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Gesundheit im betrieb

Fit bleiben!

Jogger, GesundheitsApp, Smartwatch © pixelfit/GettyImages.de

IHK-Fachforum zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement: Wie hilft die Digitalisierung bei der Prävention?

Fast jeder zweite Smartphone-Besitzer in Deutschland nutzt Gesundheits-Apps, die Verkaufszahlen von sogenannten Wearables wie Pulsuhren oder Fitness-Armbändern schnellen nach oben. Und Internet-Recherchen bei „Dr. Google“ sind gang und gäbe. Das Thema E-Health ist also längst im privaten Alltag angekommen. Ein völlig anderes Bild zeigen Impressionen aus dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM): In einer Umfrage des Instituts für Gesundheit & Soziales (ifgs) der FOM Hochschule in Essen geben fast drei Viertel der teilnehmenden Führungskräfte an, sich bislang noch nicht näher mit dem „digitalen BGM“ beschäftigt zu haben. Immerhin gehen jedoch 80 Prozent davon aus, dass dieses Thema „in Zukunft eine größere Rolle“ in ihrem Unternehmen spielen wird. 

Dementsprechend groß ist der Bedarf an Informationen: Das IHK-Fachforum Medizin und Gesundheit, bei dem es um digitale Anwendungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement ging, war deshalb ausgebucht. „Wir wollen Wege aufzeigen, wie neue digitale Trends bei der Gesundheitsförderung in Unternehmen eingesetzt werden können“, erklärte zum Auftakt der Veranstaltung Dr. Elfriede Eberl, Innovations- und Technologiereferentin der IHK Nürnberg für Mittelfranken.

Qualität der Daten

Eine Einführung über die Digitalisierung in der Medizin lieferte Prof. Dr. med. Jochen Klucken, Wissenschaftlicher Direktor des „Medical Valley Digital Health Application Center Bamberg“. Der Neurologe verdeutlichte die Grundlage vieler
E-Health-Anwendungen anhand eines Vergleichs mit dem E-Commerce: Die Algorithmen von E-Commerce-Plattformen gleichen mithilfe von Daten das Kaufverhalten des Einzelnen mit dem von anderen Konsumenten ab. Auf dieser Basis erhält der Nutzer individualisierte Kaufvorschläge. Analog dazu könnten smarte Anwendungen in der Medizin individuelle Gesundheitsdaten einem allgemeinen Datenpool gegenüberstellen, um auf diese Weise Auffälligkeiten und Muster zu erkennen. Der Einsatz von Sensoren als Massenware in Wearables macht es theoretisch technisch möglich, die erforderlichen Datenmengen zu erfassen. Praktisch gibt es dabei allerdings noch ein paar Hürden zu überwinden, insbesondere in Hinblick auf die Datenqualität: Die inflationäre Vielzahl unterschiedlicher Gesundheits-Apps und Sensoren macht es nahezu unmöglich, eine vergleichbare Datenbasis zu schaffen.

Dennoch gibt es bereits heute in einzelnen Bereichen vielversprechende Ansätze, wie Diagnostik und Therapie durch digitale Anwendungen verbessert werden können. Beispielsweise befasst sich das „Medical Valley Digital Health Application Center Bamberg“ mit der Parkinson-Erkrankung: Mit Sensoren, die in die Schuhe integriert sind, wird der Gang der Patienten analysiert. Daraus lassen sich Schlüsse über die Wirksamkeit von Therapien, das Sturzrisiko und das Allgemeinbefinden ziehen.

Individualisierte Gesundheitsvorsorge ist auf Daten-Input angewiesen – und den können Wearables wie Smartwatches, Pulsuhren und Fitnessarmbänder liefern. Solche Geräte beinhalten kleine, leichte, am Körper tragbare Sensoren, die verschiedene Parameter wie Bewegung, Puls, Temperatur, Atmung oder Kalorienverbrauch erfassen. Markus Zrenner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für maschinelles Lernen und Datenanalytik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), skizzierte auf dem IHK-Fachforum die Qualität und die Einsatzmöglichkeiten von Wearables. Ihre Stärke liege vor allem in der Motivationsleistung. Allerdings lasse bei den meisten Geräten die Genauigkeit der Messdaten noch zu wünschen übrig, sodass sie für medizinische Zwecke nur eingeschränkt verwendbar seien: „Wearables werden keinen Arzt ersetzen.“

Beispiele aus der Praxis

Für Krankenkassen wird das Segment E-Health ebenfalls immer interessanter. Rudolf Zamora gab bei der Veranstaltung einen Einblick in die digitalen BGM-Angebote der Siemens Betriebskrankenkasse (SBK). Dazu gehören Online-Programme wie „10 000 Schritte!“, „Trink Dich fit!“, „Zeigen Sie Haltung!“ und „Achte auf Dich!“, die zu gesundheitsbewusstem Verhalten animieren sollen. Als wichtige Vorteile solch digitaler Maßnahmen hob Zamora deren Individualisierbarkeit und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten hervor. So ließen sich auch Beschäftigte erreichen, die mit Gesundheitsförderung tendenziell (noch) wenig anzufangen wüssten, etwa Auszubildende. Für diese Zielgruppe hat die SBK das „Berufsstarterprogramm“ entwickelt, das per App virtuelle Module und Präsenzveranstaltungen mit einem Coach kombiniert. Die zehn Module (darunter z. B. die Themen gesunde Ernährung, Bewegung, Stress- und Zeitmanagement sowie Arbeitsplatz-Ergonomie) können von den Unternehmen individuell gewählt werden.

Eine ähnliche Themenpalette bietet die interaktive BGM-Plattform, die in Nürnberg bei MAN Truck & Bus AG im Einsatz ist. Ziel war es, ein niederschwelliges, ganzheitliches Programm speziell für Bürobeschäftigte zu schaffen, um deren gesundheitlichen Kompetenzen zu stärken, wie Betriebsarzt Michael Strößler erklärte. Als Pilotprojekt und Einstieg in das digitale BGM startete das Online-Programm im vergangenen Jahr mit 400 Testzugängen. Es vermittelt in acht Modulen Inhalte wie Rückengesundheit, Stressbewältigung, Ernährung, Vorbeugung gegen den „Maus-Arm“ und Resilienz. Die Texte, Grafiken und Mitmachvideos können die Mitarbeiter sowohl am Arbeitsplatz als auch unterwegs betrachten, wobei sie die Inhalte selbst auswählen. Die in der Regel dreiminütigen Informations-, Bewegungs- oder Quizeinheiten kommen per E-Mail zu den Anwendern.

„Die Rückmeldung der Teilnehmer der Pilotphase war sehr positiv“, so Strößler. Inzwischen ist das Online-Programm in die zweite Runde gegangen, wobei die Reichweite ausgebaut werden soll: Der Standort Nürnberg hat rund 1 000 Büro- bzw. Bildschirmarbeitsplätze; für das Pilotprojekt gab es 280 Anmeldungen. Betriebsarzt Strößler betonte in seinem Praxisbericht den hohen Stellenwert des Datenschutzes: „Es gibt keine Nachverfolgung der Aktivitäten einzelner Anwender. Wir haben nur Einblick in die Anzahl der Anmeldungen.“

Peter Hildenbrand von der Missionmed GmbH in Erlangen stellte auf der IHK-Veranstaltung vor, wie mithilfe einer Online-Plattform im BGM die individualisierte Vorbeugung gefördert werden kann. Missionmed bezeichnet sich selbst als Social-Health-Marktplatz: Das Geschäftsmodell sehe vor, Nachfrager und Anbieter von Gesundheitsleistungen zusammenzubringen. So lassen sich nach Angaben Hildenbrands nicht zuletzt auch günstigere Konditionen erreichen. Dieses Angebot können grundsätzlich auch Unternehmen im Rahmen des BGM nutzen.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2019, Seite 14

 
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