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Verpackungen

Weniger Plastik!

Recyclingquoten erhöhen und Abfall vermeiden: Kunststoffverpackungen müssen ökologischer werden.

Wir wollen raus aus der Wegwerfgesellschaft: Mit dem neuen Verpackungsgesetz sorgen wir für mehr Recycling und vermeiden überflüssiges Plastik.“ Mit dieser Ansage umriss Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Ziele des Verpackungsgesetzes (VerpackG), das zum Jahresbeginn 2019 in Kraft getreten ist (WiM berichtete). Es soll das Wachstum der Müllberge deckeln, denn mit 220 Kilogramm Verpackungsabfall pro Kopf und Jahr belegt Deutschland einen Spitzenplatz in Europa.

Während die Abfallfraktionen Glas, Papier/Pappe/Karton, Aluminium und Stahl Recyclingquoten von mehr als 80 Prozent erreichen, sieht es bei Kunststoffverpackungen wesentlich schlechter aus. Davon wird knapp die Hälfte recycelt, der Rest verbrannt. Diese „thermische Verwertung“ liefert zwar Energie für Fernwärme oder Stromerzeugung, rangiert aber aus ökologischen Gründen in der Abfallhierarchie der Kreislaufwirtschaft (Vermeiden, Wiederverwenden, Recyceln, Verwerten, Beseitigen) weit hinten.

Das Verpackungsgesetz schraubt nun die Recyclingquoten nach oben, zunächst auf 58,5 Prozent, dann bis zum Jahr 2022 auf 63 Prozent. Leichter gesagt als getan, denn das Recycling von Kunststoffen ist eine schwierige Disziplin der Kreislaufwirtschaft. Es gibt viele verschiedene Plastiksorten, die unterschiedlich gut zu recyceln sind. Was im allgemeinen Sprachgebrauch als Recycling bezeichnet wird, bedeutet in der Fachterminologie „stoffliche Verwertung“. Dabei sollen die stofflichen Eigenschaften eines Abfallprodukts für die Gewinnung von Sekundärrohstoffen genutzt werden. Man unterscheidet zwischen rohstofflicher Verwertung und werkstofflicher Verwertung. Bei der ersten Option werden die Abfallstoffe so behandelt, dass es zu einer Änderung der Bindungsform kommt. Aus Altkunststoffen lassen sich zum Beispiel Öle, Wachse oder Gase gewinnen. Als werkstoffliche Verwertung werden Recyclingverfahren ohne Veränderung der chemischen Bindungen der Abfallstoffe bezeichnet, etwa das Umschmelzen von Altkunststoffen oder Altglas.

Sortenrein und sauber

Die werkstoffliche Verwertung setzt weitgehend sortenreine und saubere Altkunststoffe voraus. Ehe aus Plastikmüll neue Kunststoffprodukte entstehen, muss er sortenrein erfasst, zerkleinert bzw. verpresst und gewaschen werden. Außerdem gilt es, störendes „Beiwerk“ wie Papier, Fremdkunststoffe oder Metalle zu entfernen. Sind diese Prozessschritte durchlaufen, wird der Altkunststoff zu Granulat umgeschmolzen. Dieses sogenannte Rezyklat lässt sich dann für neue Kunststoffprodukte einsetzen. An allen 2017 in Deutschland verarbeiteten Kunststoffen hatten die Rezyklate mit 1,8 Mio. Tonnen einen Anteil von zwölf Prozent. Mit 758 000 Tonnen wurde der Großteil der Rezyklate für Bauprodukte verwendet, 399 000 Tonnen für Verpackungen und 198 000 Tonnen in der Landwirtschaft.

Zu den technischen Herausforderungen des Kunststoffrecyclings gehört das Gebot der Sortenreinheit. Gerade im Lebensmittelbereich haben sich sogenannte Multi-Layer-Folien etabliert. Solche Hightech-Materialien können beispielsweise Sauerstoff abschirmen und Wasser aufnehmen – und machen es damit möglich, dass das Fleisch in der Kühltheke frisch aussieht und sich in der Gemüseschale kein Kondenswasser bildet. „Wenn Sie heute Verpackungssysteme anschauen, dann sind diese immer komplexer aufgebaut – zum Beispiel mehrschichtige Folien. Je komplexer das System, desto schwieriger ist es, diese im Nachhinein zu recyceln“, erklärt Thomas Probst vom Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Die Trennung von Mischkunststoffen ist in der Regel kostspielig und gilt im Hinblick auf die Energiebilanz als problematisch. Für komplexe Systeme wie Mehrschichtlaminatfolien gab es lange gar kein geeignetes Recyclingverfahren. Diese Lücke will das in Freising beheimatete Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV nun schließen: In dem Ende 2018 gestarteten Projekt „Circular Packaging“ entsteht eine Demonstrationsanlage in industriellem Maßstab, die Verpackungsabfälle so schonend aufbereitet, dass sie wieder für den Einsatz als hochwertige Packstoffe infrage kommen. Grundlage dafür ist der lösemittelbasierte CreaSolv-Prozess, mit dem sich erstmals eine saubere Trennung von Kunststoff-Verbunden und kontaminierten Haushaltsabfällen realisieren lässt. „Diese Technologie eignet sich zur Gewinnung hochwertiger und hochreiner Kunststoffe mit Neuwarequalität“, so das Fraunhofer IVV in einer Pressemitteilung.

Anreize für mehr Umweltschutz

Das Verpackungsgesetz hat nicht nur höhere Recyclingquoten festgelegt, sondern setzt auch Anreize für die Entwicklung umweltverträgliche Verpackungen. Die Dualen Systeme müssen bei den Lizenzgebühren ökologische Aspekte berücksichtigen: Hersteller und Händler, die besser recycelbare Verpackungen oder Verpackungen aus recyceltem Kunststoff einsetzen, zahlen weniger. „Wir wollen, dass die Wirtschaft umfassend darüber nachdenkt, welche Verpackungen wirklich notwendig sind und welche Materialien zum Einsatz kommen“, betonte Bundesumweltministerin Svenja Schulze bei der Einführung des Verpackungsgesetzes.

Allerdings hatte das Umdenken in Unternehmen bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes begonnen. Ein Beispiel dafür ist das Rezyklat-Forum, das 2018 von DM-Drogerie Markt initiiert wurde. An der Initiative beteiligen sich 26 Unternehmen, darunter bekannte Markenhersteller wie Henkel und Procter & Gamble sowie Ecover, einer der größten europäischen Produzenten ökologischer Wasch- und Reinigungsmittel. „Die konsequente Wiederverwertung von Kunststoffen ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung von Primärrohstoffen und zur Reduzierung von Müll. Wir wollen eine breite Plattform schaffen, an der sich jeder Hersteller und Händler beteiligen kann“, so Sebastian Bayer, DM-Geschäftsführer und Initiator des Forums.

Das Unternehmen Werner & Mertz, das u. a. die Marken „Erdal“ und „Frosch“ im Portfolio hat, brachte vor Kurzem die erste Duschgel-Flasche ins Regal, die zu 100 Prozent aus recyceltem HDPE (High Density Polyethylen) hergestellt wird. Nach eigenen Angaben ist dies „die erste Verpackung mit 100 Prozent HDPE Post Consumer Recyclat (PCR) aus dem Gelben Sack, die für den Kosmetikbereich Verwendung findet“. Ebenfalls im Mai hat Unilever mit „Seventh Generation“ eine Marke für Reinigungsmittel im deutschen Handel positioniert, deren Flaschen zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehen. Wie Werner & Mertz nutzt der Konsumgüterkonzern Kunststoff aus dem sogenannten Post-Consumer-Recycling – also Kunststoffabfälle, die bei Endverbrauchern in privaten Haushalten oder in Büros anfallen.

Rezyklate kommen nicht nur in Verpackungen zum Einsatz, sondern auch in Haushaltsartikeln wie Eimern oder Tonnen sowie in Schreibwaren. Der in Heroldsberg ansässige Schreibwarenhersteller Stabilo hat einen „Greenpoint“-Filzschreiber entwickelt, der zu 87 Prozent aus Recyclingkunststoff hergestellt wird. Die Hülle des Textmarkers „Green Boss“ besteht zu 83 Prozent aus dem Recyclingkunststoff „Procylen“, der vom Umweltdienstleister Interseroh entwickelt wurde. Das Material für dieses Rezyklat diente in seinem ersten Leben als Schraubverschlüsse für Coca-Cola-Flaschen.

So wichtig innovative Recycling-Ansätze auch sind: An erster Stelle der Abfallhierarchie steht die Müllvermeidung. Auch deshalb hat die Europäische Union am 21. Mai 2019 die Einweg-Plastik-Richtlinie verabschiedet. Sie umfasst u. a. ein Vermarktungsverbot für Einweg-Kunststoffprodukte, die besonders zur Plastikmüll-Flut in den Meeren beitragen: Teller, Besteck, Rührstäbchen, Luftballonhalter und Trinkhalme aus Kunststoff werden bis 2021 aus den Handelssortimenten verschwunden sein, ebenso Getränkebecher aus geschäumtem Polystyrol und Wattestäbchen mit Kunststoffanteil.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2019, Seite 36

 
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