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Innovationsmanagement

Auf dem Sprung in neue Technologien

120426_ERlaserscan_9641 © Kurt Fuchs

Erlas Erlanger Lasertechnik GmbH: Laser-Schweißzellen mit Roboterzuführung für Pkw-Teile.

Wie stößt man betriebliche Innovationen an, mit denen man am Markt einzigartig ist? Drei Fallbeispiele für solche „Sprunginnovationen“.

Erlas Erlanger Lasertechnik GmbH / Laser-Innovationen im Maschinenbau: Gebündeltes Licht ist die Spezialität der Erlas Erlanger Lasertechnik GmbH, die 1998 von Prof. Dr. Peter Hoffmann gegründet und drei Jahre später mit dem IHK-Gründerpreis ausgezeichnet wurde. Heute sieht sich Erlas als eines der führenden Hochtechnologie-Unternehmen auf dem Gebiet der Laserstrahl-Präzisionsbearbeitung. Am Stammsitz in Erlangen und in Spanien werden Laseranlagen gefertigt, mit denen metallische Werkstoffe bearbeitet und zu kompletten Baugruppen weiterverarbeitet werden. Von Anfang an setzte sich Hoffmann das Ziel, die Technologien Laserstrahlhärten und Laserstrahlschweißen im Werkzeugbau zu nutzen und dafür Maschinen zu konstruieren. Das wesentliche Know-how ist der Umgang mit dem Dioden-Laser und das Wissen, wie sich die Prozesse temperaturgeregelt fahren und kontrollieren lassen.

Eine der Schlüsseltechnologien ist die Verwendung einer speziell facettierten Spiegeloptik für die Fokussierung des Laserstrahls anstelle eines mehrstufigen Linsensystems. „Das erhöht die Qualität der optischen Abbildung und spart Energie“, so Hoffmann. „Damit sind wir nach wie vor weltweit führend.“ Daraus entstanden weitere Innovationen, beispielsweise der Laserbearbeitungskopf „Flex Head“, der innerhalb von zwei Jahren entwickelt wurde. Herzstück des äußerst kompakten Laserbearbeitungskopfes ist ein Spiegelrevolver für den besonders schnellen und vollautomatischen Wechsel zwischen verschiedenen Technologien wie dem Laserstrahlhärten, -beschichten oder -verbindungsschweißen. Obwohl der „Flex-Head“ noch im eigenen Betrieb erprobt wird, gebe es schon zahlreiche Nachfragen von potenziellen Kunden.

Erlas hat keine eigene Forschungsabteilung und stellt für Entwicklungsprojekte immer ein Team zusammen, das von einem Projektleiter koordiniert wird. Dieser Mannschaft räumt Hoffmann große Freiheiten ein. Wichtig sei, dass Fehler und Misserfolge nicht übelgenommen werden und dass alle Beteiligten kritik- und diskussionsfähig sind. Nur so könne Neues entstehen. „Bei manchen Dingen muss man einfach Geduld haben“, fügt Hoffmann hinzu und verweist auf ein neues Verfahren des Laserstrahl-Hartlötens, das Erlas entwickelt hatte, ohne einen Kunden dafür zu haben. Als ein Automobilhersteller mit einer besonderen Anforderung kam, habe man die Technologie aus der Schublade holen können. Mittlerweile hat das Verfahren im Automobilbau dazu beigetragen, die Produktion zu verändern und den Weg zum Leichtbau zu bahnen. Damit sei der Erlas Erlanger Lasertechnik GmbH eine echte Sprunginnovation gelungen.

Schaeffler AG / Brennstoffzellen-Technologie: Die Schaeffler AG in Herzogenaurach gehört zu den innovativen Impulsgebern der Wirtschaftsregion – im „Patent-Report Mittelfranken“ der IHK belegt sie zusammen mit der Siemens AG stets die ersten Plätze. Die Liste der Innovationen in den vergangenen Jahrzehnten ist lang und vielfältig. Sie umfasst neuartige Komponenten und Systeme für Motoren, Getriebe, Chassis für die Automobilindustrie sowie innovative Wälz und Gleitlager oder digitale Services und weitere Lösungen für eine Vielzahl von Industrieanwendungen.

Nach Angaben von Prof. Dr. Tim Hosenfeldt, Senior Vice President Research, Innovation and Central Technologies, zielen aktuelle Forschungsaktivitäten von Schaeffler u. a. darauf ab, den Anteil der Mechatronik in den Produkten zu erhöhen und durch Künstliche Intelligenz neue Funktionen zu ermöglichen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Wasserstofftechnologie (zum Beispiel auf der Entwicklung von Schlüsselkomponenten für die Brennstoffzelle), um einen Beitrag für eine nachhaltige, CO2-neutrale Mobilität und Energiewirtschaft zu leisten. „Wir haben damals erkannt, dass man für die emissionsfreie und nachhaltige Mobilität nicht alleine auf das batterie-elektrische Fahren setzen kann“, so Hosenfeldt. Die Wasserstofftechnologie biete in Verbindung mit der Brennstoffzelle eine neue Form der Energiespeicherung und -umwandlung sowie eine emissionsfreie Antriebslösung.

In einem eigens eingerichteten Geschäftsbereich werden deshalb Produkte und Lösungen für die Wasserstofftechnologie entwickelt. Eine der Entwicklungen ist eine metallische Bipolarplatte mit einer nanostrukturierten Beschichtung – eine zentrale Komponente für die Brennstoffzelle, mit der Schaeffler ein Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich Funktionalität und Material habe. Die Platten werden zu sogenannten Stacks aufeinandergeschichtet, an denen die Energieumwandlung stattfindet und Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser reagieren. Dabei entsteht der Strom, der für den Antrieb des Elektromotors genutzt wird.

Der Anstoß des Zentralbereichs Forschung und Innovation, sich auf diesem Forschungsfeld zu engagieren, war intern zunächst kontrovers diskutiert worden. Aber man habe sich auf umfangreiches Know-how in der metallischen Präzisionsumformung sowie in der Dünnschichttechnologie im Nano-Bereich stützen können. Schaeffler hält für die Entwicklung der Bipolarplatte nun Patente, die den technologischen Vorsprung absichern.

Die Aufgabenstellung war komplex und umfasste weit mehr als die Entwicklung der Beschichtungs- und Materialtechnik. Es geht auch darum, hohe Stückzahlen für Automobil- und Industrieanwendungen in hoher Prozessqualität und zu marktfähigen Preisen herzustellen. Die Produktionskosten werden beispielsweise dadurch gesenkt, dass die Materialien als Nanoschicht aufgetragen werden. Zwar herrscht auf dem Markt für Brennstoffzellen starker Wettbewerb, aber das erfolgreiche Zusammenspiel vieler Know-how-Träger im Unternehmen sichere Schaeffler einen Vorsprung. Sprunginnovationen in der Antriebstechnik unterliegen laut Hosenfeldt besonderen Gesetzen, weil nicht klar ist, welche Mobilitätskonzepte sich letzten Endes durchsetzen werden. Die in diesem Jahr verabschiedete deutsche und europäische Wasserstoffstrategie mit dem damit verbundenen Wandel von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff als zukünftigen Energieträger bestätigten den Weitblick von Schaeffler, so Hosenfeldt. Auch die äußeren Rahmenbedingungen und politische Entscheidungen könnten sich schnell ändern, sodass es eine Innovationskultur mit langem Atem brauche.

Peter Brehm GmbH / modulares Hüftimplantat: Mit Innovationen in der Medizintechnik hat sich die Peter Brehm GmbH in Weisendorf einen Namen gemacht. Das Unternehmen stellt mit 160 Mitarbeitern medizintechnische Implantate und Prothesen aus Titan her – vor allem für die Knie- und Hüft-Endoprothetik sowie für die Wirbelsäulenchirurgie. Ein zentrales Produkt ist die „modulare Revisions-Stützpfanne“, die 2014 auf den Markt kam und mehrfach ausgezeichnet wurde. Den Anstoß für die Entwicklung gab die Tatsache, dass viele implantierte Hüftgelenke nach einiger Zeit mit hohem Aufwand wieder ersetzt werden müssen. Die modulare Stützpfanne verringert die Belastung für die Patienten und erleichtert dem Chirurgen die Arbeit, denn sie kann während der Operation schrittweise und individuell an die Knochendefekte angepasst werden.

In der Regel kommen Kunden mit einer bestimmten Fragestellung auf die Peter Brehm GmbH zu, gemeinsam wird dann – oft mit weiteren Partnern – an einem neuen Produkt gearbeitet. Bei der preisgekrönten Stützpfanne, mit der das Unternehmen nach eigenen Angaben nach wie vor Technologieführer ist, war das anders: Hier erkannte das Brehm-Team Defizite bei gängigen Operationsverfahren und machte sich deshalb an die Arbeit, um eine bessere Lösung zu finden. „Wir sind aktiv geworden, bevor Ärzte oder Kliniken das Problem erkannt oder angesprochen haben“, so Oliver Brehm. Sie waren aber dann in der Testphase und bei der klinischen Einführung naturgemäß wichtige Partner. Eingebunden waren u. a. Orthopäden, Unfallchirurgen, Biomechaniker, Materialwissenschaftler und Experten aus anderen Disziplinen. Wichtig war auch die Einbindung in Netzwerke wie beispielsweise die Kompetenzinitiative „Medical Valley EMN“. Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis das Produkt marktreif war, dann aber registrierte die Peter Brehm GmbH in kurzer Zeit einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage.

Oliver Brehm verweist auf die speziellen Bedingungen in der Gesundheitswirtschaft, die Forschung und Entwicklung besonders anspruchsvoll machen – beispielsweise das Vergütungssystem sowie die komplizierten Zulassungsverfahren und Zertifizierungssysteme. Entscheidend für das Gelingen von Innovationen seien die offene Innovationskultur im Unternehmen, die auch ein Scheitern und die daraus entstehenden Lerneffekte zulasse. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die enge Kooperation mit Partner-Netzwerken, die sogenannte „interdisziplinäre Entwicklungsgemeinschaft“: Für die technische Realisierung brauche es Unternehmen, die über entsprechende Kompetenzen verfügen. Bei der Grundlagenforschung und bei der Erprobung im klinischen Alltag seien Wissenschaft und Anwender (Ärzte, Kliniken) wichtige Partner.

In einem sind sich Peter Hoffmann, Tim Hosenfeldt und Oliver Brehm einig: Für Innovationen, die ein Technologiefeld oder einen bestimmten Lebensbereich durchgreifend verändern, ist ein sehr langer Atem notwendig. Unisono veranschlagen sie den nötigen Zeitraum für solche Sprunginnovationen auf acht bis zehn Jahre.

Autor/in: 

(bec.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2020, Seite 24

 
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