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Fachkräfte

Feste Bindungen

Haxn Liebermann_Fritz Stahlmann © Thomas Tjiang

Mitarbeiter in Kurzarbeit und im Homeoffice, Azubis im Leerlauf: Wie halten Unternehmen in Corona-Zeiten Kontakt zu den Mitarbeitern?

Umsatzeinbrüche und Liquiditätsprobleme treiben unzählige Unternehmen in der Corona-Krise um. Aber es geht auch darum, die Geschäfte am Laufen zu halten und für die Zeit nach der Pandemie zu planen. Hier kommt der Aspekt der Mitarbeiterbindung ins Spiel: Branchen, die besonders stark gebeutelt werden wie Gastronomie, Hotellerie, Messen, Schausteller und andere Sektoren der Veranstaltungswirtschaft, beschäftigt in diesem Zusammenhang die Frage, wie sie ihre bewährten Mitarbeiter halten können. Wie kann man mit ihnen in Kontakt bleiben und verhindern, dass sie zu anderen Branchen abwandern, die wirtschaftlich nicht so stark betroffen sind? Bei anderen Unternehmen, beispielsweise in der Industrie, geht es dagegen mehr um die Frage, wie die Mitarbeiter angemessen informiert und in Entscheidungen eingebunden werden können und wie der Teamgeist auch auf digitalem Wege aufrechterhalten werden kann. Auch die Weiterbildung der Mitarbeiter ist ein großes Thema in der mittelfränkischen Wirtschaft. Einige Beispiele aus der Region illustrieren, mit welch unterschiedlichen Konzepten die Betriebe mit ihren Mitarbeitern in Kontakt bleiben.

Die abgesagten Volksfeste, Weihnachtsmärkte usw. setzen den Schaustellern extrem zu. So auch dem Nürnberger Schaustellerbetrieb Hax´n Liebermann von Festwirt Fritz Stahlmann. Veranstaltungen wie etwa die 2020 von der Stadt Nürnberg und dem Süddeutschen Schaustellerverband initiierten "Sommertage", an denen sich Hax´n Liebermann mit einem kleinen Biergarten auf der Insel Schütt beteiligte, waren für ihn und die anderen Schaustellerbetriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das gilt auch für seine beiden Straßenstände in der Nürnberger Kilianstraße und in Wintersdorf bei Zirndorf. "Es ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig", sagt Stahlmann.

Der Festwirt in vierter Generation sorgt sich aber auch um seine bis zu 50 Mitarbeiter, von denen viele zu den Volksfesten eigens beispielsweise aus Polen oder Rumänien anreisen. Viele hat Stahlmann in den vergangenen Jahren so angelernt, dass sie sich mit den deutschen Gastronomie-Standards bestens auskennen. Doch nun fürchtet er, dass ihm viele Kräfte abspringen. Zumindest einen kleinen Teil der "guten Leute" will er über seine beiden Straßenstände binden. Dafür hat er ein rolierendes Schichtsystem, um auf diese Weise so viele Kräfte wie möglich zu halten.

Auch Sabine Powels, Chefin des Nürnberger Hotels Victoria Theodor Schuler GmbH & Co. KG, nennt die Mitarbeiterbindung die "allergrößte Herausforderung für die Branche". Sie kenne diese Gefahr von anderen Betrieben, bei denen gute Mitarbeiter in andere Wirtschaftszweige gewechselt seien. Denn ohne besucherstarke Messen und wegen der ausbleibenden Touristenströme läuft die Hotellerie derzeit im Notbetrieb. Ihr Traditionshotel werde derzeit nur von einigen Geschäftsreisenden besucht, am Wochenende sei der Betrieb geschlossen, so Powels.

Powels ist froh darüber, dass sie bereits vor Jahren in ihrem Haus die Initiative "Victoria miteinander" für die rund 35 Mitarbeiter und sechs Azubis gestartet hat. Diese Form der Mitarbeiterkultur sei in der Corona-Pandemie noch wichtiger geworden. An oberster Stelle steht für die Hotelchefin, dass die Azubis ihre Ausbildung weiter absolvieren können. Dafür wurden auch Abläufe und Dienstpläne umstrukturiert. Außerdem wurde die interne Weiterbildung rund um die Themen Nachhaltigkeit, Sprachen oder Servicequalität digitalisiert, um das Team auch fachlich fit zu halten. Hierbei hilft das hauseigene Format "Voneinander lernen", bei dem die Mitarbeiter untereinander Wissen und Erfahrungen teilen. Ein Aspekt ist das selbstmotivierende Modul "Jobcrafting". Ein virtuelles Sportprogramm sorgt auch während Kurzarbeit und Lockdown für körperliche Fitness. Powels versucht, bei allen Online-Treffen dabei zu sein. Der fehlende persönliche Kontakt wird etwa mit gemeinsamem Plätzchenbacken virtuell überbrückt, wöchentlich sorgen coronakonforme Spaziergänge zu zweit für den analogen Austausch untereinander.

Mitarbeiterbindung wird auch bei dem Nürnberger Personaldienstleister I. K. Hofmann GmbH großgeschrieben. Dabei geht es einerseits um die Zeitarbeiter, die bei den Kundenunternehmen im Einsatz sind, und andererseits um die internen Mitarbeiter, die führen, verwalten und die Zeitarbeitnehmer betreuen. In der Zeitarbeit gelten – unabhängig von Corona – interessante Einsätze bei den Kundenunternehmen als wesentlicher Aspekt für eine langjährige Unternehmenstreue. Kontakt hält man über die hauseigene Mitarbeiter-App, über die man Urlaubs- und Gleitzeitanträge stellen, aber auch an einem Gesundheitsprogramm teilnehmen kann. Mit Corona wurde für die kaufmännischen Zeitarbeiter plötzlich auch das Thema mobiles Arbeiten aktuell: Hofmann hat deshalb in die technische Ausstattung investiert und über die richtigen Arbeitsschutzmaßnahmen aufgeklärt.

Die internen Mitarbeiter von I. K. Hofmann werden in Zeiten von Abstandsregeln digital geschult, wie sie gerade in Pandemie-Zeiten "professionell und wertschätzend" mit Kunden und Zeitarbeitnehmern kommunizieren. Grundsätzlich hatte Hofmann schon 2019 entschieden, die Weiterbildung in Präsenzschulungen zu reduzieren. Der schrittweise Aufbau der E-Learning- und Online-Angebote wurde allerdings durch Corona deutlich beschleunigt. Zusätzlich entsteht als weiteres Online-Tool das Format "Auf einen Kaffee mit Frau Hofmann": Firmenchefin Ingrid Hofmann will per Video-Call insbesondere neue Führungskräfte an den unterschiedlichen Standorten einzeln oder auch in kleineren Gruppen besser kennenlernen und dadurch die Verbindung halten.

Die Corona-Pandemie hat auch das Arbeiten bei der Altdorfer E-T-A Elektrotechnische Apparate GmbH, Weltmarktführer für Überstromschutz, verändert. So wurde schnell in das technische Equipment investiert, um weiteres mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Nun sind gerade die Führungskräfte gefordert, in täglichen Runden und wöchentlichen Jour Fixes virtuell die Kontakte und den Teamgeist aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sorgt das interne Corona-Gremium dafür, dass sich die Mitarbeiter gut informiert und betreut fühlen. Das breite Angebot des firmeneigenen "E-T-A-Kollegs" ist längst digital geworden.

Das Familienunternehmen war allerdings gut auf die Pandemie vorbereitet: Schon seit Jahren wurde die interne Organisation weiterentwickelt und es wurden agile Ansätze eingeführt. Diese sehen vor, Mitarbeiter bei wesentlichen Entscheidungen aktiv zu beteiligen. Die vorhandene, agile Zusammenarbeit wurde allerdings weiter in den digitalen Raum verlegt. Mittlerweile gebe es kaum mehr einen Arbeitsbereich, der nicht auch mit einem digitalen Board zur virtuellen Moderation ausgestattet ist. Selbst strategische Runden im virtuellen Raum mit rund 70 Teilnehmern hätten erstaunlich gut funktioniert.

Das mobile Arbeiten verursache keinen Frust bei den Mitarbeitern, weil vorher viele Hausaufgaben der internen Kommunikation bereits erledigt wurden, teilt E-T-A mit. So wurde beispielsweise schon vor Corona das "Product Information Management" (PIM) realisiert. Es liefert zu jedem einzelnen Produkt alle dazugehörigen Informationen, von CAD-Zeichnungen und Bildern über Marketing-Texte bis hin zu weiteren Daten aus unterschiedlichen Quellen.

Bei der Nürnberger Semikron Elektronik GmbH & Co. KG hat sich die Corona-Pandemie als "Beschleuniger der Digitalisierung" ausgewirkt, fasst Patrizia Datz, Leiterin Competence Center Personnel Development & Training, zusammen. Dazu gehört beispielsweise das internationale "Learning Management System", eine Semikron-Plattform, die alle 24 Standorte weltweit erreicht. Sie macht nicht nur die Bildungsinhalte für die rund 3 000 Mitarbeiter verfügbar, sondern soll auch eine neue Art des eigenverantwortlichen und kontinuierlichen Lernens fördern.

Ein weiteres Projekt ist die Analyse der Arbeitsabläufe im Personalbereich, um Papierprozesse abzuschaffen. Das wurde schon vor Corona begonnen, hat dann aber ebenfalls einen deutlichen Schub erlebt. Mitarbeiter und Führungskräfte aus der Verwaltung wurden beim Umgang mit mobilem Arbeiten und Homeoffice unterstützt. Dabei geht es beispielsweise um die sogenannte "remote leadership", also das Führen auf Distanz und das Verhalten der Mitarbeiter in dieser Arbeitsform. Ein Projekt zur Führungskultur startete zwar schon vor Corona, das Virus sorgte aber für die schnellere Einführung von Online-Workshops in der Breite. Auch die Arbeit des Betriebsrates wurde durch eine betriebliche Vereinbarung "unter Ausschöpfung der Möglichkeiten der Digitalisierung" erleichtert, um in Corona-Zeiten eine virtuelle Beschlussfassung zu ermöglichen.

Während Corona innerhalb der Betriebe vielfältige Inhouse-Lösungen bei Mitarbeiterbindung und Weiterbildung vorangetrieben hat, kam die externe Weiterbildung bei vielen Unternehmen "im ersten Lockdown nahezu zum Erliegen", wie Elke Neumann, Weiterbildungskoordinatorin bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken, berichtet. Seit Jahresbeginn 2021 registriert sie dagegen eine "extreme Zunahme" der Nachfragen nach konkreten Unterstützungsangeboten. Sowohl Unternehmen als auch einzelne Mitarbeiter informierten sich beispielsweise zu Weiterbildungsmöglichkeiten rund um die digitale Transformation. Besonders hoch ist der Weiterbildungsbedarf offensichtlich bei Themen wie virtuelle Team-Arbeit, Social Media-Management und Big-Data-Analyse. Verwundert zeigt sich Neumann allerdings darüber, dass Inhalte wie Datenschutz und IT-Security nicht viel Nachfrage bekommen. Dabei vergrößerten die digitale Transformation in den Unternehmen und der Trend zum mobilen Arbeiten auch das Risiko für Cyberangriffe.

Das Berufsförderungswerk Nürnberg gemeinnützige GmbH (BFW) ist zwar vornehmlich ein Spezialist für die berufliche Rehabilitation, engagiert sich aber auch für Menschen, die fest im Arbeitsleben stehen. Auch BFW-Weiterbildungsinitiator Günter Schmid stellt eine extrem hohe Nachfrage nach Weiterbildung fest. Die BFW-Seminare wurden deshalb möglichst schnell auf Webinare umgestellt. Intensiv nachgefragt werden von den Unternehmen und deren Mitarbeitern Webinare zur Organisation von Video-Konferenzen und virtuellen Besprechungen mit Instrumenten wie MS Teams. Die Nachfrage nach Schulungen zu digitalen Themen betreffe nahezu alle Themenbereiche und Branchen der Wirtschaft – darunter auch Spezialthemen wie Tools für das agile und hybride Projektmanagement oder für die Telepharmazie in Apotheken.

Autor/in: 

tt.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2021, Seite 22

 
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