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Marketing im E-Sport

Das zockt!

E-Sport © EvgeniyShkolenko/GettyImages.de

Der Gaming-Sektor bietet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, bei wichtigen Zielgruppen zu punkten.

LoL, CS:GO, Dota2: Wem diese kryptischen Kürzel nichts sagen, sollte sie kennenlernen – zumindest wenn man im Marketing tätig ist. Denn die Begriffe stammen aus dem E-Sport, einer Szene, die besonders in Deutschland rasant wächst. Sie bietet Unternehmen zahlreiche Marketing-Möglichkeiten sowie die Chance, bei wichtigen Zielgruppen zu punkten. Der Begriff
E-Sport (von “elektronischer Sport“) bezeichnet professionell organisierte Wettkämpfe im Gaming-Bereich. Mehrere Spieler oder Teams messen sich in einem Videospiel auf Computer, Konsole oder mobilen Endgeräten. Die Wettbewerbe werden live über das Internet übertragen und oft – wie bei “klassischen“ Profisport-Übertragungen – von Kommentatoren begleitet und analysiert. Wichtige Turniere finden in großen Arenen oder Stadien vor Publikum statt und begeistern zehntausende Zuschauer vor Ort und Millionen vor dem Bildschirm.

Mehr als 200 Mio. Fans weltweit verfolgten im vergangenen Jahr regelmäßig E-Sport-Veranstaltungen, weitere 220 Mio. schauten die digitalen Wettkämpfe zumindest gelegentlich. Entgegen der landläufigen Vermutung sind E-Sport-Anhänger dabei keineswegs vor allem Kinder und Jugendliche. Vielmehr gehören rund die Hälfte der E-Sport-Begeisterten zur marketing-technisch sehr attraktiven Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren, ein weiteres Viertel ist sogar zwischen 35 und 50 Jahre alt.

Die drei beliebtesten E-Sport-Titel sind “League of Legends“ (LoL), “Counter-Strike: Global Offensive“ (CS:GO) und “Dota 2“. Während “CS:GO“ ein klassischer Taktik-Shooter ist mit dem Ziel, das gegnerische Team auszuschalten, handelt es sich bei “LoL“ und “Dota 2“ um sogenannte MOBAs (Multiplayer Online Battle Arena), also action-orientierte Echtzeit-Strategie-Spiele mit dem Ziel, die gegnerische Basis zu erobern. Sport-Simulationen wie “Fifa“ (E-Fußball) sind dagegen im E-Sport weit abgeschlagen. In den drei genannten Top-Spielen treten jeweils zwei Teams aus je fünf Spielern gegeneinander an. Der Schlüssel zum Sieg liegt dabei nicht (nur) in der Beherrschung von Maus und Tastatur; vielmehr bedarf es einer guten Mischung aus Strategie, Taktik, spielerischen Fähigkeiten und vor allem Teamwork. Auch hierin liegt ein Grund für die Popularität dieser Spiele: Im Februar zählte allein das zum Amazon-Konzern gehörende Game-Streaming-Portal Twitch ca. 70 Mio. Live-Zuschauerstunden für professionelle E-Sport-Wettkämpfe dieser drei Titel.

In Deutschland hat sich der E-Sport-Umsatz in den letzten fünf Jahren vervierfacht und beträgt inzwischen mehr als 100 Mio. Euro; weltweit beläuft er sich auf über eine Mrd. Euro. Auch die Turnier-Preisgelder können sich sehen lassen: So betrug beispielsweise das Preisgeld bei der letzten Dota2-Weltmeisterschaft mehr als 34 Mio. US-Dollar. Wie im klassischen Profi-Sport findet E-Sport meist in Ligen statt, z. B. in der LEC (LoL European Championship), der höchsten in Europa. Diese werden professionell organisiert und vermarket, häufig mit anschließenden Play-offs sowie ergänzenden internationalen Turnieren. Die großen E-Sport-Organisationen wie G2 und Fnatic verfügen über zweistellige Millionenbudgets. Mehr als die Hälfte der Erträge stammten aus Sponsoring-Einnahmen; daneben spielen Einnahmen aus Übertragungsrechten, Streaming-Werbeeinnahmen und der Merchandising-Verkauf (z. B. von Trikots) immer wichtigere Rollen für E-Sport-Teams.

Marketing im E-Sport

Die Marketing-Möglichkeiten im E-Sport sind sehr vielfältig und reichen von verschiedenen Sponsoring-Varianten über “klassische“ Werbeaktivitäten im Streaming-Umfeld bis zu In-Game-Werbung, also Werbung, die direkt im Spiel selbst erscheint. Das Sponsoring kann sich sowohl auf Partnerschaften mit einer Liga (z. B. LEC), einem Turnier oder einem E-Sport-Team beziehen, z. B. in Form von Werbung auf den Trikots oder Social-Media-Kanälen des Teams. Möglich, aber teilweise umstritten, ist die Integration des Firmen- oder Markennamens in den Team-Namen (z. B. E-wie-einfach-eSports bzw. Euronics Gaming in der Prime League). Auch Vereinbarungen mit einzelnen Spielern sind möglich, z. B. als Influencer oder Testimonial sowie für Werbung im Stream des Spielers. Im Sponsoring-Kontext spielen oft auch Product Placements eine Rolle, z. B. geschickt platzierte Produkte bei Video-Interviews oder Live-Streams. Die Spieler können auch direkt vor bzw. nach dem Spiel werbewirksam zu einem bestimmten Artikel greifen.

Die Möglichkeiten für In-Game-Werbung sind vielfältig: Beispiele sind virtuelle Bandenwerbung, Werbeschriftzüge auf Hauswänden, reale Produkte im Spiel und Integration digitaler Items mit “Branding“ wie Emotes, Banner etc. Die Top-Titel sind hier jedoch teils etwas zurückhaltender. Eher klassische Werbeaktivitäten ohne Sponsoring oder Partnerschaften sind z. B. das Schalten von Video- oder Banner-Werbung vor bzw. während einer E-Sport-Begegnung bzw. -Aufzeichnung auf Plattformen wie Youtube, Twitch oder auf Webseiten mit E-Sport-Bezug.

Das Marketing in dieser Sparte eignet sich besonders, um Zielgruppen anzusprechen, die mit traditionellen Methoden kaum oder nur sehr schwer erreichbar sind. Die Vielzahl und Vielseitigkeit der Unternehmen, die sich bereits im E-Sport engagieren, zeigt die stetig wachsende Bedeutung. Hier finden sich u. a. Firmen aus den Bereichen IT, Technologie, Automobile, Sportartikel sowie Getränke und Lebensmittel. Aber auch Unternehmen aus dem Bereich Finanzen und Versicherungen wie die Nürnberger Versicherung sind im E-Sport aktiv. Selbst der Deutsche Zoll mischt als Sponsoring-Partner der Prime League mit, um Nachwuchs zu gewinnen. Und auch heimische mittelständische Unternehmen wie der fränkische Gehörschutz- und In-Ear-Spezialist Hörluchs aus Hersbruck sind im E-Sport aktiv: Hörluchs unterstützt das Fifa-E-Sport-Team des 1. FC Nürnberg und das LoL-Prime-League-Team von Penta1860, dem E-Sport-Ableger des TSV 1860 München.

Erfolgsfaktoren im E-Sport-Marketing

Zu den Erfolgsfaktoren im E-Sport-Marketing zählen Glaubwürdigkeit, Authentizität und die Berücksichtigung der “Kultur“ der Szene. Deren Anhänger sind für das Marketing eine sehr attraktive Zielgruppe, die zugleich aber auch anspruchsvoll sein kann. Viele Szene-Fans wissen ein ehrliches Engagement zu schätzen, das mit langfristigem Interesse einhergeht, insbesondere wenn es ihnen einen echten Mehrwert bietet. Das kann sowohl direkt erfolgen (z. B. Vergabe von besonderen Outfits für die eigene Spielfigur, sogenannte “Skins“), als auch indirekt (z. B. exklusive Interviews mit den Spiele-Profis nach einem Live-Stream). Ein plumpes “Anbaggern“ oder Überfrachten mit Werbung sowie kurzfristige Werbe-Engagements, nur um auf den Hype auf- und wieder abzuspringen, sind dagegen nicht gerne gesehen.

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist Kreativität: E-Sport-Anhänger erwarten kreative Inhalte, Ansätze und Ideen. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne eines Herstellers von Tiefkühlwaren: Ein bekannter Moderator interviewt beliebte E-Sportler in einer Wohnzimmer-Umgebung, während beide werbewirksam eine Pizza genießen und sich locker unterhalten. In einem anderen Fall spielt ein Süßwarenhersteller geschickt mit seinem Werbeslogan, indem dieser samt Logo bei technisch-bedingten Spielunterbrechungen in der LEC eingeblendet. Ein weiteres Beispiel ist ein Automobilkonzern, der nach jedem LEC-Spiel den “Player of the Game“ präsentiert, der von den Fans auf Twitter live gewählt wird. Der Deutsche Zoll hat einen Selbsttest entwickelt, mit dem Fans herausfinden können, welche Rolle im Spiel bzw. welcher Held am besten zu ihnen passt und der zugleich eine geeignete Zoll-Ausbildung empfiehlt.

Bevor ein mittelständisches Unternehmen im E-Sport-Marketing aktiv werden möchte, sollte es gründlich prüfen, ob das zur Firmenkultur passt und wie ein Engagement konkret aussehen könnte. Es stellt sich die Frage, was die Ziele des Engagements sein sollen und was man konkret damit erreichen möchte. Außerdem ist zu klären, welches Umfeld und welches Spiel zum Unternehmen bzw. zur betreffenden Marke passen, welche möglichen Schnittmengen es gibt und wie sich das Engagement beispielsweise auf die Social-Media-Strategie übertragen lässt. Nicht zuletzt sollte sich auch jemand aus dem Marketing-Team darum kümmern und sich intensiv in die Kultur und Szene einarbeiten. Ein Einstieg ins E-Sport-Marketing ist also sorgfältig zu planen, damit am Ende alle Beteiligten gewinnen.

Autor/in: 

Prof. Dr. Sebastian Serfas ist stellvertretender wissenschaftlicher Gesamtstudienleiter der FOM Hochschule in Nürnberg (www.fom-nuernberg.de). Er verfolgt die E-Sport- und Gaming-Szene seit Jahren (sebastian.serfas@fom.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2021, Seite 38

 
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