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Grundsteuer

Es wird neu gerechnet

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Reform der Grundsteuer: Wie werden die neuen Steuersätze ermittelt? Was ändert sich für die Unternehmen?

Das Bundesverfassungsgericht hat Druck gemacht: Die Vorschriften zur Einheitsbewertung, die als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer dienen, sind verfassungswidrig. Das machte das Gericht in seinen Urteilen vom 10. April 2018 klar. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 verzerre die Grundsteuerwerte, weil sich die Grundstückswerte seitdem stark verändert hätten. Eine realitätsnahe und damit gerechte Steuerbemessung sei also nicht mehr gewährleistet. Die Verfassungsrichter forderten deshalb eine gesetzliche Neuregelung bis spätestens 31. Dezember 2019, ansonsten könne ab 2020 keine Grundsteuer mehr erhoben werden. Werde eine Neuregelung aber rechtzeitig verkündet, sei eine Weitergeltung der aktuellen Reglung bis spätestens 31. Dezember 2024 zulässig.

Nach langen Diskussionen zwischen der Bundesregierung und den Finanzverwaltungen der Länder haben die Fraktionen von CDU/CSU und SPD am 25. Juni 2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und des Bewertungsrechts in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (Bundestags-Drucksache 19/11085). Der bisherige Hauptfeststellungszeitpunkt 1964 wird demnach durch den neuen Stichtag 1. Januar 2022 ersetzt, zu dem die Grundstücke neu bewertet werden müssen. Gültig werden diese Werte dann als neue Bemessungsgrundlage zum 1. Januar 2025, wenn das neue Grundsteuerrecht in Kraft tritt. Spätestens nach sieben Jahren müssen Neubewertungen der Grundstücke vorgenommen werden, um eine realitätsnahe Steuerbemessung sicherzustellen.

Welches Modell?

Geeinigt hat man sich auf ein wertabhängiges Modell. Gleichzeitig soll eine Grundgesetzänderung den Ländern das Recht einräumen, von der Bundesregelung abzuweichen und einen eigenen Weg zu gehen. Bayern möchte von dieser Öffnungsklausel Gebrauch machen und ein wertunabhängiges Modell einführen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf Bayerns wurde aber bislang nicht veröffentlicht.

Nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung kommt bei Nichtwohngrundstücken – also insbesondere Geschäftsgrundstücken – grundsätzlich das sogenannte Sachwertverfahren zur Anwendung. Hierbei wird der Wert aus dem Gebäudewert ermittelt. Dieser wird im Wesentlichen anhand von Regelherstellungskosten, Nutzflächen und Baujahr errechnet – und anhand des Bodenwerts, der sich aus der Multiplikation von Grundfläche und Bodenrichtwert ergibt. Im Gegensatz dazu stellt das grundsätzlich bei Wohnimmobilien anwendbare sogenannte Ertragswertverfahren auf die tatsächliche bzw. ortsübliche Miete ab. Das Sachwertverfahren ist für den Steuerpflichtigen in der Regel einfacher, denn die Ermittlung oder Ableitung der ortsüblichen Miete ist in vielen Fällen mit hohem Aufwand verbunden.

Unabhängig davon sollen höhere Grundstückswerte, die infolge der Neubewertung zustande kommen, durch entsprechend angepasste Hebesätze ausgeglichen werden. Denn Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, die Neuregelung aufkommensneutral zu gestalten – die derzeitigen Einnahmen aus der Grundsteuer von rund 15 Mrd. Euro jährlich sollen also nicht steigen. Die Hebesätze können wie bei der Gewerbesteuer autonom durch die Gemeinden festgelegt werden. Nicht von der Reform berührt wird die Möglichkeit, die Grundsteuer auf die Mieter umzulegen.

Kern der Diskussionen um die Neuregelung war lange Zeit, welche Bemessungsgrundlage der Grundsteuer gerechter ist: ein wertabhängiges Modell (dafür plädierte insbesondere das Bundesfinanzministerium) oder ein wertunabhängiges Flächenmodell (insbesondere vom Freistaat Bayern favorisiert).

Frage der Bewertung

Bewertungen aufgrund eines Flächenmodells sind gegenüber einem wertabhängigen Modell in der Regel einfacher durchzuführen, weil hierfür grundsätzlich weniger Bewertungsdaten erforderlich sind. Ausreichend wäre dafür ein zweistufiges Besteuerungsverfahren: Anhand von Grundstücksfläche und Gebäudeflächen würde eine Bemessungsgrundlage festgesetzt und diese dann mit dem kommunalen Hebesatz multipliziert.

Dagegen müssen bei wertabhängigen Modellen aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben regelmäßig (spätestens nach sieben Jahren) Neubewertungen durchgeführt werden, die unter Umständen sehr aufwändig sein können. Auch deswegen wäre ein Flächenmodell – und zwar sowohl für die Finanzverwaltung als auch für den Steuerpflichtigen – leichter zu verwalten.

Öffnungsklausel für die Länder

Der Freistaat Bayern hat die Öffnungsklausel für die Länder durchgesetzt und wird nun – im Gegensatz zum wertabhängigen Modell des Bundesfinanzministeriums – ein vereinfachtes Flächenmodell einführen. Diese Öffnungsklausel dürfte dazu führen, dass auf Unternehmen mit Standorten in mehreren Bundesländern ein erheblicher Verwaltungsaufwand zukommt. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass jedes einzelne Bundesland einen eigenen Weg zur Bemessung der Grundsteuer geht, dennoch dürfte es bundesweit mehr als zwei Modelle und damit auch unterschiedliche Berechnungen bzw. Steuererklärungen geben.

Ziel der Reform war ein gerechtes, einfaches und aufkommensneutrales Vorgehen. Im nun vorgelegten Gesetzentwurf hat man sich gegenüber einer früheren Version zumindest auf eine Vereinfachung verständigen können. Dennoch sollte der Aufwand nicht unterschätzt werden, der auf die Finanzbehörden und die Immobilieneigentümer zukommt, um die Daten für deutschlandweit mehr als 35 Mio. Immobilien zu ermitteln. Es ist derzeit davon auszugehen, dass Steuererklärungen mit den zum Stichtag 1. Januar 2022 bewerteten Grundstücken bereits im Jahr 2023 abzugeben sind – also noch vor Anwendung des neuen Grundsteuerrechts ab dem 1. Januar 2025. Erst ab diesem Datum wird die Grundsteuer dann nach den neuen Werten festgesetzt.

Selbst Flächenangaben können zu Herausforderungen führen: Sowohl das wertabhängige als auch das Flächenmodell beruht auf Flächenangaben von Grund und Boden sowie auf der Wohn- oder Nutzfläche. Die Flächenangaben für Grund und Boden können den Grundbüchern entnommen werden und sind daher in der Regel einfach zu ermitteln. Dagegen ist die Ermittlung von Gebäudeflächen deutlich schwieriger, da im Rahmen der Berechnungsmodelle teils auf die Wohnfläche, in anderen Fällen aber auf die sogenannten Bruttogrundfläche abgestellt wird. Beide, vor allem die Bruttogrundfläche, sind aber in vielen Fällen nicht unmittelbar vorhanden und müssen gegebenenfalls neu vermessen werden. Dabei sind aktuelle DIN-Normen bzw. die Wohnflächenverordnung zu berücksichtigen, sodass nicht automatisch auf historische Werte zurückgegriffen werden kann.

Im Einzelfall schwierig sein kann die Abgrenzung der Flächenermittlung sowohl bei Wohnflächen (etwa für Keller- und Abstellräume, Fuß- und Sockelleisten, Türnischen, Schornsteine und Treppen mit über drei Steigungen) als auch bei Bruttogrundflächen von Geschäftsgrundstücken (etwa für lichte Höhen, Überdachungen oder Dachschrägen). Zur Vereinfachung wäre hier die Möglichkeit einer pauschalen Überleitungsrechnung sinnvoll, etwa von den bei den Finanzämtern vorliegenden Kubikmeter-Werten auf die Bruttogrundflächen.

Auch die Baujahre können manchmal schwer festgelegt werden, etwa wenn Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen oder gar Kernsanierungen durchgeführt wurden. Diese Maßnahmen können dazu führen, dass für die Bewertung ein jüngeres Baujahr zugrunde gelegt wird.

Autor/in: 

Dr. Wilfried W. Krauß ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei PricewaterhouseCoopers (PwC) in Nürnberg (wilfried.krauss@pwc.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2019, Seite 1024

 
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