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Pflichten von Geschäftsführern

Schnell schnappt die Haftungsfalle zu

Mausefalle, Haftung, Herrenschuhe © xxmmxx/GettyImages.de

Abführung von Steuern und Sozialbeiträgen: Komplexes Rechtsthema mit hohem Gefahrenpotenzial.

Unternehmen, die sich in einer Krise befinden oder sogar kurz vor der Insolvenz stehen, haben häufig Schwierigkeiten, die fälligen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge fristgerecht zu bezahlen. Das kann für die Geschäftsführer schwerwiegende Folgen haben, denn sie haften dafür in der Regel persönlich. Es drohen sogar strafrechtliche Sanktionen. So ist unter anderem in der Abgabenordnung (AO) festgelegt, dass der Geschäftsführer persönlich haftet, wenn er seine steuerlichen Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Er kann diese Pflicht auch nicht einfach auf jemand anderen delegieren. Selbst eine Aufteilung von Zuständigkeiten unter den Geschäftsführern führt nur unter engen Voraussetzungen dazu, dass einer der Geschäftsführer aus dem Schneider ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt: In der Praxis stellen die Finanzverwaltung oder die Krankenkassen häufig einen Insolvenzantrag, wenn sie davon ausgehen, dass Steuer- oder Beitragsrückstände nicht mehr erfolgreich eingetrieben werden können. Es gibt also eine Reihe von Gründen, beim Thema Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gerade in Krisensituationen äußerst sorgfältig zu agieren.

Doch selbst wenn die Geschäftsführer in vermeintlich bester Absicht Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abführen, können sie sich in einer Zwickmühle wiederfinden: Denn wenn bei der Gesellschaft die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder wenn deren Überschuldung festgestellt wurde, haften sie unter Umständen gegenüber der Gesellschaft, die dann vom Insolvenzverwalter vertreten wird, für Zahlungen, die sie nach Eintritt dieser Ereignisse leisten. Auf der einen Seite besteht also ein Zahlungsverbot, auf der anderen eine Zahlungspflicht, deren Verletzung teils sogar eine Straftat darstellt. Sowohl der Verstoß gegen das Zahlungsverbot als auch der Verstoß gegen die Zahlungspflicht können zur persönlichen Haftung führen. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind nämlich nicht immer vorrangig zu bedienen. Um einer Haftung zu entgehen, müssen die Geschäftsführer in dieser Situation wissen, was sie wann und in welcher Höhe bezahlen dürfen bzw. müssen. Eine heikle Situation, bei der sich die Geschäftsführer aber nicht einmal auf den Schutz durch eine Manager-Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) verlassen können, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in zwei Urteilen vom 20. Juli 2018 und vom 26. Juni 2020 festgestellt hat.

Lohnsteuer: Grundsätzlich gilt, dass der Geschäftsführer den Fiskus nicht gegenüber anderen Gläubigern benachteiligen darf. Die Lohnsteuer verwaltet er rechtlich gesehen nur treuhänderisch als fremdes Geld. Deswegen ist er verpflichtet, diese grundsätzlich vor anderen Steuern an das Finanzamt abzuführen (§§ 38, 41a Einkommensteuergesetz EStG).

Bei Unternehmen in Schieflage kommt es häufig vor, dass die Mittel nicht ausreichen, um alle Gläubiger zu befriedigen und die vollen Löhne einschließlich des Steueranteils auszuzahlen. In diesem Fall dürfen die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag ausgezahlt werden. Aus den dann übrigbleibenden Mitteln muss die Lohnsteuer, die auf den gekürzten Auszahlungsbetrag entfällt, pünktlich (d. h. jeweils am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums) an das Finanzamt abgeführt werden. Der Geschäftsführer muss also berechnen, wie weit er die Löhne kürzen muss, damit er von den verbleibenden liquiden Mitteln die zu ermittelnde Lohnsteuer bezahlen kann. Durch die Kürzung der Löhne ergeben sich allerdings zwangsläufig Folgeprobleme, absehbar sind insbesondere Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmern.

Umsatzsteuer: Der Geschäftsführer hat auch die Pflicht, die Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben und die Umsatzsteuer abzuführen (§ 34 AO). Im Gegensatz zur Lohnsteuer gibt es bei der Umsatzsteuer keinen Vorrang vor anderen Steuern. In der Praxis kann dies zu folgendem Fall führen: Der Geschäftsführer begleicht wegen der Vorrangregelung die Lohnsteuer in vollem Umfang. Nun stehen aber keine ausreichenden Mittel mehr zur Verfügung, um die Umsatzsteuer abzuführen. In diesem Fall haftet der Geschäftsführer grundsätzlich nicht wegen der Nichtabführung der Umsatzsteuer.

Um einer Haftung (nach § 69 AO) zu entgehen, muss der Geschäftsführer aber folgenden maßgeblichen Punkt beachten: Wenn die Mittel nicht ausreichen, um alle Verbindlichkeiten zu bezahlen, ist er gehalten, alle Gläubiger – einschließlich des Fiskus – anteilig gleich zu befriedigen. In der Praxis geschieht es aber durchaus, dass der Geschäftsführer nicht alle Verbindlichkeiten (inklusive der Umsatzsteuerschuld) gleichmäßig begleicht. Er haftet dann aber nicht vollständig für die nicht abgeführte Umsatzsteuer. Der Haftungsbetrag bemisst sich vielmehr an der durchschnittlichen Tilgungsquote aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dies wird an folgendem Beispiel deutlich: Die Gesellschaft hat alle Verbindlichkeiten zu 50 Prozent getilgt, jedoch von der fälligen Umsatzsteuer nur 30 Prozent abgeführt. Später stellt sich im Rahmen des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Gesellschaft alle Verbindlichkeiten (inklusive der Umsatzsteuerschuld) zu 40 Prozent hätte bedienen können, wenn sie die Tilgung gleichmäßig verteilt hätte. In diesem Fall würde der Geschäftsführer nur für den Differenzbetrag – also zehn Prozent des Umsatzsteuerausfalls – haften.

Sozialversicherungsbeiträge: Ein sehr heikles Terrain, das mit großen Haftungsrisiken für den Geschäftsführer verbunden ist, stellen die Sozialversicherungsbeiträge dar. Werden den Sozialversicherungsträgern die Beiträge vorenthalten, kann dies nicht nur einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer persönlich bedeuten, sondern sogar strafrechtliche Folgen haben (§ 266a Strafgesetzbuch StGB). Zu unterscheiden ist zwischen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerbeiträgen: Strafrechtlich relevant und vorrangig zu bedienen ist nur der Arbeitnehmeranteil.

Die Pflicht, die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung abzuführen, entsteht unmittelbar dadurch, dass der Arbeitnehmer gegen Entgelt versicherungspflichtig beschäftigt wird. Die Höhe des Beitrags richtet sich nach dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber gemäß Arbeits- oder Tarifvertrag schuldet. Wichtig dabei: Selbst wenn dem Arbeitnehmer nur ein Teil des geschuldeten Lohnes ausbezahlt wurde, richtet sich der Sozialversicherungsbeitrag nach dem Entgelt gemäß Vertrag. Die Sozialversicherungsbeiträge werden an den gesetzlich vorgeschriebenen Terminen fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch IV). Die Termine, an denen die Löhne an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden, sind für die Fälligkeit nicht ausschlaggebend.

Eine Haftung kommt nur dann in Frage, wenn die Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt objektiv in der Lage war, die Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen, und der Geschäftsführer die Zahlungen vorsätzlich unterlassen hat. Ein entscheidender Aspekt ist jedoch zu beachten: Der Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge hat gegenüber den Verbindlichkeiten anderer Gläubiger einen Tilgungsvorrang in voller Höhe. Das hat handfeste Folgen für die Haftungsfrage: Wenn die Liquidität beschränkt ist, muss der Geschäftsführer auf jeden Fall die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen. Notfalls muss er Rücklagen bilden, Nettolohnzahlungen kürzen oder die Forderungen anderer Gläubiger einschränken. Kommt es nur deshalb zur Zahlungsunfähigkeit, weil der Geschäftsführer zunächst andere Gläubiger befriedigt hat, haftet er dafür.

Die Abläufe in der Finanzabteilung des Betriebs müssen also so organisiert werden, dass die Zahlung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge auf jeden Fall sichergestellt wird – und zwar in voller Höhe. Gegenüber der Sozialversicherung sollte man durch einen klar formulierten Verwendungszweck in der Überweisung dafür Sorge tragen, dass mit den Zahlungen tatsächlich die "heiklen" Arbeitnehmeranteile beglichen werden und der Versicherungsträger nicht versehentlich anderen Zahlungen den Vorrang einräumt. Dies kann dann passieren, wenn neben den Arbeitnehmeranteilen und neben den naturgemäß offenen Arbeitgeberbeiträgen auch Auslagen der Einzugsstelle oder sonstige Gebühren angefallen sind und die geleistete Zahlung nicht ausreicht, um alles zu tilgen. Wenn der Verwendungszweck unklar formuliert ist, verrechnet die Einzugsstelle der Sozialversicherung nämlich die Zahlung zuerst auf diese Auslagen und Gebühren. Erst der Rest wird auf die eigentlichen Sozialversicherungsbeiträge verrechnet, für die dann aber der überwiesene Betrag ganz oder teilweise nicht mehr reicht.  Für den Geschäftsführer hätte dies schwerwiegende haftungsrechtliche Folgen, denn er würde der Sozialversicherung damit de facto Beiträge vorenthalten und sich strafbar machen (§ 266a StGB).

Deshalb die dringende Empfehlung: Bei der Zahlung einen eindeutigen Verwendungszweck angeben (z. B. "Zahlung Arbeitnehmerbeitrag Juli 2020", nicht "Zahlung offene Restschuld"). Damit macht man der Einzugsstelle deutlich, dass die Zahlung zunächst nur für die Tilgung der Arbeitnehmerbeiträge bestimmt ist und erst der Rest auf die anderen offenen Posten gebucht werden darf.

Die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung müssen – selbst bei Insolvenzreife – also weiterhin in voller Höhe abgeführt werden. Das gilt nicht für die Arbeitgeberanteile. Der Geschäftsführer eines insolvenzreifen Unternehmens ist zumindest in einem wichtigen Punkt auf der sicheren Seite, wenn er die fällige Lohnsteuer, die anteilige Umsatzsteuer und die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zahlt: Er verstößt damit nicht gegen das Zahlungsverbot bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die Gesellschaft, die Gläubiger oder der Insolvenzverwalter können ihn für diese Zahlungen also nicht im Nachhinein haftbar machen.

Autor/in: 

Rechtsanwalt Marcus Puttke ist Fachanwalt für Steuerrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei Knöchel, Burkhardt, Puttke & Kollegen GbR mit Sitz in Nürnberg (marcus.puttke@kbpk.de, www.kbpk.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2020, Seite 14

 
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