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Die Grünen Engel

Da lässt sich noch was rausholen

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Herr über die Wertstoffe: Dr. Christian Wiegard ist seit Kurzem Geschäftsleiter der Grünen Engel.

Ein Besuch bei dem Nürnberger Recycling-Unternehmen zeigt, wie aus Abfällen wertvolle Rohstoffe werden.

Wenn ein Laie an Müll denkt, hat er wohl am ehesten seine graue Tonne vor der Haustür vor Augen. Dort landen mehr oder minder sortiert die anfallenden Abfälle und verschwinden so schnell aus dem Bewusstsein. Die langjährige Praxis, den Inhalt der Tonnen einfach in Deponien aufzuschütten, ist allerdings passé. Denn vieles, was für einen Haushalt als Müll gilt, sind für andere Sekundärrohstoffe. Entsprechend zucken Fachleute beim Terminus „Müll“ zusammen. Sie haben eher die „Stoffströme“ im Blick, betont Dr. Christian Wiegard, der seit Kurzem in die Geschäftsleitung der Durmin Entsorgung und Logistik GmbH in Nürnberg eingetreten ist, die nach außen als „Die Grünen Engel“ auftritt. Diese Sekundärrohstoffe sind alles andere als Abfall – vielfach finden sich darin Materialien, die aufbereitet oder weiter verwertet werden können. In den USA etwa ist die Rede davon, dass sich in den gut 2 000 Mülldeponien so viel Kupfer finden lässt, dass damit die dreifache Jahresweltproduktion gedeckt werden könnte.

„Die Grünen Engel“ sind mit ihrem Aufbereitungszentrum im Nürnberger Hafen einer der größten Abfallsortieranlagen in Bayern, ergänzt der langjährige Geschäftsleiter Johannes Gritz. Als Nürnberger Besonderheit gilt die Breite des Geschäfts: Man habe sich nicht nur auf ein Thema spezialisiert, sondern decke ein großes Spektrum ab. Dazu zählen u. a. Bauschutt, Gleisschotter und Bahnschwellen, Holz und Papier, Elektroschrott sowie Aschen und Filterstäube aus Kraftwerken. „Wir machen alles“, betont Gritz. Pro Jahr werden rund 650 000 bis 700 000 Tonnen mineralische Stoffe zur Aufbereitung angeliefert, etwas mehr als die Hälfte machen hiervon aktuell Bauschutt und Bodenaushub aus. An verbrennbaren Stoffen laufen alljährlich rund 300 000 bis 350 000 Tonnen auf, beispielsweise in Form von Sperrmüll, Gartenabfällen, Holz und Papier.

Das Geschäftsmodell der „Grünen Engel“ setzt auf eine maximale Sortier- und Verwertungsquote. Eine Verschiffung ins Ausland oder die Verrottung auf Deponien sieht das vor 25 Jahren gegründete Unternehmen nicht als Alternative an. Obwohl Deutschland als Weltmeister beim Müllsortieren gilt, wachsen etwa die Müllberge der privaten Haushalte. Laut Umweltbundesamt sank zwar das Abfallaufkommen zwischen 2000 und 2016 um rund zwölf Prozent auf rund 325 Mio. bis 350 Mio. Tonnen. Das liegt neben statistischen Effekten hauptsächlich an der teilweise konjunkturell bedingten Abnahme der Bau- und Abbruchabfälle. Die Abfälle aus Haushalten nahmen zu, darunter findet sich mit 18,2 Mio. Tonnen ein wachsender Anteil an Verpackungsabfall. Für die beiden Geschäftsführer ist außerdem klar: Die Aufbereitung von Müll darf nicht mehr Ressourcen verbrauchen, als dadurch gewonnen werden. Daher müssen Energieeinsatz und Ressourcengewinnung gleichermaßen optimiert werden. Durch die Aufbereitung lassen sich wertvolle Ersatzrohstoffe für den Wirtschaftskreislauf wiedergewinnen, als Vision gilt eine Recyclingquote von 100 Prozent.

Immer mehr Aufbereitungsanlagen

Die Geburtsstunde der Durmin Entsorgung und Logistik GmbH im Jahr 1993 geht zurück auf die beiden Gründungsgesellschaften, die Bremer Binnenschiffreederei B. Dettmer Reederei und die Duisburger Remineral Rohstoffverwertung und Entsorgung. Aus dem Geschäft, Kohle per Schiff nach Nürnberg zu transportieren und für den Rückweg Baurestmassen und Müllverbrennungsschlacken zur Entsorgung in das Ruhrgebiet zu laden, entstand die Idee, Entsorgungswege zu managen. Gritz baute damals das Geschäft von Null auf, zunächst mit dem Akquirieren von mineralischen Abfällen. Bereits zwei Jahre später wurden 13 000 Quadratmeter Flächen im Hafen angemietet. Dort entstand später die erste Anlage zur Aufbereitung mineralischer Abfälle, Bauschutt und Schlacken aus der Müllverbrennungsanlage Nürnberg.

Hinzu kamen nach und nach Anlagen zur Aufbereitung von konventionellem Gewerbemüll und Baustellenmischabfällen, eine Papiersortier- und -recyclinganlage sowie eine Altholz-Aufbereitungsanlage. Außerdem können Aschen und Rückstände aus der Rauchgasreinigung zu Versatzbaustoffen konditioniert werden, die anschließend in Hohlräumen von Salzbergwerken eingesetzt werden. In den letzten Jahren erweiterte sich das Inventar um eine neue Bauschutt- und Schotteraufbereitungsanlage, eine Anlage zur Aufbereitung von Elektro- und Elektronikschrott, eine Aktenvernichtungsanlage und eine Presse für künstliche Mineralfasern. Beim Altholzrecycling wurde zuletzt noch ein Röntgenabscheider angeschafft, der Metallstücke oder Glas bis hin zur Stecknadelgröße erkennen und aussortieren kann.

Heute agieren „Die Grünen Engel“ mit insgesamt neun verschiedenen Anlagen auf rund 130 000 Quadratmetern, bilanziert Wiegard, der studierter Forstwirt und Kaufmann ist. „Wir sind ausgelastet“, sagt er, dabei würde das Aufbereitungszentrum flächenmäßig gern noch weiter wachsen. Aber seit die Hafen-Erweiterungsfläche gestrichen wurde, sieht es schlecht aus. Dabei ist der Bedarf hierzulande noch gestiegen, seitdem etwa China deutsche Kunststoffe nicht mehr annimmt. Doch die Anwohner fürchten Geruchsbelastung und Lieferverkehr und nehmen die Lokalpolitiker nach dem Sankt-Florian-Prinzip in die Pflicht: Wenn schon solche Anlagen notwendig sind, dann bitte nicht bei mir, sondern meinem Nachbarn. In München etwa haben „Die Grünen Engel“ gut zehn Jahre lang vergeblich nach einem zusätzlichen Standort gesucht. Erst durch die Übernahme eines bestehenden Betriebs wurde man letztendlich fündig.

Überbordende Bürokratie

Auf die Gesetzgebung ist das Unternehmen nicht gut zu sprechen. Im Bereich des Elektroschrotts hätten die geforderten Dokumentationspflichten so zugenommen, dass das kaum noch wirtschaftlich sinnvoll darstellbar sei. Beim Bauschutt gebe es geschätzt über 100 Verordnungen, das eigentliche Gesetz befinde sich seit zwölf Jahren in der Mache. Hinzu kämen die Gesetze und Verordnungen der EU zu Müllvermeidung und Klimaschutz, die in nationales Recht gegossen und dann von Ländern und Kommunen vollzogen werden müssen. Manchmal zeigten sich auch die Behördenmitarbeiter ratlos: Man warte zur Klärung des Vollzugs auf gerichtliche Entscheidungen.

Im Baubereich wurde vor drei Jahren ein Pilotprojekt mit dem städtischen Kommunalbetrieb SÖR begonnen. Hierbei sollte im Praxistest erprobt werden, inwieweit sich Recycling-Baustoffe aus Betonabfällen oder ausgedienter Schotter als Tragschicht- und Füllmaterial im Straßenbau einsetzen lassen. Dadurch könnten die üblichen Naturbaustoffe eingespart werden. In der Pressburger Straße im Hafengebiet mit einer hohen Dichte an Schwerlastverkehr falle die Bilanz nach drei Jahren positiv aus. Gleiches gelte für den Einsatz beim Nelson-Mandela-Platz hinter dem Nürnberger Hauptbahnhof.

Zur Nürnberger Unternehmensgruppe „Die Grünen Engel“ gehören u. a. auch die Durmin Entsorgung und Logistik Beteiligungsgesellschaft, die MF Mineralstoff Franken in Bad Friedrichshall und die Altlastenbehandlung München. In diesem Jahr wurde in einem Joint-Venture das Ressourcen Werk Nürnberg für die Verwertung von Gewerbemüll aus der Taufe gehoben. Der Gruppenumsatz soll in diesem Jahr rund 120 Mio. Euro erreichen, das wäre ein Plus von gut zehn Prozent. Beschäftigt werden in Nürnberg und  allen hundertprozentigen Tochterunternehmen rund 350 Mitarbeiter, das sind 30 mehr als im Vorjahr. Darunter finden sich ungelernte Kräfte etwa als Sortierer oder Facharbeiter, aber auch promovierte Chemiker, Mineralogen oder Bauingenieure. Die Zahl der offenen Stellen liege bei knapp 40, obwohl sich „Die Grünen Engel“ als attraktiver Arbeitgeber profilieren. Bezahlt werde immer über Tarif, dazu gibt es eine arbeitgeberfinanzierte, betriebliche Altersvorsorge und weitere Sonderleistungen.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2018, Seite 71

 
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