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Digitalisierung

Wie arbeiten Kaufleute morgen?

Forschungsprojekt „Future Digital Job Skills“: Neue Anforderungen an die kaufmännischen Berufe in der digitalen Welt.

Selbstlernende Roboter, hoch automatisierte Logistik, vernetzte Mobilität: Damit wird die Digitalisierung maßgeblich in Verbindung gebracht. Vergessen wird dabei oft, dass sie auch die kaufmännische Berufswelt stark verändert. Auf welche Herausforderungen müssen sich Kaufleute in der Arbeitswelt 4.0 einstellen? Welche neuen Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen werden künftig von ihnen erwartet? Wie sollten die Unternehmen diesen Wandel mit ihren Aktivitäten in Personalpolitik und Weiterbildung gestalten? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Forschungsprojekt „Future Digital Job Skills – Job- und Kompetenzprofile in der digitalen Transformation“, das gemeinsam von den IHKs Nürnberg, Bayreuth und Coburg sowie von der Nürnberger Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) durchgeführt wurde. Nun liegen die Ergebnisse der Studie vor.

Die künftigen Anforderungen an kaufmännische Angestellte wurden durch Experteninterviews und Mitarbeiter-Workshops in fünf Unternehmen aus der Metropolregion Nürnberg sowie eine breit angelegte Online-Befragung ermittelt. Ein Ergebnis der Studie sind ausführliche Kompetenzprofile für sieben kaufmännische Ausbildungsberufe.

Mehr Verantwortung für den Einzelnen

Viele Prozesse im kaufmännischen Bereich werden künftig stärker automatisiert sein und häufiger ortsunabhängig erfolgen. Die Mitarbeiter werden vielfach von Routinearbeiten entlastet und übernehmen dafür stärker überwachende und qualitätssicherende Funktionen. Die digitale Welt verlangt auch ein flexibles, agiles Arbeiten über Abteilungsgrenzen hinweg, um schnell auf individuelle Kundenwünsche reagieren zu können. Mitarbeiter benötigen dazu künftig mehr Eigenverantwortlichkeit, Entscheidungsfreude und Selbstvertrauen.

„In den Workshops und Umfrageergebnissen klang durchweg an, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absolut dazu bereit sind, selbst Mitverantwortung für ihre Kompetenzentwicklung zu übernehmen, wenn die Unternehmen ihnen dafür die Ressourcen und das Vertrauen geben”, so Susanne Sczogiel, Wissenschaftlerin am Fraunhofer SCS und eine der Autorinnen der Studie.

IT-Kompetenz immer wichtiger

Eine grundsätzliche Offenheit für EDV- und Online-Themen und die Bereitschaft, sich selbstständig einzuarbeiten, sind ein weiteres Muss für Kaufleute, um sich im Berufsleben behaupten zu können. Den Autoren der Studie zufolge werden sie sich u. a. Kenntnisse in diesen Bereichen aneignen müssen: Umgang mit ERP-Systemen (betriebswirtschaftliche Software, um Geschäftsprozesse zu steuern), Datensicherheit, Kundenbetreuung mit neuen Medien, Multi-Channel-Kommunikation, Suchmaschinen-Marketing, Auswertung von Kennzahlen im E-Commerce, datengestützte Auswertung des Kundenverhaltens, benutzerfreundliche Gestaltung von (digitalen) Kundenkontaktpunkten und Kenntnisse über digitale Prozesse. Ungeachtet der Digitalisierung bleibt die gelungene Kommunikation von Mensch zu Mensch eine zentrale Kompetenz der Kaufleute, die keine Software ersetzen kann. Sozialkompetenz bleibt also immens wichtig. Das erklärt auch, weshalb Fremdsprachenkenntnisse an Relevanz gewinnen.

Ermittelt wurden in der Untersuchung aufgrund der Gespräche und Workshops sowie der Online-Befragung spezifische neue Anforderungen in diesen sieben Ausbildungsberufen:

  • Industriekaufleute
  • Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistungen
  • Kaufleute für Büromanagement
  • Kaufleute im Groß- und Außenhandel
  • Informatikkaufleute
  • Kaufleute für Versicherungen und Finanzen
  • Personaldienstleistungskaufleute

Die Autoren der Studie erarbeiteten detaillierte Kompetenzprofile für die einzelnen Berufe. Groß ist dabei die Bandbreite der Kompetenzen und Fähigkeiten, die von Unternehmern, Personalverantwortlichen und Mitarbeitern im Zuge der Studie für diese Ausbildungsberufe genannt wurden. Ein kleiner Ausschnitt aus den Anforderungen, die im Einzelnen der Langfassung der Studie zu entnehmen sind: sicherer Umgang mit Datenbanken, Umfrageinstrumenten und Programmen für die agile Projektsteuerung, selbstständige Behebung von Problemen in automatisierten Systemen, Programmierung oder Kenntnisse von rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Datenschutz, Vertragsrecht).

Auf der Basis der Erhebung stellten die Studienmacher Thesen auf und diskutierten diese mit Experten. Diese äußerten folgende Erwartungen darüber, wie die (digitale) Arbeitswelt in den untersuchten Ausbildungsberufen in Zukunft aussehen könnte: Die Grenzen zwischen den einzelnen kaufmännischen Berufen verschwimmen teilweise. Die IT-Kompetenzen und die persönlichen Fähigkeiten, die in den Berufen gefordert werden, ähneln sich immer mehr. Zudem wird die Zusammenarbeit über Berufsgrenzen hinweg wichtiger. Deshalb plädieren die Experten dafür, dass alle Auszubildenden zunächst eine ähnliche fachliche Grundausbildung erhalten, um sich darauf aufbauend spezialisieren zu können. Die Vermittlung von Methodenkompetenz und IT-Wissen gewinnt in allen Berufen stark an Bedeutung und sollte deshalb in der beruflichen Aus- und Weiterbildung noch stärker als bisher gewichtet werden.

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken sieht die Studie als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten in diesem Bereich. Geplant sind u. a. Workshops mit Berufsschulen und Weiterbildungsanbietern sowie ein bildungspolitischer Dialog.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2019, Seite 26

 
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