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Haftung der Geschäftsleitung

Runter vom heißen Stuhl

Haftung der Geschäftsführung © Halfpoint/GettyImages.de

In welchen Bereichen müssen sich Geschäftsführer auf Haftungsrisiken einstellen? Mit welchen Versicherungen kann man vorsorgen?

Die Leistungsträger eines Unternehmens setzen sich täglich mit vollem Einsatz für ihre Betriebe ein. Vielen ist nicht bewusst, dass sie auch privat „Haus und Hof“ riskieren, wenn sie dabei eigene Belange außer Acht lassen. Sie müssen sich also einen Überblick verschaffen über Haftungsfallen und über Möglichkeiten, vorbeugend tätig zu werden.

Als Geschäftsführer gelten in rechtlicher Hinsicht alle Personen, die formal oder tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen. Entscheidend ist hierbei, ob die Leitungsperson das Schicksal des Unternehmens durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich und nachhaltig prägt. Nicht zu diesem Kreis gehören Gesellschafter, selbst wenn sie auf die Geschäftsführer Einfluss nehmen. Keine Rolle spielt dabei, ob die Gesellschafter selbst nach außen auftreten oder nicht, es sei denn sie nehmen wiederum selbst Geschäftsführungsaufgaben wahr.

Im Folgenden werden mögliche Arten der Haftung beschrieben, mit denen sich Geschäftsführer dringend auseinandersetzen sollten:

Haftung gegenüber der eigenen Gesellschaft

Hier geht es vorrangig um die Fälle, in denen der Geschäftsführer die Obliegenheiten eines ordentlichen und sorgfältigen Geschäftsführers verletzt. Dann haftet er gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Voraussetzung für einen solchen Haftungsansatz ist immer eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers.

Als Maßstab für die Haftung gilt die Frage, was man objektiv von einem ordentlichen Geschäftsmann in einer vergleichbaren Situation erwarten kann. Eine solche Pflichtverletzung kann fahrlässig (also sinngemäß: "es wird schon nichts passieren") oder vorsätzlich (es reicht hier schon sinngemäß: "ist mir doch egal") begangen werden. Einige Beispiele für eine solche Pflichtverletzung: Der Geschäftsführer befolgt erkennbar nichtige bzw. erkennbar rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschafter, er überschreitet seine Vertretungsmacht oder er bereichert sich persönlich. Auch die Niederlegung der Geschäftsleitung zur Unzeit sowie Misswirtschaft können Haftungsgründe sein.

Im hektischen Betriebsalltag kann es schnell zu Misswirtschaft kommen. Beispiele hierfür sind das Verjährenlassen von Forderungen der Gesellschaft, der Kauf von Anlagen, die sich als unbrauchbar herausstellen, riskante Beteiligungen am Kapitalmarkt, ein Unternehmenserwerb ohne oder mit erkennbar fehlerhafter Due-Diligence oder Warenlieferungen auf Kredit an Kunden mit bekannten Finanzproblemen, bei denen aber dennoch keine Sicherheiten verlangt werden.

Besteht die Geschäftsführung aus mehreren verantwortlichen Geschäftsführern, die gegenüber der Gesellschaft haften, gilt bei Pflichtverletzungen: Hier ist ein Ausgleich vorzunehmen je nach Verantwortung der einzelnen Personen. Voraussetzung dafür ist, dass sowohl formal, als auch in der betrieblichen Praxis (Stichwort: "gelebtes Organigramm") eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten vorgenommen wird.

Haftung gegenüber Dritten

Bei der Haftung gegenüber Dritten gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten – die Haftung aufgrund Vertrag und die Haftung aufgrund gesetzlicher Vorgaben.

Haftung aus Vertrag: Für die Geschäftsführerhaftung gegenüber Dritten, die sich aus Verträgen ergibt, kommen zahlreiche Gründe in Betracht. Einige Beispiele: unhaltbare Garantieversprechen, Übernahme von Bürgschaften, Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnisse. Der Geschäftsführer kann sich auch haftbar machen, wenn er seine Vertragspartner nicht über die erkennbare Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit seiner Gesellschaft aufklärt.

Sollte der Geschäftsführer bei Geschäften ausschließlich im eigenen Interesse handeln, kommt letztlich ebenfalls eine Außenhaftung in Betracht. Allerdings ist die Rechtsprechung bei allen Fällen der Außenhaftung sehr restriktiv. Sie setzt also die Messlatte hoch, ab der sie von einer Haftung der Geschäftsführer aufgrund Verschulden bei Vertragsverhandlungen bzw. aufgrund vertraglicher Verpflichtungen ausgeht.

Haftung aus Delikt: In der Praxis häufiger sind Haftungsansprüche, mit denen sich Geschäftsführer nach Delikten konfrontiert sehen. Eine Haftung aus strafrechtlichen Aspekten ergibt sich beispielsweise bei Untreue, Betrug, Begünstigung von Gläubigern oder vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. In diesen Fällen kann auf den Geschäftsführer auch eine finanzielle, zivilrechtliche Haftung zukommen, die sich aus § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. Demnach ist derjenige zum Schadenersatz verpflichtet, der gegen ein Gesetz verstößt, das andere schützen soll.

Haftung für nicht abgeführte Beiträge zur Sozialversicherung: Ein in der Praxis häufiger Fall der Geschäftsführerhaftung ist die Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung. Dies ist immer dann möglich, wenn die Abführung der Beiträge zum Fälligkeitszeitpunkt möglich gewesen wäre, aber nicht erfolgt ist. Die Rechtsprechung verpflichtet den Geschäftsführer deshalb, entsprechende ausreichende Rücklagen zu bilden. In der Konsequenz haftet der Geschäftsführer immer, wenn eine Zahlungsunfähigkeit darauf beruht, dass vor Fälligkeit der Arbeitnehmerbeiträge Leistungen an andere Gläubiger der Gesellschaft abgeführt wurden.

Persönliche Haftung für Steuern: Eine eigene steuerliche Haftung trifft den Geschäftsführer, wenn er verantwortlich ist, dass die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft nicht rechtzeitig oder vollständig erfüllt werden. Gerät eine Gesellschaft in Zahlungsschwierigkeiten, gilt der Grundsatz, dass der Geschäftsführer die Steuerschulden im selben Verhältnis wie die sonstigen Gesellschaftsschulden tilgen muss. Andernfalls droht unter gewissen Voraussetzungen die persönliche Haftung des Geschäftsführers für die nichtabgeführten Steuerschulden.

Weitere Haftungstatbestände: Strafrechtlich können Geschäftsführer auch bei folgenden Tatbeständen haftbar gemacht werden: Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten, Verletzung der Pflichten zur Rechnungslegungspublizität oder ganz allgemein bei Vorstößen gegen Vorschriften des Strafgesetzbuchs, die alle Personen gleichermaßen – ob in Leitungsebene oder nicht – betreffen. Besonders hinzuweisen ist auf sogenannte Bankrottdelikte sowie auf Pflichten, die im Zusammenhang mit Insolvenzen stehen (z. B. schuldhaft verspätete Antragstellung auf ein Insolvenzverfahren; siehe Artikel zu dem Thema).

Geeignete Versicherungen

Die genannten Risiken lassen sich durch eine D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Manager-Haftpflichtversicherung genannt) minimieren. Sie wird vom Unternehmen für die Geschäftsführer abgeschlossen, um sie gegen Ansprüche des eigenen Unternehmens und/oder gegen Ansprüche Dritter abzusichern. Natürlich sollten vor Vertragsabschluss die Bedingungen genau überprüft werden: Je nach Versicherung gibt es Begrenzungen beim Leistungsumfang, viele Anbieter schließen eine Leistung bei Vorsatz aus und oft werden nur anteilige Leistungen ausgezahlt – entsprechend dem Haftungsanteil, der dem einzelnen Geschäftsführer zugemessen wird.

Der Geschäftsführer kann jedoch schon in seinem Vertrag mit den Eigentümern der Gesellschaft von vorneherein vereinbaren, dass seine Haftungsrisiken verringert werden. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab herabgesetzt (z. B. auf grobe Fahrlässigkeit) oder die Haftung gegenüber der Gesellschaft auf eine bestimmte Summe beschränkt wird. Außerdem kann vereinbart werden, dass die Verjährungsfristen für eventuelle Ansprüche der Eigentümer verkürzt werden. Möglich sind außerdem Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer auf einen Verzicht der Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach dem Haftungsfall.

Allerdings haben diese Vereinbarungen ihre Grenzen und können nicht immer frei verhandelt werden – insbesondere bei den sogenannten gläubigerschützenden Geschäftsführungspflichten. Dies sind Pflichten, die ein Geschäftsführer im Interesse der Gläubiger zwingend erfüllen muss (z. B. die Insolvenzantragspflichten des Geschäftsführers) und bei denen er eine Haftungsbeschränkung nur in sehr begrenztem Maße vereinbaren kann.

Grundsätzlich gibt es auch eine gesetzliche Haftungsbeschränkung: Demnach verjähren Ansprüche der Gesellschaft an ihre Gesellschafter fünf Jahre, nachdem der Anspruch entstanden ist. Dies setzt voraus, dass ein Schaden eingetreten ist, dessen Schadenshöhe aber noch nicht endgültig feststehen muss. Beruht der Schaden auf mehreren Teilhandlungen des Geschäftsführers, ist für den Beginn der Verjährung in aller Regel die letzte Handlung entscheidend. Für Ansprüche, die sich aus Delikten oder aus ungerechtfertigter Bereicherung ergeben, gelten jedoch spezielle rechtliche Regelungen. Unwirksam sind nach überwiegender Auffassung der Gerichte vertraglich vereinbarte Verkürzungen der Verjährung, die zu Lasten von Gläubigern der Gesellschaft gehen würden.

Entscheidungen dokumentieren

Um Haftungsfälle zu vermeiden, sollten Geschäftsführer ihre eigenen Entscheidungen stets sauber und sorgfältig dokumentieren und diese dabei nachvollziehbar begründen. Auf diese Weise kann man möglichen Vorwürfen von Gesellschaftern, Insolvenzverwaltern oder Dritten gut gewappnet entgegentreten. Dies gilt nicht zuletzt für eine eventuelle Insolvenzanmeldung, die rechtzeitig erfolgen muss. Fehler und Nachlässigkeiten bei diesem Thema können sehr weitreichende Folgen für den Geschäftsführer haben. Deshalb muss er stets ein Augenmerk auf die Aspekte Zahlungsfähigkeit und Überschuldung haben, um nicht die Anmeldung einer drohenden Insolvenz zu versäumen. Auch gegenüber den Sozialversicherungsträgern und den Finanzbehörden können Haftungsfälle vermieden werden, wenn das Vorgehen der Geschäftsführung verantwortungsbewusst und nachvollziehbar ist.

Geschäftsführern, die sich bislang in Ausbildung und Berufsleben noch nicht ausreichend mit Haftungsfragen beschäftigt haben, ist dringend eine geeignete Fortbildung oder eine individuelle Beratung zu empfehlen. Zu groß ist sonst die Gefahr, sich in Haftungsfallen wiederzufinden, die große finanzielle und auch strafrechtliche Folgen haben können. Aber umfangreich sind auch die Möglichkeiten des Geschäftsführers, sich von vorneherein vor Risiken abzusichern: etwa durch vertragliche Vereinbarungen mit seiner Gesellschaft, durch die nachvollziehbare Dokumentation von Entscheidungen und durch den Abschluss einer leistungsfähigen D&O-Versicherung.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Holger Johannes Pütz-von Fabeck ist Partner der Kanzlei Meyerhuber Rechtsanwälte Partnerschaft mbB. Er ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie für Arbeitsrecht und Dozent für Bank- und Unternehmensrecht (puetz-von-fabeck@meyerhuber.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2020, Seite 34

 
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