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Gewerbemiete

Alles schriftlich vereinbaren?

Immobilien Gewerbemiete © ilyast/GettyImages.de

Urteile des Bundesgerichtshofs: Schriftform in Gewerbemietverträgen, Indexmieten und vertragswidrige Nutzung des Mietobjektes.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den vergangenen zwei Jahren eine Reihe von praxisrelevanten Entscheidungen zu Gewerbemietverträgen getroffen. Dabei ging es u. a. um die Wirksamkeit von Schriftform-Heilungsklauseln, um doppelte Schriftformklauseln und um Mietverhältnisse, bei denen Eigentümer und Vermieter nicht identisch sind. Die Entscheidungen stärken vor allem das ordentliche Kündigungsrecht des Erwerbers einer vermieteten Immobilie und des Vermieters.

Ende der Schriftform-Heilungsklauseln

Für Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr sieht das Bürgerliche Gesetzbuch die Schriftform vor (§ 550 S. 1 BGB). Wenn gegen die Schriftform verstoßen wird, ist es möglich, den Mietvertrag vorzeitig ordentlich zu kündigen. Das wurde in der Praxis häufig ausgenutzt: Eine Partei, die einen „lästigen“ Mietvertrag vor Ablauf der vereinbarten Zeit kündigen wollte, suchte häufig nach einem solchen formellen Vorstoß. Um dem einen Riegel vorzuschieben, wurden in der Vergangenheit häufig sogenannte Schriftform-Heilungsklauseln vereinbart. Diese Klauseln sollen die Mietvertragsparteien dazu verpflichten, alles Erforderliche zu tun, um die Schriftformerfordernisse zu erfüllen. Gleichzeitig werden sie dazu verpflichtet, den Mietvertrag nicht unter Berufung auf einen Mangel bei der Schriftform vorzeitig zu kündigen.

Der BGH sah diese Klauseln seit jeher kritisch: Schon 2014 hatte er entschieden, dass sie zumindest gegenüber dem Erwerber einer vermieteten Immobilie unwirksam sind. Zur Begründung führte das Gericht an, dass es diesem nicht zugemutet werden könne, sich zur Heilung eines Schriftformmangels einer ihm bislang unbekannten Vertragsänderung zu verpflichten. Offen blieb allerdings lange die praxisrelevante Frage, ob diese Schriftform-Heilungsklauseln grundsätzlich unwirksam sind. Im September 2017 bejahte der BGH schließlich deren Unwirksamkeit ausdrücklich auch im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 27. September 2017, Aktenzeichen XII ZR 114/60).

Mit entscheidend für die Frage, ob eine vorzeitige ordentliche Kündigung wegen Fehlern bei der Schriftform zulässig ist, ist die Treuwidrigkeit der kündigenden bzw. kündigungswilligen Partei. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt nämlich ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann vor, wenn eine Partei bei einer nachträglich getroffenen Vereinbarung, die lediglich für sie vorteilhaft ist, das Argument fehlerhafter Schriftform nur deshalb bemüht, um sich eines „lästigen“ Vertrags zu entledigen.

Weil die Schriftform-Heilungsklauseln nicht mehr zulässig sind, wird sich eine Partei, die sich mit einer Vertragskündigung aufgrund fehlerhafter Schriftform konfrontiert sieht, in der Praxis wohl mit dem Argument der Treuwidrigkeit dagegen zur Wehr setzen. Allerdings ist dies nur in einem engen Rahmen möglich, beispielsweise wenn die Schriftform nur wegen eines schuldhaften Verhaltens einer Partei nicht eingehalten wurde.

Doppelte Schriftformklausel

Nicht abschließend rechtlich geklärt ist bisher die Frage, inwieweit sogenannte doppelte Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wirksam sind. Mit einer solchen Klausel legen die Vertragsparteien fest, dass zusätzliche Vereinbarungen zum ursprünglichen Vertrag der Schriftform bedürfen und dass diese Verpflichtung zur Schriftform wiederum nur schriftlich rückgängig gemacht werden kann. In der Literatur und Rechtsprechung ist man sich uneinig über die Zulässigkeit einer solchen Klausel: Die einen halten eine solche doppelte Schriftformklausel für unzulässig, weil sie den unzutreffenden Eindruck erwecke, eine Änderungsvereinbarung sei nur schriftlich möglich. Die anderen bejahen dagegen die Zulässigkeit der Klausel auch in AGB unter Verweis auf die Interessenlage. Denn eine solche Vereinbarung wirke gleichermaßen für und gegen jede Vertragspartei.

In seinem Beschluss vom 25. Januar 2017 (Aktenzeichen XII ZR 69/16) hat der BGH zwar zu diesen Klauseln Stellung genommen, aber die grundsätzliche Zulässigkeit weiter offengelassen. Im konkreten Fall hat das Gericht entschieden, dass die doppelte Schriftformklausel wirkungslos ist, wenn die Vertragsparteien nachträglich mündliche Absprachen treffen. Es gelte also der Vorrang der sogenannten Individualabrede gemäß § 305b BGB. Die Begründung: Zwar hätten die Parteien bei Vertragsabschluss durch die doppelte Schriftformklausel ihr Interesse bekundet, die beiderseitige Bindung an den Vertrag nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen zu gefährden. Dies trete aber in den Hintergrund, wenn sich beide Seiten später übereinstimmend auf bestimmte Regelungen einigen. Demnach schützt eine doppelte Schriftformklausel nur dann, wenn die Vertragsänderung selbst keine Individualabrede darstellt.

Austausch einseitig unterzeichneter Urkunden via Telefax: Der BGH hatte die Frage zu beantworten, ob der Austausch einseitig unterzeichneter, gleichlautender Urkunden via Telefax den Anforderungen der Schriftform genügt. Dies bejahten die Richter in ihrem Urteil vom 7. März 2018 (Aktenzeichen XII ZR 129/16): Die Schriftform sei gewahrt, wenn die „bloße äußere Form“ eingehalten werde. Die Argumentation stützt sich auf § 550 BGB, der u. a. dem Erwerber der Immobilie ermöglichen soll, sich über den Vertragsinhalt zu informieren. Auf den Zugang und das Verbleiben der Urkunden komme es nicht an. Entscheidend seien der gleichlautende Vertragstext und die Unterschrift der Parteien.

Wenn allerdings eine Beurkundung des Vertrages verabredet wurde, ist der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist (§ 154 II BGB). In der Praxis sollte daher im Mietvertrag oder in einem Begleitschreiben festgehalten werden, ob zusätzlich eine gemeinsame Unterzeichnung einer Originalurkunde erfolgt und welche Bedeutung und Wirkung dieser zukommen soll.

Verhandlungsklausel bei Indexmiete

Um die Schriftform ging es auch in einem weiteren BGH-Urteil vom 11. April 2018 (Aktenzeichen XII ZR 43/17). Konkret hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob für eine Mietanpassung die Schriftform erforderlich ist, wenn es sich um eine sogenannte Indexmiete handelt. Darunter versteht man eine variable Miete, die sich in Abhängigkeit zum Verbraucherpreisindex erhöhen und vermindern kann – entweder durch die Einigung der Parteien oder automatisch. Der Verbraucherpreisindex gibt die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus in Deutschland, also der Lebenshaltungskosten, an.

Grundsätzlich ist laut BGH die Miete – also auch eine vereinbarte Indexmiete – ein wesentlicher Vertragsbestandteil und muss damit immer der Schriftform genügen. Die Schriftform werde bei der Veränderung der Indexmiete in folgenden Fällen gewahrt: Die Einigung über alle wesentlichen Vertragsbestandteile geht aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde hervor oder aus zwei gleichlautenden Urkunden mit der Unterschrift jeweils einer Partei.

Zu unterscheiden sind bezüglich der Indexmiete zwei Arten von Mietverträgen: Zum einen ein Vertrag, der die Parteien berechtigt, bei einer bestimmten Indexänderung eine Mietanpassung zu verlangen. In diesem Fall ist für die Mietanpassung die Schriftform vorgesehen. Zum anderen Verträge mit einem einseitigen Änderungsrecht oder einer automatischen Anpassung an den Index, wenn sich dieser ändert: Hier ist die Schriftform für die Anpassung der Miete nicht erforderlich, weil keine neuerliche Einigung der Parteien notwendig ist und damit der ursprüngliche Mietvertrag nicht geändert wird.

Verlängerungsoption bei Mietverträgen

Wenn im Mietvertrag eine Verlängerungsoption vereinbart wurde, kann ohne Einhaltung der Schriftform mitgeteilt werden, dass man diese Option in Anspruch nehmen will. Die Mitteilung kann also beispielsweise auch per Computerfax und ohne Unterschrift erfolgen, so der BGH in einem Urteil vom 21. November 2018 (Aktenzeichen XII ZR 78/17).

Eigentümer und Vermieter nicht identisch: „Kauf bricht nicht Miete“ – diesen Grundsatz betonte der BGH in einem Urteil vom 12. Juli 2017 (Aktenzeichen XII ZR 26/16). In dem zu entscheidenden Fall war eine Grundstücksgesellschaft mbH Eigentümerin der Räume, die Vermietung erfolgte aber durch eine GmbH. Die Vermietung geschah im alleinigen Interesse der Eigentümerin und mit ihrer Zustimmung. Die Eigentümerin veräußerte schließlich das Mietobjekt. Daraufhin kündigte die Neueigentümerin den Mietvertrag und verlangte vom Mieter die Herausgabe der Mietsache. Die Richter hatten zu klären, ob die neue Eigentümerin einen Herausgabeanspruch gegen den Mieter hatte.

Der BGH verneinte diesen Anspruch der Neueigentümerin mit der Begründung, dass der Mieter durch den Mietvertrag ein Besitzrecht habe. Die neue Eigentümerin habe die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis übernommen (gemäß § 566 BGB). Grundsätzlich greife diese Regelung des BGB zwar nur, wenn Eigentümer und Vermieter identisch seien. In diesem konkreten Fall sei die Vermietung jedoch mit Zustimmung und im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers erfolgt und der Vermieter habe kein eigenes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses gehabt.

Gebrauch einer Mietsache

In einem anderen Fall hatte der BGH zu entscheiden, wann ein Unterlassungsanspruch des Vermieters verjährt, wenn der Mieter die Mietsache dauerhaft vertragswidrig nutzt (z. B. wenn er in einem zu Gewerbezwecken gemieteten Raum wohnt). Der BGH entwickelte zur Beantwortung dieser Frage die Theorie der „Dauerstörung“. Diese besagt, dass der Unterlassungsanspruch im laufenden Mietverhältnis solange nicht verjährt, wie die zweckwidrige Nutzung anhält (Urteil vom 19. Dezember 2018, Aktenzeichen XII ZR 5/18).

Außerdem klärte der BGH im selben Urteil die Frage, ob der Vermieter im Rahmen des Schadensersatzes eine Frist zur Mängelbeseitigung setzen muss, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die zweckwidrig genutzte Mietsache zurückgibt. Dies richtet sich laut Urteil nach der Art der Pflichtverletzung, die den Schadensersatz begründet: Handelt es sich um die Verletzung einer Leistungspflicht (Pflichten, aufgrund derer der Vertrag geschlossen wird, z. B. Pflicht des Vermieters, das Mietobjekt zum Gebrauch zu überlassen), muss der Vermieter eine Frist setzen (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB). Wurde hingegen nur eine Nebenpflicht (Pflichten, die der Erfüllung der Leistungspflicht dienen, z. B. Instandhaltungspflicht des Vermieters) verletzt, greift § 280 Abs. 1 BGB, der keine Fristsetzung verlangt. Der BGH entschied im konkreten Fall, dass es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht handelte und der Vermieter somit nicht verpflichtet war, eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen.

Autor/in: 

Maj Pascale Weber ist Redakteurin bei der anwalt.de Services AG in Nürnberg, die das Anwaltsverzeichnis anwalt.de betreibt (redaktion@anwalt.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2019, Seite 1020

 
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