Telefon: +49 911 1335-1335

Patente

Wer hat’s erfunden?

Erfinderin © eternalcreative/GettyImages.de

Patentforum der nordbayerischen IHKs: So lassen sich Erfindungen rechtlich absichern.

Innovationskraft und Wettbewerbsvorteile durch Patente“ – Unter diesem Titel stand das 15. Patent-Forum Nordbayern, zu dem die IHK Nürnberg für Mittelfranken nach Ansbach eingeladen hatte. Die Veranstaltung wurde von den IHKs Bayreuth, Coburg, Würzburg-Schweinfurt und Regensburg unterstützt.

„Wer nicht erfindet, verschwindet. Wer nicht patentiert, verliert.“ So zugespitzt hatte Erich Häuser, von 1976 bis 1995 Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts, den Zusammenhang zwischen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit formuliert. Die Unternehmen in der Region sind in dieser Hinsicht gut aufgestellt: Nordbayern hält an den Patentpublikationen in Bayern einen Anteil von 43,6 Prozent, bezogen auf Deutschland liegt der Anteil bei 12,5 Prozent. Auch beim Patent-Innovations-Index (PII) schneidet Nordbayern bestens ab. Diese Kennzahl gibt die Innovationsleistung einer Region an. Dabei wird die Zahl der Patentpublikationen in Relation gesetzt zu den Anteilen der jeweiligen Region bei den Referenzgrößen Einwohnern, Unternehmen und Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Bayern bzw. Deutschland. Mit einem Wert von 1,9 ist der PII für Nordbayern fast doppelt so hoch wie der gesamtdeutsche Durchschnitt, so die jüngste Ausgabe des IHK-Patent-Reports, die im Frühjahr vorgestellt wurde (WiM berichtete).

Zur Selbstzufriedenheit darf diese Statistik allerdings nicht verführen, mahnte Dr.-Ing. Robert Schmidt, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt. Er verwies dabei auf die internationale Patentstatistik, in der Unternehmen aus Asien und den USA dominieren. Die schnellste Aufholjagd legte China hin: 1985 stammten gut 4 000 Patentanmeldungen aus der Volksrepublik, 2015 über eine Million. Die Quantität allein sei jedoch nicht aussagekräftig, wie Schmidt betonte. Entscheidend sei, ob die Innovationsleistung der Region auf zukunftsfähigen Technologiefeldern stattfindet: „Wir müssen uns immer wieder fragen: Setzen wir auf die richtigen Pferde?“

Die Antwort darauf fällt überwiegend positiv aus, wie die Analysen im IHK-Report „Patente in Bayern“ zeigen, der von der IHK Nürnberg für Mittelfranken federführend für die IHKs im Freistaat im Drei-Jahres-Rhythmus erstellt wird. Demnach sind Mittelfrankens Patentanmeldungen überproportional häufig in digitalisierungsaffinen Technologiefeldern zu finden, etwa in den Kategorien „Diagnostik, Chirurgie, Identifizierung“, „Halbleiterbauelemente“ und „Elektrische digitale Datenverarbeitung“ der Internationalen Patentklassifikation (IPC).

Insgesamt 58 Prozent der mittelfränkischen Patentanmeldungen entfallen auf die Siemens AG und die Schaeffler-Gruppe; unter den „Top 10“ der Patentanmeldern sind neben Conti Temic, Diehl, MAN, Bosch, Adidas, Semikron und Bühler auch Forschungseinrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zu finden. Eher rar machen sich in der Patentstatistik hingegen kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Sie unterschätzen häufig die wirtschaftliche Bedeutung von gewerblichen Schutzrechten“, stellte Dr. Elfriede Eberl fest, Innovations- und Technologiereferentin der IHK Nürnberg. Das Patent-Forum wollte gerade auch dieser Zielgruppe einen Weg durch das Patentwesen weisen.

Was spricht für Patente?

Diese Lotsenfunktion übernahm Dr.-Ing. Bodo Kappes vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in seinem Beitrag „Wie komme ich am schnellsten zu meinem Patent?“. „Geschwindigkeit zählt“, so der Experte, denn ein Patent biete Sicherheit in Bezug auf die Schutzrechtssituation. Dies sei wichtig sowohl für die Abwehr potenzieller Verletzer als auch für Verhandlungen mit Lizenznehmern oder Kaufinteressenten. Wie Kappes erläuterte, gebe es bisweilen auch Gründe für eine langsamere Gangart bei der Patentanmeldung: „Einige Patente existieren länger in Form einer ungeprüften Anmeldung als in Form eines erteilten Patents.“ Manchmal bräuchten Unternehmen auch Zeit, um den Wert einer Erfindung abzuschätzen. Bei einem Antrag auf „verzögerte Prüfung“ gilt in Deutschland eine siebenjährige Prüfungsantragsfrist.

Die Patentanmeldungen sind in den letzten Jahren nach oben geschnellt: 2018 verzeichnete das DPMA knapp 68 000 Patentanmeldungen – gut ein Zehntel mehr als noch im Jahr 2012. Dementsprechend hoch sind die Aktenberge. Zum Jahresende 2018 waren über 220 000 Prüfungsverfahren anhängig, aktuell liegt die mittlere Verfahrensdauer vom Prüfungsantrag bis zum Abschluss bei 3,9 Jahren. Bis 2030 will das DPMA die durchschnittliche Verfahrensdauer auf drei Jahre gesenkt haben, unter anderem durch IT-Investitionen und Neueinstellungen.

Verfahren beschleunigen

Aber auch die Anmelder selbst können zu einer Beschleunigung des Prüfverfahrens beitragen, so Kappes. Möglich sei beispielsweise, selbst Vorrecherchen zum Stand der Technik durchzuführen und andere Anmeldungen auf demselben Technologiegebiet einzusehen. In „Depatisnet“ – dem elektronischen Dokumentenarchiv des DPMA – kann jeder kostenlos und online in mehr als 80 Mio. Patentveröffentlichungen aus aller Welt recherchieren (www.dpma.de/recherche/). Bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten während der Prüfungsverfahrens sei es wichtig, Fristentermine einzuhalten. „Fristverlängerungen sind zwar möglich, könnten aber als Desinteresse an einer Beschleunigung interpretiert werden“, so Kappes. Er empfahl außerdem, die Möglichkeit von Anhörungen wahrzunehmen. Im Gespräch mit den Patentprüfern lasse sich vieles einfacher und schneller klären als in einem Schriftwechsel.

Europäisches Patentamt

Deutsche Tüftler können ihre Erfindungen nicht nur beim DPMA anmelden, sondern auch direkt den „europäischen Weg“ einschlagen. Dann findet die Erstanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) statt. Die zweitgrößte zwischenstaatliche Einrichtung in Europa mit Sitz in München hat 38 Mitgliedsstaaten und ist zuständig für die Recherche, Prüfung und Veröffentlichung von Patentanmeldungen. Wie das DPMA verzeichnet auch das EPA mehr Patentanmeldungen: 2018 sind bei dieser Institution über 174 000 Patentanmeldungen eingereicht worden, knapp fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Pia Björk, Senior Advisor, stellte auf dem Patent-Forum die Initiative „Early Certainty“ vor, mit deren Hilfe die EPA die Prüfverfahren deutlich beschleunigen will.

Einen Einblick in die Patentarbeit der Netzsch-Gruppe gab Thorsten Hachmann, der bei dem Unternehmen das IP-Management leitet. „IP“ steht für Intellectual Property, also Fragen des geistigen Eigentums. Das global agierende mittelständische Unternehmen mit Sitz in Selb beschäftigt weltweit über 3 500 Mitarbeiter und ist in drei Segmente gegliedert: Der Geschäftsbereich „Analysieren & Prüfen“ stellt thermoanalytische Geräte sowie Geräte zur Bestimmung thermophysikalischer Eigenschaften her. Der Fokus des Geschäftsbereichs „Mahlen & Dispergieren“ liegt auf Maschinen für Nass- und Trockenmahlen, der dritte Geschäftsbereich umfasst „Pumpen & Systeme“. Das IP-Management betreut mit sechs Mitarbeitern alle drei Geschäftsbereiche. Insgesamt hält die Netzsch-Gruppe 1 128 Patente und Gebrauchsmuster sowie 1 243 Marken.

Auf dem Patent-Forum berichtete Hachmann unter anderem, wie seine Abteilung Erfindungen in der Firmengruppe identifiziert. Dabei stellte er klar: „Erfindungsmeldungen sind eine Holschuld des IP-Managements.“ Um diesen Anspruch einzulösen, setzt er auf ein Bündel von Maßnahmen, beispielsweise regelmäßige Besuche bei den Entwicklern, quartalsweise Workshops mit den Leitern der Forschung und Entwicklung aller drei Geschäftsbereiche sowie halbjährliche Workshops mit allen Kollegen, die mit Patenten befasst sind. Außerdem habe man eine einheitliche Erfindungsmeldung für alle Geschäftsbereiche eingeführt, erläuterte der IP-Manager. In Summe gehe es darum, alle Mitarbeiter für das Erkennen von Erfindungen zu sensibilisieren, betonte Hachmann. Der wichtigste Erfolgsfaktor dabei: „Reden, reden, reden. 

Patente dienen nicht nur dazu, eigene Erfindungen zu schützen, sie lassen sich auch als Instrumente zur Marktbeobachtung einsetzen. Bruno Götz, Leiter Patente und Normen bei der TÜV Rheinland Consulting GmbH, stellte in Ansbach patentbasierte Analysen als „Möglichkeiten der Technologie- und Konkurrenzbeobachtung“ vor: Dank umfangreicher Datenbanken und inzwischen relativ leistungsfähiger Übersetzungstools ließen sich in ausgewählten Technologiefeldern auf diese Weise sehr aussagekräftige Wettbewerbsanalysen durchführen.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2019, Seite 22

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick