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Stadt-Umland-Bahn

Fahrt aufgenommen

Haltestelle „Am Wegfeld“: Bis zur Realisierung der Stadt-Umland-Bahn endet die Straßenbahn an dieser Station.

Die Planungen für das Schienenprojekt zwischen Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach kommen voran.

Über eine Stunde Fahrzeit, dreimal umsteigen: So sieht die Realität für einen Pendler aus, der werktags gegen 7 Uhr von Nürnberg-Gostenhof mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nach Herzogenaurach aufbricht. Da setzen sich die meisten doch lieber ins eigene Auto – mit der Konsequenz, dass immer mehr Pkw auf den Verkehrsachsen im mittelfränkischen Ballungsraum fahren. Herzogenaurach und Erlangen haben jeweils so viele Arbeitsplätze wie Einwohner. Entsprechend hoch ist der Pendlersaldo, der in der Universitätsstadt bei rund 45 000 liegt. Um den Dauerstau in der Rushhour zu verhindern, muss der ÖPNV attraktiver werden. Als umweltschonende Alternative zum motorisierten Individualverkehr soll die Stadt-Umland-Bahn, kurz StUB, die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach verbinden.

„Wir sind sehr froh, dass dieses Projekt jetzt auf einem guten Weg ist“, erklärt IHK-Verkehrsreferent Ulrich Schaller. Die IHK-Vollversammlung hatte sich bereits 2014 mit breiter Mehrheit für die Realisierung der StUB ausgesprochen. Die maßgeblichen Argumente der damaligen IHK-Resolution gelten auch heute: „Eine durchgängige öffentliche Nahverkehrsverbindung zwischen dem Nürnberger Norden, Erlangen und Herzogenaurach trägt maßgeblich dazu bei, den Ballungsraum effizient zu vernetzen.“ Hinzu kommt der Standortwettbewerb mit anderen Großstädten und Metropolregionen: „Eine Stadt-Umland-Bahn trägt dazu bei, Wohn- und Arbeitsorte sowie Angebote aus Kultur und Freizeit zwischen Herzogenaurach, Erlangen und Nürnberg miteinander zu verknüpfen und ein attraktives Lebens- und Arbeitsumfeld zu gewährleisten.“

Stichwort Arbeitsumfeld: Neun der 30 größten Arbeitgeber in Mittelfranken haben eine oder mehrere Niederlassungen in unmittelbarer Nähe der geplanten StUB-Trasse. Eine bessere Erreichbarkeit durch den ÖPNV ist also ein harter Standortfaktor. Ein schneller und gut vertakteter Nahverkehr „trägt wesentlich dazu bei, Fachkräfte zu binden und neue Fachkräfte für den Zuzug in die Region zu gewinnen“, so die IHK-Resolution.

Zur Umsetzung dieser Ziele wird der „Schienenbonus“ erheblich beitragen: Fahrgäste empfinden eine Straßenbahn wesentlich komfortabler als Omnibusse. Strecken, die von Bus- auf Straßenbahnlinien umgestellt werden, verzeichnen einen Anstieg der Fahrgastzahlen von 50 bis 100 Prozent, so das Ergebnis einschlägiger Studien. Außerdem ist die Tram wegen der Vorfahrtsberechtigung und der Fahrt auf dem eigenen Gleisbett in der Regel pünktlicher und schneller unterwegs als der Bus. Längst ist die Tram kein laut rumpelndes Gefährt mehr, sondern ein Hightech-Fahrzeug. Europaweit ist eine „Renaissance der Straßenbahn“ zu beobachten, derzeit planen rund 100 Kommunen eine neue Trambahn. Allein in Frankreich haben seit der Jahrtausendwende 18 Städte neue Straßenbahnen in Betrieb genommen.

Auch für die Siedlungsentwicklung werden der Straßenbahn positive Effekte zugeschrieben: „Eine Busstrecke kann sich jederzeit ändern. Dagegen schaffen Gleise Verbindlichkeit für Jahrzehnte“, so Ulrich Schaller. Wie der IHK-Verkehrsreferent erläutert, ermöglichen schienengebundene Verkehrsmittel eine nachhaltige Verdichtung von Siedlungs- und Gewerbegebieten und schaffen langfristige Perspektiven für neue Siedlungsachsen.

Lange Planungszeit

Lässt man die Planungshistorie der StUB Revue passieren, drängt sich das Sprichwort „Gut Ding will Weile haben“ auf. Bereits 1912 entstand die Idee einer Straßenbahn von Nürnberg nach Erlangen. 1993 lag dann die „Obermeyer-Studie“ auf dem Tisch, die die technische Machbarkeit eines umfangreichen Stadt-Umland-Bahn-Netzes ab Nürnberg-Thon bis Höchstadt, Ebermannstadt, Eschenau und Herzogenaurach belegte. Diese Vision eines regionalen ÖPNV wurde aus wirtschaftlichen Gründen auf Eis gelegt. Weiterverfolgt wurde hingegen das Konzept einer regionalen Stadtbahn, die Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach verbinden soll. Allerdings hatte dieses Projekt ohne Kofinanzierung von Land und Bund keine Chance. 1997 lehnte das Bayerische Wirtschaftsministerium die Aufnahme in das Förderprogramm des Landes und Bundes ab. Erst 2010 wurde die Förderwürdigkeit neu bewertet, nachdem das S-Bahn-Netz in der Metropolregion deutlich ausgebaut worden war und die StUB hier eine wertvolle Komplementärfunktion übernehmen sollte.

So wurde 2012 eine aktualisierte Machbarkeitsstudie und der Zuwendungsrahmenvetrag für das „T-Netz“ gestellt: Die Trasse der StUB sollte von der Haltestelle Nürnberg „Am Wegfeld“ nach Erlangen laufen und dort nach Westen bis Herzogenaurach und nach Osten bis Uttenreuth führen. Nachdem dieses Vorhaben im Landkreis Erlangen-Höchstadt kontrovers diskutiert worden waren, wurde diese Planung nach einem Bürgerentscheid 2015 verändert und die Strecke nach Uttenreuth gekappt. Das T-Netz mutierte zum L-Netz.

Umstritten blieb die Stadt-Umland-Bahn trotzdem. Vor allem in Erlangen formierte sich Widerstand, sodass es im März 2016 zu einem Bürgerentscheid kam, der den Ausstieg aus dem Projekt Stadt-Umland-Bahn erreichen wollte. Aber mehr als 60 Prozent der Erlanger Wähler sprachen sich für die StUB aus. Auch das IHK-Gremium Erlangen hatte das Projekt kritisch gesehen und machte seine Bedenken u. a. gegenüber der Stadt Erlangen und kurz vor dem Bürgerentscheid im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Unternehmen aus Erlangen deutlich, die gemeinsam von IHK und IHK-Gremium organisiert wurde. Bedenken hatte das IHK-Gremium insbesondere wegen der hohen finanziellen Belastung für die Stadt Erlangen und gegebenenfalls auch für die Erlanger Wirtschaft, weswegen auch eine andere Lastenverteilung auf die drei beteiligten Städte vorgeschlagen wurde.

Zweckverband gegründet

Mit dem abgehlenten Bürgerentscheid war die letzte Hürde für die Gründung des Zweckverbands Stadt-Umland-Bahn (ZV StUB) gefallen, der im Januar 2017 den operativen Betrieb aufnahm. Als auf Dauer angelegte „Projektgesellschaft“ ist der Zweckverband mit seiner Geschäftsstelle in Erlangen für die Planung, den Bau und den Betrieb der StUB zuständig. Mitglieder des ZV StUB sind die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach. Deren Stadtoberhäupter übernehmen abwechselnd den Verbandsvorsitz. Derzeit bekleidet diese Funktion Dr. German Hacker, Erster Bürgermeister der Stadt Herzogenaurach. Bei der Finanzierung der Stadt-Umland-Bahn gilt zwischen den drei Kommunen das Solidarprinzip: Der finanzielle Beitrag jeder Stadt bemisst sich nach deren Anteil an der Streckenlänge. Aktuell arbeitet der Zweckverband vorrangig an der Detaillierung der Planunterlagen. Diese bilden die Grundlage für ein Raumordnungsverfahren; daran schließt sich das Planfeststellungsverfahren an, das bis 2022 abgeschlossen sein könnte. Erst dann werden die Bauarbeiten beginnen.

Für den Zweckverband sind die Transparenz des Planungsprozesses und der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern wesentliche Anliegen. Das Ziel ist, „gemeinsam mit der Öffentlichkeit optimierte Planunterlagen für die Stadt-Umland-Bahn zu erarbeiten“. Damit dieser Anspruch kein Lippenbekenntnis bleibt, hat der Zweckverband das Forum Stadt-Umland-Bahn etabliert, das wiederum aus mehreren Veranstaltungsformaten und Gremien besteht. Das Herzstück des StUB-Konzepts zur Bürgerbeteiligung sind die öffentlichen „Dialogforen“, die etwa alle sechs Monate tagen. Dieses Plenum umfasst rund 80 Personen, darunter Mitglieder des Zweckverbands, Kommunalpolitiker, Interessenvertreter sowie Bürgerinnen und Bürger, die auf Basis einer repräsentativen Stichprobe durch die Einwohnermeldeämter der Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach ermittelt wurden.

Dialog mit den Bürgern

Während in den Dialogforen übergeordnete Themen auf der Tagesordnung stehen, liegt der Fokus der sogenannten Lokalforen auf Ortsebene; dabei können sich Bürgerinnen und Bürger in Planungswerkstätten und Ortsbegehungen informieren und ihre Ideen einbringen. Die Resonanz auf diese Angebot ist gut, wie das Beispiel aus dem Erlanger Süden zeigt. Dort hatte der Zweckverband Mitte März 2019 eine Besichtigung der beiden möglichen Streckenführungen der StUB zwischen Preußensteg und Südkreuzung organisiert. Über 50 Interessenten waren zu dieser Ortsbegehung bekommen, an der auch Oberbürgermeister Dr. Florian Janik sowie Vertreter der Erlanger Stadtverwaltung, des beauftragten Planungsbüros und der Siemens AG teilnahmen. Der Oberbürgermeister betonte, wie wichtig dieser Dialog vor Ort sei: „Die Bürgerinnen und Bürger kennen ihre Stadt besonders gut. Die vergangenen Veranstaltungen haben gezeigt, dass bei den Besichtigungen noch einmal neue Ideen an uns herangetragen werden, die dann in den weiteren Planungen berücksichtigt werden können.“

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2019, Seite 40

 
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