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Alternative Finanzierungen

Den Spielraum erweitern

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Für den Mittelstand gibt es außer dem Bankkredit eine Vielzahl an Finanzierungsmöglichkeiten. Ein Überblick.

Unternehmen benötigen ausreichend finanzielle Mittel für Zukunftsinvestitionen – beispielsweise für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die Vorfinanzierung von größeren Projekten oder den Zukauf von Unternehmen im Rahmen einer Wachstumsstrategie. Auch Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie können ein Grund für erhöhten Liquiditätsbedarf sein. Wer hier andere Wege sucht als die klassische Finanzierung via Bankkredit, gewinnt mehr Wahlmöglichkeiten und damit mehr Unabhängigkeit. Für viele deutsche Mittelständler sind solche alternativen Finanzierungsinstrumente noch immer ungewöhnlich, viele andere nutzen sie dagegen bereits in großem Umfang.

Es lohnt sich, Alternativen zur Bankfinanzierung in Betracht zu ziehen: Zum einen schätzen selbst die Kreditinstitute solche alternativen Finanzierungen, weil sie die Bankfinanzierung ergänzen und damit das Finanzierungskonzept unterstützen. Zum anderen müssen sich Banken u. a. aufgrund der Regulatorik bei Kreditentscheidungen stark an Vergangenheitswerten orientieren. Das führt oft dazu, dass selbst erfolgreichen Mittelständlern Kapital nicht immer in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt wird.

Die Möglichkeiten, alternativ zu finanzieren, sind vielfältiger, als man zunächst erwartet. Je nach Situation des Unternehmens, der zu erwartenden Entwicklung, den zu finanzierenden Gegenständen bzw. Vorhaben und dem Zeitbudget kommen jeweils unterschiedliche Lösungsinstrumente in Frage. Nachfolgend eine Auswahl möglicher Ansätze:

Mezzanine-Kapital: Unter diesen Begriff fallen Finanzierungsarten, bei denen ein Dritter im Gegenzug zu einer Kapitaleinlage am Unternehmen still beteiligt wird, dabei aber kein bzw. nur ein geringes Mitspracherecht erhält und auch nicht offen Gesellschafter wird. Bei einer stillen Beteiligung erhält ein Investor eine Teilhabe an möglichen Gewinnen des Unternehmens.

Auch Genussscheine sind ein ähnliches Mittel: Dabei handelt es sich um ein schuldrechtliches Kapitalüberlassungsverhältnis, bei dem die Kapitalbereitstellung auf der einen Seite und die Gewährung von Vermögensrechten auf der anderen Seite stehen. Weitere ähnliche Instrumente sind paritätische Darlehen, Nachrangdarlehen oder Optionsanleihen. Der Vorteil liegt darin, dass sie die Eigenkapitalquote stärken und eine Verbesserung des Ratings bei den Kreditinstituten zur Folge haben, d. h. sie helfen dabei, mehr Fremdkapital zu erlangen. Die Gestaltungsmöglichkeiten, inklusive einer Festlegung des Ausstiegs eines Kapitalgebers, sind vielfältig. Anders als bei einer Bankenfinanzierung sind solche Konstrukte noch stärker auf die Zukunft ausgelegt, d. h. neben Finanzdaten legen Kapitalgeber Wert auf eine nachvollziehbare unternehmerische Perspektive. Besonders geeignet sind Mezzanine-Mittel in Wachstumsphasen eines Unternehmens, bei Firmenübernahmen oder im Zuge einer Nachfolgeregelung bzw. eines Gesellschafterwechsels.

Beteiligungsfinanzierung: Die Beteiligungsfinanzierung geht noch ein Stück weiter als die Mezzanine-Finanzierung, denn hier werden die Geldgeber zu Mitgesellschaftern. Je nach Ausgestaltung behält der Unternehmer zwar weiterhin die Kontrolle über seine Firma, gleichzeitig werden dem Kapitalgeber aber klare Mitspracherechte eingeräumt. Dieser bringt im besten Fall noch relevantes Know-how mit in das Unternehmen und trägt auf diese Weise dazu bei, dessen Entwicklung positiv zu beeinflussen.

Im Bereich der Beteiligungsfinanzierung gibt es ebenfalls verschiedene Varianten: Venture Capital ist eine Form der Beteiligung, die zur Finanzierung von Start-ups herangezogen wird. Es gibt eine Reihe von Venture Capital-Gesellschaften, die jungen Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen.

In Bayern unterstützt die vom Bayerischen Wirtschaftsministerium geförderte BayStartUp GmbH vor allem Start-ups dabei, Kontakte zu passenden Investoren zu knüpfen (www.baystartup.de). Das Investoren-Netzwerk von BayStartUp bietet Zugang zu einer großen Bandbreite an Kapitalgebern, die insbesondere für die Finanzierung der frühen Phase von Start-ups relevant sind (u. a. Business Angels, Family Offices, Corporate Venture Capital, Venture Capital-Fonds sowie öffentliche Kapitalgeber).

Eine Sonderstellung nimmt die Bayern Kapital GmbH mit Sitz in Landshut ein, die 1995 auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung als 100-prozentige Tochtergesellschaft der LfA Förderbank Bayern gegründet wurde. Sie stellt als Venture Capital-Gesellschaft des Freistaats Bayern den Gründern innovativer High-Tech-Unternehmen und jungen, innovativen Technologieunternehmen Beteiligungskapital zur Verfügung (www.bayernkapital.de).

Auch für etablierte Unternehmen gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Investoren: Am Markt agieren spezialisierte Unternehmen, die gezielt nach Beteiligungen suchen. Daneben sind Family Offices wichtig, die privates Großvermögen verwalten und entsprechende Investments eingehen. Auch einzelne Unternehmer stellen Kapital zur Verfügung: Diese suchen einerseits Beteiligungen als Anlageoptionen für ihr Vermögen und möchten andererseits Unternehmern dabei helfen, noch erfolgreicher zu werden. Der Freistaat Bayern fördert die Mittelstandsfinanzierung über die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft, die Beteiligungskapital, Venture Capital sowie stille und offene Beteiligungen anbietet (www.baybg.de).

Ähnlich wie beim Mezzanine-Kapital besteht die Möglichkeit, dass der Unternehmer später seine Anteile vollständig zurückkauft. Neben der Auswahl eines Partners, der optimal zu den eigenen Zielen passt, sind Bewertungsregelungen bei Ein- und Ausstieg wichtig.

Private Debt: Zudem gibt es eine Reihe privater Anbieter von Darlehen, die in der Regel in einem Sondervermögen institutionelle Mittel bündeln und an Unternehmen als Kredite, auch in mittelstandsgerechten Volumina, vergeben. Die Einsatzfälle sind vielfältig, ferner kann Private Debt ergänzend zu Mezzanine- oder Beteiligungsmitteln eingesetzt werden.

Operative Finanzierungsinstrumente zielen auf die Finanzierung von Teilen des Aktivvermögens. Allgemein bekannte Formen sind Leasing und Factoring. Mit diesen Verfahren wird zudem die Bilanzsumme verkürzt und die Eigenkapitalquote steigt.

Leasing ist im Bereich von Fuhrpark, Maschinen oder Bürogeräten mittlerweile eine häufig genutzte Alternative zum Kauf, ist aber auch für viele weitere Bereiche nutzbar, beispielsweise für Software. Beim Sale-and-Lease-Back wird versucht, die besonders werthaltigen Bestandteile eines Unternehmens in Liquidität zu verwandeln, was in sprunghaften Wachstums- oder in Krisensituationen eine sinnvolle Option sein kann.

Beim Factoring bzw. Reverse-Factoring geht es um die Zahlungsflüsse (Einnahmen, Ausgaben des Unternehmens). Durch das Einbinden von Dritten lassen sich unternehmerische Gestaltungsspielräume gewinnen. Beim Factoring verkauft man die ausstehenden Forderungen, also offene Rechnungen von Kunden. Dadurch kann das Unternehmen direkt Liquidität gewinnen, zudem wird das Risiko von Zahlungsausfällen abgedeckt.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von weiteren Instrumenten, um Teile des Umlaufvermögens zu finanzieren. Allen ist gemeinsam, dass die Anlässe und die Ziele des Unternehmens in Übereinstimmung gebracht werden müssen und dass bestimmte Spielregeln zu beachten sind, die u. a. über die Höhe der Kosten eines solchen Instrumentes entscheiden.

Wege zu alternativen Finanzierungen

Es ist grundsätzlich zu empfehlen, Angebote auch von anderen Kreditinstituten als der Hausbank einzuholen und die Konditionen zu vergleichen. Neben Banken treten als Kapitalgeber private Investoren, Fonds, Private Equity-Gesellschaften und Versicherungen auf. Es haben sich zudem spezialisierte Anbieter etabliert, die Angebote etwa für die Projekt- und Auftragsfinanzierung geschaffen haben. Eine gute Anlaufstelle zur Festlegung einer individuell sinnvollen Strategie sind unabhängige Berater, die dem Interesse ihrer Auftraggeber verpflichtet sind und deshalb verschiedene Finanzierungsmittel optimal gegeneinander abwägen.

Jeder Unternehmer hat die Wahl, Veränderungen an seiner Finanzierungsstruktur durchzuführen. Generell empfiehlt es sich von Zeit zu Zeit, die Gesamtstruktur der Finanzierung auf den Prüfstand zu stellen: Es lohnt sich, Ballast aus unternehmerischen Prozessen zu entfernen und Kapital freizusetzen. Eine optimale Struktur kombiniert sinnvoll die Vorteile des Bankkredits mit den Möglichkeiten alternativer Instrumente. Wie in vielen anderen Bereichen gilt auch in Bezug auf die Finanzierung: Wer Alternativen hat, verbessert seine Verhandlungsposition und kommt zu besseren Ergebnissen.

Autor/in: 

Dr. Marcus Ruf ist Geschäftsführer der M.Consult Unternehmensberatung GmbH in Erlangen. Das zehn Köpfe starke Team ist spezialisiert auf Finanzierungen und Unternehmenstransaktionen (www.mconsult-ub.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2021, Seite 34

 
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