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Flächen-Management

Auf Dialog bauen

Fachforum im Fürther Ludwig-Erhard-Zentrum: Jörg Bierwagen (Christofori & Partner), Fürths Stadtbaurätin Christine Lippert, Mathias Mendel (Dataform Dialogservices), Martina Stengel (IHK), Wolfgang Högner (IHK-Arbeitskreis Immobilienwirtschaft), Michael Breitenfelder (Wirtschaftsband A9), Dr. Maike Müller-Klier (IHK-Geschäftsstelle Fürth), Stefan Röhrer (Amt für Wirtschaft Fürth), Rainer Veit (Bayerisches Wirtschaftsministerium) und IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch (v.l.).

IHK-Forum zu Gewerbeflächen: Wie bringt man die Interessen von Wirtschaft, Bevölkerung und Ökologie in Einklang?

Auf der einen Seite wachsender Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, auf der anderen Seite Betriebe, die auf Erweiterungsflächen angewiesen sind: Dieses Dilemma treibt sowohl die Unternehmen als auch die Kommunen in Mittelfranken um. Mit der Veranstaltung „Effizientes Flächen-Management in Städten und Gemeinden“ hat die IHK Nürnberg für Mittelfranken dieses brisante Thema aufgegriffen. Über 100 Akteure aus Wirtschaft und Politik diskutierten vor Kurzem im Ludwig-Erhard-Zentrum in Fürth über Lösungsansätze.

„Der Zielkonflikt um die Nutzung der Ressource Fläche spitzt sich weiter zu“, erklärte Wolfgang Högner, Vorsitzender des IHK-Gremiums Ansbach und Sprecher des IHK-Arbeitskreises Immobilienwirtschaft, zum Auftakt des Diskurses. Weit verbreitet sei das Klischee, wonach Industrie und Gewerbe als „Flächenfresser“ gelten. Zu Unrecht, wie Högner anmerkte: Nur 0,8 Prozent der Gebietsfläche Mittelfrankens würden von Industrie und Gewerbe genutzt.

Mit Daten und Fakten wollte die IHK einen Gegenpol zu dieser Diskussion setzen, die laut Högner zunehmend polemisch geführt wird. So plädierte IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch für „weniger Emotionen, mehr Sachargumente“. Angesichts der „Endlichkeit“ des Produktionsfaktors Fläche spiele der effiziente Umgang mit dieser Ressource eine zunehmend wichtige Rolle. Die Flächenproduktivität – also das Verhältnis zwischen Wirtschaftsleistung und Flächennutzung – habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Diese Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Flächenverbrauch belege ein Blick in die bayerische Statistik: Von 2014 bis 2017 hat das Bruttoinlandsprodukt um 12,2 Prozent zugelegt, die Siedlungs- und Verkehrsfläche ist im selben Zeitraum aber nur um 1,5 Prozent gewachsen. In seinem Vortrag erklärte Lötzsch, weshalb sich die IHK stark beim Thema Flächen-Management engagiert: „Wir wollen Wachstumsmöglichkeiten für unsere Mitgliedsunternehmen schaffen.“ Gleichzeitig setze sich die IHK auch für hohe Lebensqualität und bezahlbaren Wohnraum ein. Denn nur wenn alle diese Standortfaktoren stimmten, bleibe die Region für Fachkräfte attraktiv.

Die Verbesserung der Flächeneffizienz ist ausdrücklich Bestandteil des Koalitionsvertrags zwischen CSU und Freien Wählern, die seit November 2018 Bayern gemeinsam regieren. „Wir wollen den Flächenverbrauch im Freistaat deutlich und dauerhaft senken“, ist in dieser Vereinbarung zu lesen. Angestrebt werde eine Richtgröße für den Flächenverbrauch (bezogen auf Siedlungs- und Verkehrsfläche) von fünf Hektar pro Tag. Diese Vorgabe sei jedoch nicht als „starre Zielgröße“ zu verstehen, wie Rainer Veit vom Bayerischen Wirtschaftsministerium bei der IHK-Veranstaltung klarstellte. „Der Flächenverbrauch muss reduziert werden, aber nicht um jeden Preis“, erklärte der stellvertretende Abteilungsleiter für Landesentwicklung. Wie Veit betonte, könne Flächensparen nur im Dialog zwischen allen Beteiligten gelingen.

Stadt und Landkreis Fürth

Auf dieses Modell setzt die Stadt Fürth seit vielen Jahren. Baureferentin Christine Lippert und Stefan Röhrer, Leiter des Amtes für Wirtschaft und Stadtentwicklung, stellten im Ludwig-Erhard-Zentrum das kommunale Flächen-Management vor, das einige Herausforderungen bewältigen musste: So hat der Strukturwandel die Wirtschaftslandschaft nachhaltig verändert. Prägende Ereignisse waren der Abzug der US-Streitkräfte in den 1990er Jahren und die Insolvenzen von Grundig und Quelle. Trotz der seinerzeit frei werdenden Grundstücke und Gebäude sind inzwischen die Flächen knapp, wie Röhrer erklärte.

Seit 2014 sind in Fürth 6 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, jedes Jahr wächst die Stadt um bis zu 1 200 Einwohner. „Wir haben aber den Anspruch, ansässige Unternehmen mit dem nötigen Raum zu versorgen und neue Unternehmen hier anzusiedeln“, so Lippert. So fasste der Stadtrat 2018 den Grundsatzbeschluss, keine Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohnbauflächen mehr zuzulassen. Außerdem wurde ein Kriterienkatalog für Unternehmen ausgearbeitet, die städtische Flächen in Anspruch nehmen wollen. Als wesentlicher Erfolgsfaktor für das Flächen-Management habe sich die enge Kooperation zwischen Bau- und Wirtschaftsreferat erwiesen, wie der Amtsleiter und die Baureferentin unisono unterstrichen.

Fehlende Flächen für geplante Erweiterungen sind auch für die Unternehmen im Landkreis Fürth ein großes Problem. So steht dieser heikle Punkt auf der politischen Agenda des Landkreises weit oben. Landrat Matthias Dießl skizzierte in seinem Vortrag bei der IHK-Veranstaltung, unter welchen Prämissen der Landkreis diese Thema angeht: „Bei einem maßvollen Flächeneinsatz wollen wir Arbeitsplätze vor Ort halten und schaffen.“ Immerhin pendeln heute bereits drei von vier Beschäftigten aus dem Landkreis aus, was zu erheblichen Verkehrsbelastungen führt. Auch wenn die Planungshoheit für das Flächen-Management bei den Kommunen liegt, wurden auf Landkreis-Ebene einige Initiativen angestoßen. Als Beispiele nannte Dießl Bürgermeister-Workshops zu den Themen Gewerbeflächenentwicklung und Coworking-Spaces sowie das Modellprojekt „Potenzialflächenanalyse“.

Gewerbeflächen systematisch erfassen

Jörg Bierwagen vom Ingenieurbüro Christofori & Partner in Roßtal hat bisweilen die Erfahrung gemacht, dass es keine systematische Erfassung von Gewerbeflächen gibt: „Vor allem kleine Kommunen haben teilweise keinen Überblick über den Bestand.“ Auch ein lokales Entwicklungskonzept für die Ansiedlung von Unternehmen sei extrem hilfreich. Der Stadtplaner empfahl als Instrument für Flächeneffizienz, genau zu prüfen, ob eine Nachverdichtung oder Nachnutzung von Gewerbeflächen bzw. -gebäuden infrage kommen. Ein „Klassiker“ im ländlichen Raum sei nämlich das Phänomen, dass im Ortskern ansässige Betriebe an den Rand ziehen und die zentral gelegenen Gebäude anschließend verwaist sind.

Außerdem plädierte Bierwagen für eine stärkere interkommunale Zusammenarbeit. Deren positive Effekte stellte Michael Breitenfelder am Beispiel des „Wirtschaftsbands A9 Fränkische Schweiz“ vor: 2006 haben sich 18 oberfränkische Kommunen zwischen dem Großraum Nürnberg und der Stadt Bayreuth zusammengeschlossen. Sie kooperieren im Rahmen der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE) beim Flächen-Management, was insbesondere durch einen Gewerbeflächen-Pool verwirklicht wird. ILE-Manager Breitenfelder hob die Vorteile des gemeinsamen Managements der Kompensationsflächen hervor: „Durch die Bündelung der Ausgleichsmaßnahmen lassen sich mehr positive Effekte für den Umweltschutz erzielen.“

Von seinen praktischen Erfahrungen bei der Suche nach einem neuen Standort berichtete Mathias Mendel, Gesellschafter der Dataform Dialogservices GmbH, die in den Geschäftsfeldern Dialogmarketing und Fulfillment aktiv ist. Das 1977 gegründete Unternehmen beschäftigt über 200 Mitarbeiter in Ammerndorf, Großweismannsdorf und im Nürnberger Gewerbepark „Auf AEG“. „An allen drei Standorten sind wir räumlich am Limit“, erklärte Mendel. In Nürnberg drohe die Kündigung wegen Wohnbebauung. „Das wird für uns existenzbedrohend. Ohne Flächen keine Zukunft“, stellte er klar. Nun möchte Dataform Dialogservices seine drei Standorte zusammenführen.

Bei der Suche nach einem neuen Standort wurde das Unternehmen in Buchschwabach fündig. Der Ortsteil des Marktes Roßtal punktete mit einigen Vorteilen: Rund 85 Prozent der bisherigen Mitarbeiter wohnen in einem Einzugsbereich von 20 Kilometern. Die S-Bahn-Station Raitersaich ist „in Sichtweite“, und es besteht eine gute Verkehrsanbindung an die A6 ohne Ortsdurchfahrten. Der Flächennutzungsplan von Buchschwabach weist ein Gewerbegebiet aus. Darin will Dataform Dialogservices zwei gegenüberliegende Hallenteile mit je 30 000 Quadratmetern errichten. „Dabei achten wir auf eine ökologisch optimierte Planung“, erläuterte Mendel. Auf dem Hallendach produziert eine Photovoltaik-Anlage Strom, die Außenfassade des Gebäudes soll begrünt werden. Ein 30 000 Quadratmeter großes Areal wird als Regenwasserrückhaltungs- und Biotopfläche dienen.

Bürger einbeziehen

Für Mendel ist der Neubau eine „Win-win-Situation“ für Buchschwabach und das Unternehmen. Doch nicht alle Einwohner sind dieser Meinung: Ein Teil sieht die Ansiedlung als Chance, den Ort wiederzubeleben. Ein Teil macht gegen das Bauprojekt mobil und hat eine Bürgerinitiative gegründet. Dataform Dialogservices bemüht sich um einen Dialog und die Transparenz der Planungen, etwa in Bürgerversammlungen und auf der Homepage des Unternehmens. „Lösungen finden kann man nur, wenn man miteinander spricht“, erklärte Mendel bei der IHK-Veranstaltung. Jedoch braucht der Gesellschafter noch einen langen Atem: Mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan und einer Baugenehmigung rechnet er frühestens im ersten Quartal 2020.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2019, Seite 24

 
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