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Ausländische Fachkräfte

Schneller auf den deutschen Arbeitsmarkt

Illu_WiM_0320_Original © Illustration: Anton Atzenhofer

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz senkt die Hürden vor allem für ausländische Bewerber mit einer Berufsausbildung.

Die hiesige Wirtschaft hat nach wie vor große Schwierigkeiten, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Fachkräfteengpässe bleiben trotz Konjunkturschwäche eine große Herausforderung für die deutschen Unternehmen. So lassen sich die Kernaussagen des „Fachkräftereports“ zusammenfassen, den der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Anfang Februar vorgestellt hat. Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Achim Dercks warnte, dass sich die Situation weiter verschärfen wird: „Bis zum Jahr 2035 nimmt das Angebot an Arbeitskräften in Deutschland um bis zu sechs Mio. ab – und ohne fortgesetzte Zuwanderung von Fachkräften wären es sogar noch deutlich mehr.“

Vor diesem Hintergrund soll die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern, den sogenannten Drittstaaten, einfacher werden. Lange wurde auf der politischen Bühne gerungen, wie das Aufenthaltsgesetz von 2005 „einwanderungsfreundlicher“ gestaltet werden könnte. Dann hat der Bundestag am 7. Juni 2019 als Teil des Gesetzespakets zu Migration und Asyl das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) beschlossen, das am 1. März 2020 in Kraft getreten ist.

Wirtschaftsvertreter halten das FEG für ein dringend erforderliches und lange überfälliges Update der Gesetzgebung: „Obschon weitere Liberalisierungen gut gewesen wären, ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Markus Neubauer, Geschäftsführer der Silbury Holding GmbH in Fürth. „Schon allein der Name des Gesetzes signalisiert, dass Deutschland Fachkräfte willkommen heißt. Jetzt gilt es, in den Regionen die Umsetzung zu sichern“, ergänzt Neubauer, der Vorsitzender des IHK-Ausschusses Fachkräftesicherung ist. Wie sehr dieses Thema die mittelfränkischen Unternehmen belastet, zeigt die aktuelle IHK-Standortumfrage: Hier nannten die Firmen die Verfügbarkeit von beruflich qualifizierten Fachkräften als eine der größten Herausforderungen.

Berufliche Qualifikationen aufgewertet: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz enthält eine Reihe von Neuerungen: Entscheidend ist dabei die Aufwertung beruflicher Qualifikationen. So hatten Fachkräfte aus Drittstaaten nach alter Rechtslage nur mit einem akademischen Abschluss unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Dank der Gesetzesreform können jetzt auch Nicht-EU-Bürger mit einer Berufsausbildung ein Visum oder einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung erhalten. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft nämlich einen neuen, einheitlichen Fachkräftebegriff, der Hochschulabsolventen und Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst: Demnach gilt als Fachkraft, wer eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine gleichwertige Berufsqualifikation hat. Akademiker sind Fachkräfte im Sinne des Gesetzes, wenn sie einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen mit einem deutschen vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen. Der DIHK lobt ausdrücklich die neue Qualität des Gesetzes, weil es die Zuwanderung von beruflich Qualifizierten zu Recht in den Fokus stellt. Die Chancen von Nicht-Akademikern, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, hätten sich dadurch deutlich verbessert.

Positivliste für Engpassberufe abgeschafft: Die bislang geltende Beschränkung auf Engpassberufe wird abgeschafft. Die bisherige Betrachtung anhand einer Positivliste hatte den Nachteil, dass nicht alle Berufe berücksichtigt wurden, bei denen tatsächlich Engpässe in der Praxis bestehen. Die neue Gesetzesregelung verspricht mehr Flexibilität: „Der Verzicht auf eine starre Liste von Engpassberufen ermöglicht mehr Spielräume, um auf den tatsächlichen Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft zu reagieren“, erklärt Franziska Röder, Beraterin für Fachkräftezuwanderung bei der IHK Nürnberg.

Vorrangprüfung passé: Mehr Flexibilität, weniger Bürokratie – diesen Effekt erhofft man sich auch vom Wegfallen der Vorrangprüfung: Hat ein Bewerber aus einem Drittstaat die erforderliche Qualifikation und einen Arbeitsvertrag in der Tasche, müssen die Behörden nicht mehr prüfen, ob die Stelle nicht auch durch deutsche oder EU-Staatsangehörige besetzt werden könnte. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hält sich allerdings die Option offen, die Vorrangprüfung wieder einzuführen, falls sich die Situation am Arbeitsmarkt ändern sollte.

Arbeitsplatzsuche vor Ort: Fachkräfte können für maximal ein halbes Jahr nach Deutschland einreisen, um einen Arbeitsplatz zu suchen. Dieser Weg stand bisher nur Hochschulabsolventen offen. Nun haben auch beruflich Qualifizierte die Möglichkeit, sich vor Ort auf Stellensuche zu begeben. Davon profitieren nicht nur Bewerber, sondern auch Unternehmen: „Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist es oftmals schwierig und aufwendig, im Ausland passende Kandidaten zu suchen. Unsere IHK-Jobmesse für internationale Fachkräfte bietet hier neben anderen Veranstaltungen eine gute Plattform, damit sich Unternehmen und Bewerber persönlich treffen können“, so IHK-Expertin Franziska Röder. Fachkräfte müssen jedoch nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt während dieser Suchphase gesichert ist und sie Deutschkenntnisse mitbringen. Das bleibt eine hohe Hürde.

Ausbildungsmarkt sondieren: Neu geschaffen wurde die Möglichkeit für Bürger aus Drittstaaten bis zum 24. Lebensjahr, in Deutschland einen Ausbildungsplatz zu suchen. Betroffene können nun mit einem Schulabschluss einreisen, der zu einem Studium im Heimatland oder in Deutschland berechtigt. Der Aufenthalt für die Ausbildungsplatzsuche ist auf sechs Monate beschränkt und an weitere Voraussetzungen geknüpft: Die jungen Menschen müssen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und Deutschkenntnisse haben. Dieselben Voraussetzungen gelten für die Drittstaaten-Angehörigen bis 24 Jahre, die in Deutschland studieren wollen. Ihnen kann für maximal neun Monate eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Aufenthaltstitel zur Nachschulung: Die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation ist der Knackpunkt, ob ein Drittstaatsangehöriger einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung bekommen kann. Im nicht-akademischen Bereich kommt es relativ häufig vor, dass eine ausländische Qualifikation erst dann als gleichwertig anerkannt wird, wenn sich der Betroffene in Deutschland nachqualifiziert. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet Nicht-EU-Bürgern nun die Möglichkeit eines „Aufenthalts zur beruflichen Anerkennung“, der auf zwei Jahre befristet ist.

Sichere Perspektiven: Für die Attraktivität des Standorts Deutschland auf dem internationalen Arbeitsmarkt spielt eine sichere Zukunftsperspektive eine entscheidende Rolle. Diesen Faktor greift das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf: Fachkräfte mit deutschem Hochschulabschluss oder deutscher Berufsausbildung können sich künftig dauerhaft in Deutschland niederlassen, wenn sie zwei Jahre in einem ihrer Qualifikation entsprechenden Job beschäftigt waren und in die Rentenkasse einbezahlt haben. Für Fachkräfte mit ausländischen Abschlüssen liegt diese Frist bei vier Jahren.

Probleme und Hürden

Das Meinungsbild der Experten zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat verschiedene Schattierungen, aber einen Grundton: ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein großer Wurf. Prof. Dr. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zweifelte bei einer Anhörung im Bundestag, dass das Gesetz einen großen Anstieg von Zuwanderung von Fachkräften anstoßen wird. Mit der notwendigen Anerkennung von beruflichen Abschlüssen bleibe die wichtigste Hürde für die Einwanderung erhalten. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Das Erfordernis der Anerkennung der Berufsabschlüsse ist der Schwachpunkt des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Die Bundesregierung sollte die Anerkennungsverfahren für Berufe entschlacken und Alternativen erwägen“, wird Thomas Liebig, Leitender Ökonom der Migrationsabteilung der OECD, in einer Pressemitteilung zur Studie „OECD Indicators of Talent Attractiveness“ zitiert. Laut diesem Ranking schneidet Deutschland bei der Standortwahl hoch qualifizierter Fachkräfte nur mittelmäßig ab. Unter 35 Staaten liegt Deutschland auf Platz 12. Als Schwachstelle bei der Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes könnte sich zudem die Visa-Erteilung durch die deutschen Auslandsvertretungen erweisen: Der DIHK-Arbeitsmarktexperte Dr. Stefan Hardege warnte bei einer Anhörung im Bundestag vor einem „problematischen Flaschenhals“ für die Zuwanderung. Hier sollte die Bundesregierung aktiv werden, so der Appell an die Politik.

Autor/in: 

Andrea Wiedemann

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2020, Seite 26

 
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