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Integration

Im Beruf ankommen

bp190919 IHK Lehrwerkstatt Foto@UdoDreier.de 73315 7 © Udo Dreier

In der Lehrwerkstatt in der Sigmundstraße: Dozent Manuel Salas und Teilnehmer Moustafa Mesout aus Griechenland.

Mit der Teilqualifizierung Industriemechaniker erwerben Menschen mit Migrationshintergrund schrittweise berufliche Fertigkeiten.

Aus Iran stammt Hamzeh Abbasi Pour, der vor etwa drei Jahren nach Deutschland gekommen ist. In seiner Heimat hatte der 35-Jährige als Schweißer gejobbt, im Büro einer Fernsehwerkstatt gearbeitet und sich schließlich mit zwei Fast-Food-Restaurants selbstständig gemacht. Damit hat er zwar reichlich Berufserfahrung, aber keinen Abschluss, mit dem er sich in Deutschland langfristig eine Existenz aufbauen kann. Für Menschen wie ihn, die sich nach Kriegserlebnissen und Flucht in Deutschland eine neue Existenz aufbauen wollen, haben die IHK Nürnberg für Mittelfranken und die co-check GmbH Nürnberg das Projekt „Teilqualifizierung Industriemechaniker“ entwickelt.

Das Besondere daran sei die Verzahnung von beruflicher Bildung und Sprachunterricht, so Projektleiter Marc Schüpferling von co-check, einem Tochterunternehmen des Personaldienstleisters Add-on Personal & Lösungen GmbH. „Es war bundesweit die erste Teilqualifizierung, die speziell auf die Zielgruppe Geflüchteter zugeschnitten ist“, ergänzt Stefan Kastner, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Berufsbildung. Die erste Teilqualifizierung (TQ) bei co-check hatte im Mai 2017 begonnen, im Februar 2018 konnten die ersten neun Absolventen ihre IHK-Zertifikate zur bestandenen Prüfung der Industriemechaniker-Teilmodule sowie das Deutsch-B2-Zertifikat entgegennehmen.

Bisher acht Lehrgänge

Inzwischen ist der achte Kurs bei co-check angelaufen. Bislang haben insgesamt 64 Männer und Frauen mit der Teilqualifizierung eine Basis für ihre berufliche Qualifikation in Deutschland gelegt. In der Lehrwerkstatt lernen und arbeiten Menschen aus 13 Herkunftsländern, die meisten von ihnen aus Syrien und dem Iran. Sie mussten vor der Aufnahme in das Programm Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 vorweisen und einen Eignungstest bestehen. 

Die Vollzeitmaßnahme dauert zehn Monate und setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen: Zunächst stehen vier Wochen Deutschunterricht auf dem Stundenplan. Dabei geht es nicht nur um die fachbezogene Sprachkompetenz, sondern auch um Teambuilding und interkulturelle Aspekte. Dann verlagert sich der Schwerpunkt aus dem Klassenzimmer in die Ausbildungswerkstatt, wo sich die Teilnehmer das erste und zweite Modul der Teilqualifizierung zum Industriemechaniker erarbeiten. Parallel dazu läuft der Sprachunterricht weiter. Besuche bei „Unternehmenspaten“ vermitteln „live und in Farbe“ Eindrücke von der Arbeitswelt und bereiten das zweimonatige Betriebspraktikum vor. Dieser zentrale Baustein der Teilqualifizierung ebnet durch den sogenannten „Klebeeffekt“ den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt. Denn fast alle TQ-Teilnehmer werden später in den Unternehmen beschäftigt, in denen sie während der Praxisphase gearbeitet haben.

Im Konzept von co-check spielt das „psychologische Integrationscoaching“ eine wichtige Rolle: Traumatische Erlebnisse auf der Flucht, Sorge um die im Herkunftsland zurückgebliebenen Angehörigen, Regeln und Besonderheiten der deutschen Arbeitswelt sowie den Alltag in einer noch fremden Umgebung empfinden viele Geflüchtete als psychische Belastungen. Darauf müsse die Teilqualifizierung eingehen, betont Marc Schüpferling. So gehören zum Team von co-check nicht nur erfahrene Fachausbilder, sondern auch der Bildungskoordinator Siawash Nadjimi. Er will den Geflüchteten helfen, in ihrer neuen Heimat anzukommen: „Wir gehen zum Beispiel gemeinsam in die Stadtbibliothek und in die Innenstadt.“ Und nach Feierabend spielen die Teilnehmer öfter zusammen Fußball.

Hamzeh Abbasi Pour hatte den Tipp für die Teilqualifizierung von einem Freund bekommen, der den ersten Kurs mitgemacht hatte. Hamzeh verbesserte dadurch sein Deutsch und hat im Fachkundeunterricht die Grundlagen der Metallverarbeitung gelernt. Die Fachsprache war für Hamzeh die größte Herausforderung; Mathematik und Physik fürchtete er weniger, denn diese Fächer hatte er im Iran als Schwerpunkte im Abitur. Für ihn hat sich die Mühe gelohnt: Mittlerweile hat er den Kurs abgeschlossen und erfolgreich den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt geschafft.

Autor/in: 

aw.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2019, Seite 64

 
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