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Dienstleistungen im Ausland

Was gilt jenseits der Grenze?

Illu_1220_Oiginal © Anton Atzenhofer

Die Entsende-Richtlinie wurde reformiert: Arbeitnehmer, die im EU-Ausland eingesetzt werden, bekommen mehr Rechte.

Wenn Arbeitnehmer in das Ausland entsandt werden, sollen sie dort den gleichen Schutz genießen wie die Arbeitnehmer vor Ort. Das ist das Ziel der Entsende-Richtlinie, die der EU-Gesetzgeber bereits 1996 verabschiedet hatte und die nun reformiert wurde. Konkret heißt das, dass die Arbeitnehmer im Wesentlichen die gleichen gesetzlichen und allgemeinverbindlichen tariflichen Mindestarbeitsbedingungen genießen wie ihre Kollegen vor Ort. Die Richtlinie regelt deshalb u. a. Mindestlohnsätze, Höchstarbeitszeiten, bezahlten Mindestjahresurlaub oder Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften durch Leiharbeitsunternehmen. In diesem Jahr wurde die europäische Entsenderichtlinie reformiert und mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz in deutsches Recht umgesetzt. Damit sind zahlreiche Neuregelungen bei der Auslandsentsendung in Kraft getreten, der Schutz entsandter Arbeitnehmer wurde ausgebaut.

Zweck der EU-Entsenderichtlinie

Einige Beispiele für die Entsendung von Mitarbeitern: IT-Firmen, Agenturen oder Ingenieurbüros realisieren ein Projekt im Ausland. Auch viele Industriebetriebe entsenden Mitarbeiter in andere Länder, beispielsweise um bei den Kunden vor Ort Service- und Wartungsarbeiten an Maschinen durchzuführen. Oder ein Unternehmen mit Sitz im EU-Ausland nimmt einen Auftrag in Deutschland an und entsendet Beschäftigte auf eine deutsche Baustelle. Wenn die aus dem Ausland entsandten Beschäftigten für ihre Tätigkeit weniger Lohn als die lokalen Kollegen erhalten, verzerrt das den Wettbewerb und kann zu Lohndumping führen. "Für Europa muss deshalb gelten, dass es den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort gibt", erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Das Gesetz zur Umsetzung der geänderten EU-Entsenderichtlinie sichere faire Wettbewerbsregeln für Unternehmen und gleiche Lohnvorschriften für alle, die in Deutschland arbeiten. Die sogenannte Entsende-Richtlinie soll also innerhalb der EU ein gewisses Maß an Einheitlichkeit ermöglichen. Durch die Neuregelung profitieren ausländische Arbeitnehmer künftig stärker als bisher von den in Deutschland geltenden Arbeitsbedingungen.

Im Folgenden die wichtigsten Änderungen der Neuregelung:

  • Mit dem neuen Gesetz haben entsandte Arbeitnehmer nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn, sondern auch auf den Tariflohn aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen.
  • Arbeitnehmer aus dem Ausland erhalten jetzt zudem Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen (je nach anwendbarem Tarifrecht).
  • Bezahlen Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Zulage für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, darf dieser Betrag nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
  • Werden die entsandten Arbeitnehmer im Entsendeland dienstlich auf Reisen geschickt, übernimmt der Arbeitgeber die Reisekosten.
  • Grundsätzlich gelten künftig für Beschäftigte aus dem Ausland nach zwölf Monaten alle in Deutschland vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen. In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber eine Fristverlängerung um sechs Monate beantragen.
  • Für Fernfahrer gelten die geplanten Regelungen nicht. Der Straßenverkehrssektor ist von den Änderungen ausgenommen.

Wichtig für deutsche Unternehmen, die Mitarbeiter in andere EU-Länder entsenden: Auch dort gilt natürlich die europäische Entsende-Richtlinie und die entsprechenden Vorschriften müssen beachtet werden. Das Problem dabei: Im Detail ist die Sachlage komplex, es gelten unterschiedliche Regelungen und Verfahren in den einzelnen Ländern (beispielsweise bei steuerlichen und sozialrechtlichen Aspekten). Wer diese nicht beachtet, muss mit teilweise empfindlichen Bußgeldern rechnen. Von einer durchgehenden Harmonisierung des Dienstleistungsverkehrs kann also keine Rede sein. Die IHK-Organisation empfiehlt deshalb dringend, vor jedem Auslandseinsatz genau zu prüfen, welche Regelungen in dem jeweiligen Land gelten. Unternehmen, die schon länger Mitarbeiter in das EU-Ausland entsenden, müssen überprüfen, inwieweit sie von den seit diesem Jahr geltenden Neuregelungen betroffen sind und ob sie entsprechende Anpassungen vornehmen müssen.

Zahlreiche Aspekte des Auslandseinsatzes können sich als Stolpersteine mit rechtlichen Folgen erweisen. Einige Beispiele, die in der Praxis häufig Probleme bereiten:

  • In der Regel sind die Tätigkeiten in den jeweiligen Ländern meldepflichtig. Besondere Meldepflichten und Reglementierungen gelten häufig für Dienstleistungen, die von Ausländern nur eingeschränkt erbracht werden dürfen.
  • Oft sind notwendige Formulare und Dokumente nur in der Landessprache verfügbar.
  • In einigen Ländern wird der Einsatz der Mitarbeiter erschwert, weil die deutschen Qualifikationen und Zertifikate nicht anerkannt und zusätzliche Prüfungen verlangt werden.
  • Einige Länder verlangen ein Arbeitsvisum und besondere aufenthaltsrechtliche Bestimmungen und Meldepflichten.
  • Von Land zu Land unterscheiden sich die Regeln für Mindestlöhne sowie die Gesundheits- und Arbeitsschutzbestimmungen.
  • Die Auslandseinsätze können Auswirkungen auf die Fortdauer der Steuer- und Sozialversicherungspflicht der Mitarbeiter in Deutschland haben.
  • Als komplex erweist sich häufig das Thema Umsatzsteuer. Zu klären ist insbesondere Folgendes: In welchem Land fällt die Umsatzsteuer für die erbrachte Dienstleistung an? Welcher Vertragspartner bezahlt die Steuer? Welche Folgen ergeben sich daraus für die Rechnungsstellung?

Dienstleistungskompass der IHKs

Der "IHK-Dienstleistungskompass" bietet eine wertvolle Hilfe, um die Vielzahl der Fragen bei der Mitarbeiterentsendung zu klären (www.dienstleistungskompass.eu). Das Online-Portal informiert aus praktischer Unternehmenssicht über die unterschiedlichen aktuellen Vorgaben für den Dienstleistungsverkehr in einzelnen europäischen Staaten. Erläutert werden die Vorschriften in den zwölf wichtigen EU-Partnerländern sowie in der Schweiz und in Norwegen (u. a. arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Meldepflichten, steuerliche Vorgaben und Rechnungsstellung). Das Portal ist ein Gemeinschaftsprojekt der bayerischen IHKs, der bayerischen Handwerkskammern und der deutschen Auslandshandelskammern.

 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2020, Seite 30

 
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