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Chatbots

Wir sind die Roboter!

Chatbot Roboter Automatisierung Kommunikation AI KI © ipopba - GettyImages

Bei der Kundenbetreuung halten digitale Helfer Einzug – für Unternehmen gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Die Corona-Krise treibt die Digitalisierung voran: Um den telefonischen Ansturm bei der Stadt Nürnberg überhaupt noch bewältigen zu können, setzte die Kommune kurzfristig auf die Hilfe eines Chatbots. Hierfür verwendete Nürnbergs Corona-Informationsdienst eine Testversion, um die erste Welle an Fragen automatisiert zu beantworten. Info- oder Chatbots – eine Wortzusammensetzung aus „Chatten“ und „Roboter“ – sind digitale Dialogsysteme, bei denen Fragen automatisiert mit Text oder Sprache beantwortet werden.

Diese Technologie ist alltäglicher, als sie auf den ersten Blick vermuten lässt. Die US-Technologieriesen wie Apple, Google & Co. haben mit Siri, Alexa und anderen den Weg mit geebnet. Diese Sprachassistenten geben Auskunft zum Wetter, helfen beim Navigieren oder liefern aktuelle Nachrichten. Auch Unternehmen entdecken zunehmend das Potenzial der Chatbots, um die Kommunikation mit Kunden effizienter zu gestalten. Oftmals können so die Anliegen der Verbraucher automatisiert erledigt werden, ohne dass beispielsweise noch ein Servicemitarbeiter direkt eingreifen muss.

Für Markus Neubauer, Geschäftsführer der Fürther Software-Schmiede Silbury Deutschland GmbH, stehen Chatbots schon seit Jahren weit oben auf der Agenda. Bislang werden die digitalen Helfer beispielsweise auf Websites für erste Standardfragen und eine Art erweiterte FAQ-Lösung eingesetzt. Der Trend geht aber zu anspruchsvolleren Anwendungen als für die Beantwortung häufiger Fragen. „Chatbots werden intelligenter, die digitalen Assistenten lösen immer komplexere Anfragen“, erklärt Neubauer. Er denkt dabei an Arbeitsaufträge für Chatbots, die mehrere Komponenten und Bedingungen verarbeiten können: So könnte ein digitaler Finanzhelfer bei einem bestimmten Kontostand an einem festgelegten Monatsdatum einen gewissen Betrag auf ein Sparkonto überweisen. „Das ist bereits heute möglich“, so der Silbury-Chef. Es erfordert allerdings einen erheblichen Aufwand, um zu einem bestimmten Themenfeld möglichst viele Fragestellungen abzudecken. Hierfür müssen Methoden der Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden.

Vorteile von Bots

Die Vorteile eines Bot-Kollegen im Unternehmen liegen für Neubauer auf der Hand: Kunden können rund um die Uhr und sieben Tage die Woche einen schnellen Service bekommen. Das spart operative Kosten und verbessert gleichzeitig die Erreichbarkeit des Kundenservices. Zudem können sich entlastete Berater auf komplexere Kundenwünsche konzentrieren. Weiterhin kann der Bot-Ansprechpartner auch die Marke gegenüber den Online-Kunden repräsentieren: Das beginnt mit der Anrede „du“ oder „Sie“ und geht über beschreibende Wortfelder („Wir als Marktführer“) bis zur inhaltlichen Ausgestaltung der Antworten, die z. B. potenziellen Anlegern Auskünfte geben, die der Firmenstrategie entsprechen.

„Das kann bis zum Employer Branding gehen“, so der Silbury-Chef. „Ein Chatbot hat immer Persönlichkeit.“ Er kann sich vorstellen, dass künftig Chatbots auch innerbetrieblich eingesetzt werden können, um neue Mitarbeiter an ihren ersten Tagen zu begleiten. Möglich seien etwa Gesichts- und Raumerkennung, sodass ein Firmenneuling beim Kennenlernen unterstützt wird: Ein Chatbot an der firmeneigenen Kaffeebar könnte erkennen, dass ein neues Gesicht auftaucht und daraufhin Informationen liefern, dass man sich gratis bedienen kann oder wie die Kollegen in der Nähe heißen.

Diese Kommunikation könnte per Text in sogenannten Messaging Apps stattfinden, wie sie etwa von den Diensten Whatsapp oder Threema bekannt sind. Sie könnten aber auch auf Basis von Spracherkennung abgebildet werden. Mittlerweile wird deren Genauigkeit mit über 95 Prozent angegeben. Die Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass die Technik die Sprache versteht und durch maschinelles Lernen Erfahrungen für künftige Verbesserungen integriert.

Kundenservice per Sprachsteuerung

Das 2018 gegründete Startup Vitas GmbH in Nürnberg ist auf Spracherkennung spezialisiert und bietet seit diesem Jahr einen telefonischen Reservierungsservice für Restaurants in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nun hat aber die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht: Da im März alle Gastronomiebetriebe schließen mussten, herrschte bis zum schrittweisen Wiedereröffnen erst einmal Flaute. Immerhin konnte Vitas kurzfristig eine sprachgesteuerte Hotline zu Corona-Fragen für den Kassenärztlichen Bundesverband einrichten.

Das Gründer-Trio hat auf Open-Source-Basis eine eigene Lösung entwickelt: Damit müssen sich Anrufer nicht mehr per Tastendruck durch das Menü navigieren, sondern können per Sprache agieren. „Sprache ist die natürlichste Kommunikationsform“, sagt Mitgründer Tobias Bäumler, Tastaturen und Computermäuse könnten bald überholt sein. Das intelligente System erkenne auch, wenn ein Lieferant anrufe und stelle dann zu einem Gastro-Mitarbeiter durch.

Das Geschäftsmodell, das sich auf beliebig viele Kunden erweitern lässt und ohne große Investitionen im Abo-Modell einsetzbar ist, kann man auch in anderen Bereichen verwenden: So startet im Sommer eine erste Arztpraxis in Nürnberg mit der Vitas-Lösung, um Termine zu vergeben. Neben diesen Anwendungen für Endverbraucher lässt sich die modulare Software auch für individuelle Geschäftslösungen anpassen. So könnte etwa im Business-to-Business-Bereich die innerbetriebliche Urlaubsplanung mittelständischer Unternehmen auf diese Weise abgewickelt werden: Es braucht einen digitalen Kalender, für den z. B. Abteilungen mit bestimmten Bedingungen hinterlegt sind. Geht Kollege A in Urlaub muss Kollegin B anwesend sein, die Mitarbeiter C und D dürfen aber auch weg. Entsprechend kann so die Personalabteilung von diesen Routinearbeiten entlastet werden.

Bäumler berichtet auch, dass Vitas sich als Partner beim Projekt „Speaker“ der Fraunhofer Institute IIS und IAIS einbringt. Dort wird eine deutsche Sprachassistenz-Plattform entwickelt, die künftig Infrastruktur, Technologiebausteine und Standards für sprachgesteuerte Dialogsysteme im Business-to-Business-Einsatz bereitstellen soll. Auch die Projektverantwortlichen sagen der natürlichen Interaktion mit Technik über Sprache für viele Branchen und Wirtschaftszweige eine immer größere Bedeutung voraus. In der medizinischen Behandlung etwa können Sprachdialogsysteme Ärzten und Pflegern helfen, Patientendaten freihändig abzufragen, berührungslos medizinische Geräte zu bedienen und Diagnosen via Spracheingabe zu dokumentieren. In der Industrie bringen Sprachassistenten bei der digitalen Inspektion und Qualitätssicherung von Maschinen, Fahrzeugen oder Infrastrukturen große Vorteile.

Digitaler Wegweiser

Zur Anwenderseite zählt beispielsweise die Finanzbranche: So setzt die Sparkasse Nürnberg seit 2018 ihre virtuelle Mitarbeiterin „Linda“ ein. Der innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe entwickelte Chatbot für den automatisierten Kundendialog beantwortet im Chat allgemeine Fragen zu Services und Produkten, z. B. Öffnungszeiten, Standorte von Geldautomaten sowie Leistungen von Kontomodellen und der Sparkassen-App. Als lernendes Computerprogramm beantwortet „Linda“ diese Fragen mit dem in ihrer Datenbank hinterlegten Wissen und kennt über 700 bankfachliche und über 200 allgemeine Antworten. „Linda“ kann und soll bei der Sparkasse Nürnberg nicht beraten. Je nach Anlass leitet der Text-Chatbot die Kunden etwa bei Service-Prozessen zum entsprechenden Online-Antrag oder zur individuellen Finanzberatung an einen Berater. Ziel ist es, die bisherigen Kontaktwege zur Sparkasse mit einem Rund-um-die-Uhr-Service zu erweitern. Aktuell gibt es Ideen, „Linda“ auch als Sprachassistent anzubieten. Dieser Prozess ist aber noch in der Entwicklung.

Bei der Nürnberger TeamBank befindet sich der in Eigenregie entwickelte Chatbot zurzeit in der Testphase und wird in den nächsten Monaten in den Regelbetrieb überführt. Der Ratenkreditspezialist hat für seinen Chatbot als ersten Anwendungsfall den Legitimationsdialog gewählt, ein konkreter Sachverhalt mit direktem Nutzen. Denn aus den seit 2010 angebotenen Chats mit Experten der TeamBank ist bekannt, dass die häufigste Frage dem Status der Easycredit-Bestellung gilt. Um aus Datenschutzgründen die Person zu legitimieren, muss u. a. die Anfragenummer mitgeteilt werden. In Messungen hat das Kreditinstitut festgestellt, dass im Schnitt bis zu drei Minuten auf eine Antwort zu warten ist. Zwar können die Mitarbeiter gleichzeitig mehrere Chats bedienen, aber es geht so viel Zeit verloren, die für eine Beratung nicht zu Verfügung steht.

Der Chatbot soll aber nicht den persönlichen Live-Chat ersetzen, weil bei einem so sensiblen Thema wie einem Kredit eine persönliche Beratung gerade der Bestandskunden unabdingbar ist. Technisch basiert der Chatbot der TeamBank auf vollständig frei verfügbarer Software. Die gewählte Softwaretechnik für maschinelles Lernen ermöglicht den Aufbau von Künstliche-Intelligenz-Assistenten und Chatbots. Außerdem führt sie Wahrscheinlichkeitsmodelle ein, die den Fluss in einer Konversation steuern. Die sogenannte „On-premise-Lösung“ erlaubt es, den Chatbot an die individuellen Anwendungsfälle der TeamBank anzupassen und weiter auszubauen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2020, Seite 34

 
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