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Patente

Software gut schützen

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IT-Programme wirksam gegen Nachahmer absichern: Welche Möglichkeiten bietet das Patentrecht? Von Dr. Matthias Schindler

Software und Künstliche Intelligenz sind Schlüsseltechnologien der vierten industriellen Revolution. Weltweit nehmen die Patentanträge auf Software-Innovationen stark zu, aber Deutschland hinkt hinterher: In Europa stammt nur jede vierte Patentanmeldung im Bereich Software und KI von einem deutschen Unternehmen. Spitzenreiter sind mit 25 Prozent aller europäischen KI-Anmeldungen die USA, gefolgt von Japan mit 18 Prozent und Südkorea mit 13 Prozent (Zahlen von 2017). Software-Patente – auch computerimplementierte Erfindungen genannt – sind grundsätzlich auf vielen Feldern möglich, z. B. elektrische Geräte für Haushalt und Unterhaltung, Smartphone, autonomes Fahren, Robotik oder Industrie 4.0.

Kriterien für ein Patent

Ein Patent zählt wie Marke, Gebrauchsmuster und Design zu den geistigen Eigentumsrechten (englisch: Intellectual Property, IP). Ein Patent stellt ein geprüftes Schutzrecht für eine technische Erfindung dar, wobei die Erfindung bestimmte Kriterien erfüllen muss: Die zu schützende Idee muss technisch, neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sein. Ferner darf die Patentierung der Erfindung nicht von vorneherein ausgeschlossen sein (z. B. biotechnologische Verfahren, die ethisch bedenklich sind). In der Praxis lassen sich die Kriterien Neuheit und gewerbliche Anwendbarkeit am leichtesten bewerten, problematisch ist dagegen häufig die Einordnung als „erfinderische Tätigkeit“. Aus der Rechtsprechung lässt sich „erfinderisch“ so definieren, dass es sich nicht um eine naheliegende Weiterentwicklung von bereits Bekanntem handeln darf.

Ein erteiltes Patent erlaubt dem Patentinhaber, anderen maximal 20 Jahre lang die Benutzung der patentierten „Lehre“ – also der Neuerung – zu verbieten. Im Gegenzug dazu muss der Patentinhaber hinnehmen, dass die Erfindung der Öffentlichkeit als Druckschrift in einem Register bereitgestellt wird. Somit ergeben sich zwei Pole, die es abzuwägen gilt: Einerseits wird der Patentinhaber dafür belohnt, dass er Forschung und Entwicklung betrieben hat und nun alleine aus der Erfindung Profit schlagen und so die Investitionen amortisieren kann. Andererseits kennt auch die Konkurrenz die für sie verbotene Entwicklung. Allerdings gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten für die Konkurrenz, an Innovationen heranzukommen – beispielsweise durch „Reversed Engineering“ (aufschrauben, anschauen, nachbauen) oder die Abwanderung von hoch qualifizierten Mitarbeitern. Zahlreiche Erfinder und Unternehmen nutzen sogar ganz bewusst die Möglichkeit der Veröffentlichung: Sie wollen dadurch Patentanmeldungen der Konkurrenz vermeiden, die gleichzeitig am selben Thema arbeiten könnte. Deshalb greifen sie zum Instrument der Defensiv-Patentanmeldung, bei der weniger die Erteilung des Patentes im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Veröffentlichung der technischen Entwicklung. Denn dann können die Konkurrenten hierauf kein Patent mehr erhalten und man selbst wird nicht vom Markt ausgesperrt.

Zu beachten ist auch, dass in Deutschland das Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ gilt („First-to-File-Prinzip“): Das Patent steht demjenigen zu, der es zuerst anmeldet. Die Erfindung muss dabei keineswegs schon vollständig ausgereift und produktreif sein; es genügt, wenn sie prinzipiell ausführbar ist. Beispielsweise können Komponenten der Erfindung noch zu teuer, zu groß oder nicht serienreif sein, sodass zwar prinzipiell die Erfindung ausgeführt werden könnte, aber vielleicht erst in ein paar Jahren wirtschaftlich ist. Wer mit der Anmeldung eines Patents wartet, bis die Komponenten marktreif sind, kann später gegebenenfalls leer ausgehen und die Erfindung nicht nutzen.

Welche Software ist patentierbar?

Häufig ist die irrtümliche Meinung anzutreffen, Software sei nicht patentierbar. Dies könnte daran liegen, dass früher hauptsächlich Fertigungsverfahren, Maschinen und Vorrichtungen geschützt werden sollten. Außerdem enthält § 1 Abs. 3 Patentgesetz (PatG) Formulierungen, die zu falschen Schlüssen verleiten. Aufgeführt sind dort Erfindungen, die von der Patentierung ausgenommen sind, u. a. reine wissenschaftliche Theorien und ästhetische Formschöpfungen sowie eben auch die Wiedergabe von Informationen (Bildschirmanzeigen) und Programme für Datenverarbeitungsanlagen (Software). Allerdings wird dies durch den darauffolgenden § 1 Abs. 4 PatG wieder aufgehoben: So können „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ nur dann nicht patentiert werden, wenn es sich um eine rein gedankliche Idee, eine mathematische Berechnungsformel oder einen reinen Programmcode handelt. Ein Beispiel: Nicht patentierbar ist ein Programm, das nichts anderes tut, als Zahlen zu addieren, ohne dabei auf Hardware oder computertechnische Probleme einzugehen. Patentierbar wäre dagegen eine technische Lösung – beispielsweise ein Programm, das besondere datentechnische Probleme wie Speicherkapazitäten oder Hardware-Ressourcen (z. B. Nutzung von Prozessorkernen) löst, sodass schneller und datenschonender addiert werden kann.

Diese Auffassung wird auch von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und von der Praxis des deutschen und des europäischen Patentamts bestätigt. Gemäß BGH, dem höchsten deutschen Gericht in Sachen Patentrecht, sollen Software bzw. computerimplementierte Erfindungen einem dreistufigen Test unterzogen werden:

  • Liegt ein technischer Charakter vor (Technizität)?
  • Liegt eine Software „als solche“ vor (technisches Mittel / technische Aufgabe)?
  • Ist die Erfindung neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar?

Der erste Prüfungspunkt, das Vorliegen eines technischen Charakters der Erfindung, ist selten eine Hürde: Hier reicht es bereits, dass Daten verarbeitet oder gespeichert werden oder dass zur Ausführung des Programms ein Computer benötigt wird. Das Augenmerk der Prüfung liegt derzeit meist auf der zweiten Frage: Es wird geprüft, ob die Erfindung Anweisungen technischer Art umfasst und/oder ob sie ein technisches Problem mit technischen Mitteln löst. Es genügt deshalb nicht, dass ein Computer lediglich verwendet wird, vielmehr muss ein wirkliches technisches Problem (z. B. begrenzte Prozessorkapazität) gelöst werden und/oder es müssen technische Anweisungen (z. B. Auslagern auf unterschiedliche Prozessoren) benannt werden. Sind die Fragen eins und zwei geklärt, erfolgt die sonst übliche Prüfung auf Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit – allerdings mit der Besonderheit, dass nur technische Merkmale berücksichtigt werden.

Die Patentprüfung von Software unterscheidet sich also vom Verfahren bei gewöhnlichen Erfindungen durch die ersten beiden Fragen. Erfahrungsgemäß werden mögliche Einwände zu diesen beiden Punkten in den meisten Fällen durch eine sorgfältige und professionelle Formulierung von Patentanmeldung und Patentansprüchen vermieden. Geachtet werden muss insbesondere darauf, dass die Anspruchskategorien richtig gewählt werden. Die Lösung des technischen Problems und die dafür entwickelten technischen Mittel müssen genau und verständlich beschrieben werden.

Einige Beispiele für patentierbare und nicht patentierbare Software:

  • Eine App (z.B. Snapchat) löscht ein versendetes Bild beim Empfänger nach einmaligem Öffnen sofort. Diese Software ist nicht patentierbar, weil sie kein technisches Problem löst, sondern lediglich einem Bedürfnis der Nutzer nachkommt (Bilder sollen spontan mit Bekannten geteilt werden können).
  • Eine App stellt technisch sicher, dass ein versendetes Bild beim Empfänger nicht gespeichert werden kann (z. B. als Screenshot). Diese App ist patentierbar, weil technische Mittel zur Lösung eines Problems eingesetzt werden und weil auf technische Bedingungen des Empfangsgerätes eingegangen wird.
  • Entsperren eines Mobiltelefons durch Wischen: Die Entwickler wollen sicherstellen, dass ein Mobiltelefon nicht zufällig (z. B. durch Kontakt mit dem Stoff der Jackentasche) entsperrt werden kann. Zum Entsperren muss deshalb eine vorgeschriebene Wischbewegung durchgeführt werden. Die Prüfungsschritte eins und zwei wären damit erfüllt. Die Patentierung scheiterte jedoch an Prüfungsschritt drei: Laut Patentgericht mangelte es an den Erfordernissen Neuheit und erfinderische Tätigkeit.
  • Komprimierung von Audiodaten: Audiodaten von Musikstücken werden nur teilweise gespeichert; weggelassen werden Daten, die vom menschlichen Ohr kaum wahrnehmbar sind. Diese Komprimierung ist als technische Lösung patentierbar, weil mit technischen Mitteln ­(Nichtspeichern) der Speicherbedarf reduziert wird.

Die Rechtsprechung zu Software-Patenten ist in Deutschland, aber auch in Europa, den USA und China ziemlich einheitlich. Frühere Unwägbarkeiten bei der Patentanmeldung sind damit weitgehend ausgeräumt. Damit sollte sich die häufig geäußerte Meinung, Software sei nicht patentierbar, eigentlich erledigt haben. Nun sollten auch die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen, die innovative Software entwickeln, ein Augenmerk auf den Patentschutz legen. Das ist angesichts des weltweiten Technologiewettlaufs im Interesse der gesamten deutschen Wirtschaft.

Autor/in: 

Dr. Matthias Schindler ist deutscher Patentanwalt sowie European Patent, Design and Trademark Attorney bei der Kanzlei Patentmanufaktur Dr. Matthias Negendanck in Nürnberg (mail@patentmanufaktur.de, www.patentmanufaktur.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2020, Seite 38

 
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