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Unternehmensstrafrecht

Harte Strafen geplant

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Das geplante Verbandssanktionen-Gesetz ist heftig umstritten. Was könnte auf die Unternehmen zukommen?

In Deutschland gibt es (noch) kein Unternehmensstrafrecht. Gegen juristische Personen konnte bisher nur eine sogenannte Verbandsgeldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz erlassen werden. Das Verfahren nach diesem Gesetz wird für die schwierige und komplexe Materie der Wirtschafts- und Unternehmenskriminalität zunehmend als ungeeignet empfunden. Aktuell wird ein neues Konzept „zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ kontrovers diskutiert. Ziel der Großen Koalition ist, noch in dieser Legislaturperiode eine neue Form strafrechtlicher Haftung von juristischen Personen einzuführen. Kern des Gesetzgebungsvorhabens ist die Schaffung eines sogenannten Verbandssanktionen-Gesetzes (VerSanG). Noch ist nicht sicher, ob bzw. in welcher Form es in Kraft tritt. Unternehmer sollten dennoch bereits jetzt wissen, was auf sie zukommen könnte.

Durch das Gesetz sollen die Möglichkeiten erweitert werden, Straftaten zu sanktionieren, die aus Unternehmen heraus begangen werden. Von einem „Unternehmensstrafrecht“ will der Gesetzgeber dennoch nicht sprechen – obwohl es sich in der Sache genau darum handelt. Der Entwurf geht die umstrittene Frage, ob ein Unternehmen überhaut im klassischen Sinne „bestraft“ werden kann, pragmatisch an. Statt an „Schuld und Sühne“ knüpfen die Sanktionen an „Verbrechen und Strafe“ an.

Selbst wenn der aktuelle Entwurf des VerSanG im politischen Prozess scheitern sollte, gibt er einen Ausblick darauf, aus welcher Richtung der Wind künftig wehen wird. Spätestens seit dem VW-Diesel-Skandal hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass sich in großen Organisationen das Fehlverhalten Einzelner verselbstständigen kann. Unternehmen, die ein Klima des Wegschauens („Es wird schon nichts passieren.“ – „Das machen doch alle so.“ – „Anders kann man heutzutage keine Geschäfte mehr machen“) dulden, sollen daraus keine Vorteile haben. Im Ausland, insbesondere in den USA, sind entsprechende Instrumente des Unternehmensstrafrechts schon seit vielen Jahren selbstverständlich und werden mit Erfolg praktiziert.

Nach dem neuen Gesetz soll es möglich sein, Verbände in einem eigenständigen Verfahren „zu bestrafen“. Verfolgungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft. Erfasst werden alle Arten von juristischen Personen bzw. Rechtsformen, die unternehmerisch tätig sind. Auf die Größe des Unternehmens kommt es nicht an.

Mögliche Geldsanktionen gegen Unternehmen können in Zukunft sehr viel höher ausfallen, als dies bisher der Fall ist. Grundsätzlich soll sich die Höhe der Geldsanktionen an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren. Die „Höchststrafe“ kann dabei bis zu zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes ausmachen. Unter bestimmten Voraussetzungen wird es auch möglich sein, Sanktionen, die gegen ein Unternehmen verhängt werden, öffentlich bekannt zu machen. Dieses aus den USA bekannte Prinzip des „naming and shaming“ soll zusätzlichen Druck auf Unternehmen aufbauen, sich rechtstreu zu verhalten.

Ziel des Gesetzes ist es, auch – und gerade – diejenigen Fälle zu erfassen, bei denen es den Handelnden nicht um persönliche Vorteile, sondern nur um das Wohl des Unternehmens geht. Aus diesem Grund kann auch schon eine bloße Bereicherung als Folge einer Straftat zu einem Verfahren gegen das Unternehmen führen.

Straftaten von Mitarbeitern

Straftaten von Leitungspersonen, aber auch Fehlverhalten von Mitarbeitern, die nicht zur Führungsriege gehören, können Auslöser für ein Sanktionsverfahren sein. Eine große Rolle spielt dabei, ob im Unternehmen angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung von Straftaten getroffen wurden. De facto wird eine Verpflichtung eingeführt, ein Compliance-Konzept zu schaffen.

Es genügt in Zukunft nicht mehr, sich darauf zu verlassen, dass Mitarbeiter keine Straftaten begehen werden. Vielmehr ist aktiv darauf hinzuwirken – und zu dokumentieren! –, dass schon gar nicht der Anschein entsteht, kriminelles Verhalten werde geduldet. Wie genau solche Vorkehrungen auszusehen haben, definiert der Gesetzesentwurf nicht. Dies soll sich vielmehr nach den individuellen betrieblichen Verhältnissen richten, d. h. insbesondere nach der Unternehmensgröße und dem konkreten Risikopotenzial.

Auch Mittelstand betroffen

Die Einführung sogenannter Compliance-Management-Systeme (CMS) wird zukünftig auch für den Mittelstand von Interesse sein. Nicht ohne Grund kritisiert u. a. der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dass insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen zusätzliche Kosten zukommen werden. Da diese Kosten ausgerechnet in der Corona-Zeit anfallen könnten, ist von einem Gesetzesvorhaben „zur Unzeit“ die Rede.     

Auch bei der Strafzumessung knüpft das Gesetz an den Gedanken an, dass die effizienteste Bekämpfung von Straftaten im Betrieb durch das Unternehmen selbst stattfindet. Dementsprechend kann ein Unternehmen, das einmal ins Visier der Ermittler geraten ist, einiges dafür tun, die drohende Sanktion zu reduzieren – oder sogar eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Voraussetzung dafür ist eine frühzeitige und vollständige Kooperation mit den Ermittlern.

Im Rahmen dieser Kooperation sind verbandsinterne Untersuchungen (sogenannte „internal investigations“) vorzunehmen, mit dem Ziel, das Geschehen umfassend selbst aufzuklären. Werden Rechtsanwälte mit der Durchführung solcher interner Ermittlungen beauftragt, dürfen diese nicht gleichzeitig als Verteidiger des Unternehmens bzw. der beschuldigten natürlichen Personen tätig sein. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass bei den Verteidigern ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeschutz besteht, nicht aber bei den Durchsuchungsführern. Durch die Trennung der Funktionen wird sichergestellt, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden jederzeit Zugriff auf die (Zwischen-)Ergebnisse der unternehmensinternen Untersuchungen haben.

Es ist zu erwarten, dass die Unternehmen gezwungen werden, im Rahmen solcher interner Aufklärungsmaßnahmen die eigenen Mitarbeiter „ans Messer zu liefern“. Damit dies in einem rechtsstaatlichen Rahmen abläuft, wird ein betriebsinternes „Quasi-Strafrecht“ geschaffen. Wer im Rahmen interner Ermittlungen im Auftrag des Unternehmens befragt wird, muss auf sein Auskunftsverweigerungsrecht hingewiesen werden. Mitarbeiter dürfen die Auskunft auf belastende Fragen verweigern, wie es auch bei einer Befragung durch staatliche Ermittlungsbehörden der Fall wäre. Der Gesetzesentwurf geht damit über das hinaus, was nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung verlangt wird. Schutz vor Kündigung und/oder zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen bieten diese Standards einer fairen Mitarbeiterbefragung allerdings nicht.

Wurden im Rahmen der Selbstreinigungsmaßnahmen erfolgreich interne Ermittlungen durchgeführt, bestehen gute Chancen für das Unternehmen, „mit einem blauen Auge“ davon zu kommen. Das Gesetz sieht für diesen Fall neben einer Reduzierung der drohenden Zahlung oder einer Einstellung des Verfahrens auch die Möglichkeit vor, das Verfahren mit einer Verwarnung abzuschließen. In der Sache handelt es sich hierbei um eine Art „Geldstrafe auf Bewährung“.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph ist Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Kanzlei Rudolph Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Nürnberg (www.rudolph-recht.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2020, Seite 38

 
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