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Ausbildung

In Teilzeit zum IHK-Abschluss

Ausbildung Wecker Ordner Teiltzeit Teilzeitausbildung © kosmos111/Gettyimages.de

Flexibles Modell, um Familie und Lehre zu vereinbaren: IHK wirbt für Teilzeitausbildung.

Kleine Kinder sind zu betreuen oder kranke Eltern müssen gepflegt werden: Manchmal machen es die Lebensumstände schwierig oder sogar unmöglich, sich einer Ausbildung zu widmen. Ein Ausweg kann sein, die Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren. Obwohl das Berufsbildungsgesetz (BBiG) diese Möglichkeit bereits seit 2005 ausdrücklich vorsieht, wird sie bisher nur selten genutzt: Weniger als ein Prozent der Ausbildungsverträge, die in Deutschland abgeschlossen werden, entfallen darauf. „Wir möchten die Unternehmen und potenzielle Azubis ausdrücklich dazu motivieren, diese Möglichkeit stärker zu nutzen“, so Stefan Kastner, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Berufsbildung.

Für zahlreiche Lebenslagen geeignet

Der Personenkreis, der eine Teilzeitausbildung absolvieren kann, wurde im Jahr 2020 durch die Novelle des Berufsbildungsgesetzes erweitert. Nun muss der Azubi kein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ mehr nachweisen. In der Praxis am häufigsten ist nach wie vor der Fall, dass die Azubis familiäre Verpflichtungen haben, denen sie mit einer Vollzeitausbildung nicht gerecht werden können. Darüber hinaus können aber auch gesundheitliche Einschränkungen oder eine Lernbeeinträchtigung dafür sprechen, sich für die Ausbildung in Teilzeit zu entscheiden. Auch einige Leistungssportler, die ihre sportliche Karriere vorantreiben, aber nicht auf eine Ausbildung verzichten wollen, wählen diese Möglichkeit. Und bisweilen lassen sich Flüchtlinge in Teilzeit ausbilden, wenn sie parallel noch einen Sprachkurs absolvieren.

Stefan Kastner weist auf einen weiteren Vorteil des Modells hin: Ausbildungsbetrieb und Azubi können im Ausbildungsvertrag sehr flexibel regeln, wie sie die Ausbildung organisieren wollen – je nach privater Situation und betrieblichen Anforderungen. Einige Beispiele: Wie viele Stunden kann der Azubi wöchentlich für die Ausbildung aufwenden? Soll die tägliche Arbeitszeit an allen Arbeitstagen reduziert werden oder arbeitet der Azubi nur einige Tage in der Woche? Soll die Teilzeit für die gesamte Ausbildungszeit vereinbart werden oder vorerst nur für einen bestimmten Zeitraum? Wichtig ist lediglich, dass sich beide Seiten einig sein müssen, das Gesetz schreibt keine bestimmten Regelungen vor. Es ist allerdings zu beachten, dass die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit nur um maximal 50 Prozent verringert werden darf. Zudem verlängert sich die Dauer der regulären Ausbildungszeit um bis zu eineinhalb Jahre – je nachdem, wie umfangreich die wöchentliche Ausbildungszeit gekürzt wird. So wird sichergestellt, dass der Betrieb genügend Zeit für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte hat. Dennoch kann – wie bei allen anderen Ausbildungsverträgen auch – eine Verkürzung der Ausbildungsdauer beantragt werden. Gründe können besonders gute Leistungen des Azubis sein, aber auch einschlägige Berufserfahrung oder schulische Vorbildung. Damit die Azubis keine wichtigen Theorieinhalte versäumen, besuchen sie die Berufsschule aber in vollem Umfang. In der Praxis hat sich eine Arbeitszeit von ca. 30 Stunden pro Woche bewährt. Zum Vergleich: In manchen Branchen sehen Tarifverträge selbst bei einer Vollzeitausbildung lediglich 35 Wochenstunden vor.

Die Ausbildungsvergütung verringert sich in dem Maße, wie die wöchentliche Arbeitszeit reduziert wird. Der Urlaub wird anteilig gewährt, wenn an weniger als fünf Arbeitstagen pro Woche gearbeitet wird. Arbeiten die Azubis dagegen an genau so vielen Arbeitstagen wie Vollzeitbeschäftigte, haben sie den gleichen Urlaubsanspruch wie diese.

Mehrwert für Betriebe und Azubis

Warum fristet die Teilzeitausbildung trotz der hohen Flexibilität noch ein Schattendasein? IHK-Bildungsberater Florian Kelch führt das zum einen darauf zurück, dass das Modell immer noch zu wenig bekannt sei. Zum anderen entschieden sich Unternehmen bisweilen dagegen, weil sie einen höheren organisatorischen Aufwand befürchten und die reduzierte Anwesenheit im Betrieb kritisch sehen. „Doch diese Vorbehalte sind in aller Regel unbegründet, wie die Erfahrungen von Unternehmen zeigen, die die Teilzeitausbildung bereits erfolgreich praktizieren“, so Kelch.

„Wir sind zur Teilzeitausbildung gekommen wie unsere Auszubildende zu ihrem Kind: ungeplant, aber in freudiger Erwartung, was dabei auf einen zukommt“, berichtet Rita Rymdjonok, Ausbildungsleiterin bei der BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH in Nürnberg. „Die Auszubildende, die anfänglich ihre Vollzeitausbildung in unserem Medienunternehmen mit eher mittelmäßigen Leistungen begonnen hatte, bekam nach der Zwischenprüfung erst ein und kurze Zeit später ein zweites Kind. Trotzdem wollte sie die Chance unbedingt nutzen, ihre Ausbildung in Teilzeit abzuschließen.“ Für beide Seiten stellte sich das anfängliche Wagnis als großer Erfolg heraus: Die Mittzwanzigerin wuchs täglich an den Herausforderungen und meisterte ihre Aufgaben mit viel Energie und hoher Motivation. In ihrer Azubi-Gruppe wuchs sie zum Vorbild heran und sie hatte kaum Fehltage. „Für uns war die Teilzeitausbildung eine Zufallsentdeckung, die uns aber überzeugt hat, sodass wir nun alle unsere Ausbildungsberufe auch als Ausbildung in Teilzeit anbieten“, so Rymdjonok.

Die Teilzeit-Auszubildenden sind in aller Regel überaus dankbar, dass sie auf diese Weise die Möglichkeit einer qualifizierten und hochwertigen Berufsausbildung bekommen. „Besonders junge Eltern sind extrem motiviert, diese Chance zu ergreifen, und wollen eine möglichst gute Ausbildung absolvieren“, so Florian Kelch. Zudem haben sie in der Regel mehr Lebenserfahrung als Schulabgänger und mussten bereits im Privatleben Verantwortung übernehmen, sodass sie sich in der Regel gut selbst organisieren können. „Für Unternehmen erschließt sich hier ein zusätzliches, bislang wenig genutztes Potenzial an Bewerbern. Durch das Angebot der Teilzeitausbildung können sie sich auch als attraktiver Arbeitgeber profilieren“, so Kelch. Er und die anderen IHK-Bildungsberater beraten interessierte Unternehmen gerne. Kontakt zu potenziellen Kandidaten findet man am besten über die zuständige Agentur für Arbeit oder das Jobcenter.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2021, Seite 14

 
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