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Baurecht

Mehr Bauland mobilisieren!

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Neue Gesetze sollen Bauflächen schneller verfügbar machen. Im Fokus steht der Wohnungsbau, Gewerbeprojekte profitieren kaum.

Genehmigungsverfahren beschleunigen und Bauland schneller verfügbar machen: Das sind Ziele der Gesetzesentwürfe, die die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung im Juni vorgelegt haben. Beide Gesetzentwürfe haben gemein, dass sie insbesondere die Schaffung von Wohnraum erleichtern sollen, während neue Gewerbeflächen kaum im Fokus stehen, wie auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisiert (siehe Info-Kasten, Seite 4).

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat am 9. Juni 2020 einen Referentenentwurf des „Baulandmobilisierungsgesetzes“ vorgelegt. Dadurch sollen insbesondere das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert werden. Im Folgenden die wesentlichen Regelungen dieses Gesetzentwurfes.

Bauleitplanung auch für Wohnbauflächen: Die Gemeinden müssen Bauleitpläne aufstellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. So legt es § 1 Abs. 3 des Baugesetzbuches (BauGB) fest. Diese Vorschrift soll dahingehend ergänzt werden, dass die Aufstellung insbesondere auch bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen kann. Auffällig ist, dass dieser Zweck im BauBG bereits an anderer Stelle genannt ist (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB), wodurch der Gesetzgeber offensichtlich die herausgehobene Bedeutung des Wohnungsbaus unterstreichen will. Das wirft die Frage auf, ob dem Gesetzgeber die Belange des Handels und des Gewerbes nur zweitrangig erscheinen.

Förderung des sozialen Wohnungsbaus: Künftig sollen in einem Bebauungsplan im bislang unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) bestimmte einzelne Flächen nur zur Schaffung von gefördertem oder bezahlbarem Wohnraum festgesetzt werden können. Diese Regelung, für die ein neuer Absatz 2d in § 9 BauGB eingeführt werden soll, ermöglicht darüber hinaus auch die Festsetzung weiterer Kriterien, wie z. B. zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise, zu den Abstandsflächen oder zur Größe der Baugrundstücke.

Auch durch solche Bebauungspläne ist es möglich, dass die Wohnbebauung näher an Gewerbebetriebe heranrückt und deren Entwicklung beeinträchtigt. Aus Sicht der Wirtschaft wäre es deshalb wünschenswert gewesen, dass in den Bebauungsplänen auch Festsetzungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrs-, Gewerbe- und Freizeitlärm getroffen werden können.

Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte: Die Vorkaufsrechte der Gemeinden sollen durch die Novelle erweitert werden, vor allem wenn es um die Schaffung von Wohnraum geht (§§ 24 und 25 BauGB). Ein Vorkaufsrecht der Kommune soll künftig insbesondere dann in Frage kommen, wenn die Grundstücke einen städtebaulichen Missstand darstellen, sodass sie sich z. B. wegen ihres baulichen Zustands oder einer missbräuchlichen Nutzung stark nachteilig auf das Umfeld auswirken.

Das Vorkaufsrecht der Kommunen kann sich gleichermaßen auf Grundstücke beziehen, die vorher für Wohnen und für Gewerbe genutzt wurden. Bei bislang gewerblich genutzten Arealen kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass diese schleichend zu Wohnflächen umgewandelt werden und damit für gewerbliche Nutzungen verloren gehen.

Weitere Erleichterungen des Wohnungsbaus: Unter den Voraussetzungen, die in § 31 Abs. 2 BauGB genannt sind, kann eine Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt werden. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erforderlich machen. Dazu zählt u. a. die Notwendigkeit, Flüchtlinge oder Asylbewerber unterzubringen. Diese Regelung soll dahingehend ergänzt werden, dass auch die „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ explizit als Gründe des Wohls der Allgemeinheit aufgeführt werden. Der dringende Bedarf an Gewerbeflächen soll dagegen im Gesetz nicht als Voraussetzung genannt werden, bei der eine Befreiung vom Bebauungsplan in Frage kommt.

In Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt sind dagegen ausdrücklich Befreiungsmöglichkeiten von den Festsetzungen des Bebauungsplanes vorgesehen, wenn dadurch Wohnungsbau ermöglicht wird (neuer Absatz 3 in § 31 BauGB). Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen nach der gesetzlichen Definition dann vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Hierzu nennt der Gesetzentwurf vier besonders naheliegende, nicht abschließende Beispielsfälle.

Neuer Baugebietstyp „dörfliches Wohngebiet“: Neu eingeführt werden soll der neue Baugebietstyp „dörfliches Wohngebiet“, in dem – anders als im Baugebietstyp „Dorfgebiet“ – dem Wohnen der Vorrang eingeräumt wird (neuer § 5a BauNVO). Damit soll dem Entwurf zufolge in dörflichen Räumen, die sich stark verändern, ein einvernehmliches Nebeneinander von Wohnen in Neubau und Bestand, landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben und gewerblicher Nutzung ermöglicht werden. Auch hier ist der Vorrang des Wohnens offensichtlich, die dort zulässigen Gewerbebetriebe sind eher untergeordnet. Diese müssen zudem „nicht wesentlich störend“ sein, sodass sie entsprechende Einschränkungen zu befürchten haben.

Maße für die bauliche Nutzung nur noch als Orientierungswerte: Änderungen soll es auch bei den Maßen für die bauliche Nutzung geben, die bestimmen, inwieweit Grundstücke ausgenutzt werden können. So sind beispielsweise in der Baunutzungsverordnung für Gewerbegebiete bisher eine Grundflächenzahl von 0,8 und eine Geschossflächenzahl von 2,4 als Obergrenzen genannt. Gemäß der neu gefassten Regelung (§ 17 BauNVO) sollen diese Maße künftig nicht mehr als Obergrenzen, sondern nur noch als Orientierungswerte dienen. Damit würde es künftig einfacher möglich sein, in Bebauungsplänen auch höhere Werte als die bisherigen zum Maß der baulichen Nutzung festzusetzen. Das hätte für die Betriebe den Vorteil, dass sie ihre Gewerbegrundstücke besser ausnutzen könnten.         

Änderungen der Bayerischen Bauordnung

Die Bayerische Staatsregierung hat am 23. Juni 2020 ebenfalls einen Gesetzentwurf eingebracht. Auch er hat zum Ziel, die baurechtlichen Regelungen zu vereinfachen, die Bauverfahren zu beschleunigen und den Wohnungsbau zu fördern. Die wichtigsten Regelungen dieses Entwurfes, der einige Änderungen der Bayerischen Bauordnung (BayBO) mit sich bringen würde und Ende September im Bauausschuss des Landtags eingehend beraten werden soll:

Abstandsflächen reduzieren: Die Bayerische Staatsregierung will mit der Novelle der Bayerischen Bauordnung ebenfalls die Ausnutzbarkeit von Grundstücken erhöhen. So ist beispielsweise vorgesehen, das Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO) grundlegend zu reformieren. Insbesondere soll die grundsätzlich einzuhaltende Abstandsfläche von Gebäuden vom 1,0-Fachen der Wandhöhe auf nur noch das 0,4-Fache reduziert werden.

Schnellere Genehmigung bei einheitlichen Bautypen: Für Bauten, die mehrfach in derselben Ausführung errichtet werden sollen, ist die Möglichkeit einer Typengenehmigung vorgesehen. Diese allgemeine bautechnische Genehmigung soll möglich sein, wenn die Bauten den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung entsprechen (Art. 73a BayBO). Die Staatsregierung will damit die Verfahren für serielles Bauen erleichtern, denn neben einer Typengenehmigung ist dann kein weiterer technischer Nachweis mehr erforderlich.

Genehmigungsfiktion im Wohnbau: Bei den Genehmigungsverfahren im Wohnbau soll eine dreimonatige Genehmigungsfiktion eingeführt werden (Art. 68 BayBO). Das bedeutet: Liegt drei Monate nach Einreichung des Antrags noch keine Baugenehmigung vor, gilt diese als erteilt. Zu laufen beginnt diese Frist drei Wochen, nachdem der vollständige Bauantrag bei der Behörde eingegangen ist. Nach Ablauf der drei Wochen und drei Monate darf mit dem Bau begonnen werden, auch ohne dass die zuständige Behörde eine Baugenehmigung erteilt hat. Wichtig: Diese Genehmigungsfiktion gilt nur für Gebäude, die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienen. Gewerbliche Gebäude profitieren also auch in diesem Punkt nicht von den geplanten Erleichterungen im Baurecht.

Autor/in: 

Dr. Tobias Waldmann LL.M. und Sebastian Siemer sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei Waldmann Kohler Rechtsanwälte PartGmbB in Nürnberg (www.waldmann-kohler.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2020, Seite 94

 
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