nämlich bei den Lizenzgebühren für die Verpackungen, die sie in Verkehr bringen und lassen andere das Sammeln, Abtransportieren und Sortieren mitfinanzieren. Nach Schätzungen liegt der Trittbrettfahrer-Anteil, vornehmer als „Nicht-Beteiligungsgrad am System“ bezeichnet, bei etwa 30 Prozent.

Vollständigkeitserklärung abgeben: Wie schon die Verpackungsverordnung verpflichtet auch das Verpackungsgesetz die Inverkehrbringer von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen dazu, jährlich bis zum Stichtag 15. Mai eine Vollständigkeitserklärung abzugeben. Darin sind die Ist-Mengen der im Vorjahr tatsächlich in Verkehr gebrachten Verpackungen anzugeben. Diese von einem registrierten Prüfer bestätigten Daten müssen bei der ZSVR in der „Lucid“-Datenbank elektronisch hinterlegt werden. Bislang erfolgte die Hinterlegung der Vollständigkeitserklärung bei den Industrie- und Handelskammern. Die Pflicht zur Abgabe der Vollständigkeitserklärung gilt jedoch erst beim Überschreiten bestimmter Mindestmengen. Diese Grenzwerte liegen pro Jahr bei 80 Tonnen für Glas, bei 50 Tonnen für Papier/Pappe/Karton-Verpackungen und bei 30 Tonnen für Kunststoffe, Verbundstoffe, Weißblech- und Aluminiumverpackungen.

Zu den wesentlichen Zielen des Verpackungsgesetzes gehört die Erhöhung der Recyclingquoten. Für Kunststoffverpackungen soll die Recyclingquote von derzeit 36 Prozent bis zum Jahr 2022 auf 63 Prozent wachsen. Voraussetzung dafür ist eine Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Kunststoffen. Dies ist ein wichtiges Thema für das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV mit Sitz in Freising. Der Manager des Geschäftsfelds Verpackungen, Sven Sängerlaub, stellte auf dem IHK-Fachforum neue technische Ansätze für die Entwicklung und Optimierung von Verpackungen vor.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2018, Seite 20

 
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