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Pyramid

Die schönen Saiten des Lebens

Pyramid Max Junger © Udo Greiner

Gitarrenparade: Max Junger zeigt eine Auswahl an Instrumenten, die mit Pyramid-Saiten bespannt sind.

Die Erzeugnisse des Bubenreuther Unternehmens bringen weltweit Gitarren & Co. zum Klingen.

Das Silicon Valley in Kalifornien gilt weltweit als Vorbild für eine Konzentration führender Unternehmen der gleichen Branche. Dort tummeln sich Apple, Google, Netflix, Ebay, Yahoo, Facebook und Tesla – jeder für sich ein globaler Umsatzriese aus der IT- und Internetbranche. In Erlangen hat man, natürlich in ungleich kleinerem Rahmen, ein solches Zentrum für die Medizintechnik kreiert – mit einer Fülle von Synergiemöglichkeiten, befeuert vor allem durch Siemens und die Universität. Wenige Kilometer weiter nördlich, in Bubenreuth, findet man dagegen führende Kompetenz im noch kleineren Format: beim Geigen- und Gitarrenbau. Die Pyramid Saiten- und Stimmpfeifenfabrik Junger GmbH ist mit ihren Instrumentensaiten ein Teil davon. 150 verschiedene Sätze werden allein für E-Gitarren geliefert – derzeit wohl das umfangreichste Angebot weltweit aus einer Hand. Dicht dahinter das Programm im E-Bass-Bereich – mit 130 Sätzen. Und so geht es weiter – beispielsweise mit 50 Sätzen für die Ukelelen-Instrumentenfamilie.

Pyramid gilt als ein typisches Beispiel für die historische Entwicklung zahlreicher Unternehmen in Bubenreuth: Gegründet 1850 von Anton Osmanek in der böhmischen Musikstadt Schönbach bei Eger, galt das Unternehmen einst in der Donaumonarchie als einer der bedeutendsten Produktions- und Handelsbetriebe der Branche mit umfangreicher Produktpalette: von Violinen und Gitarren über Zithern, Holz- und Blechblasinstrumente, Trommeln, Akkordeons bis zu Pianos und Orgeln. Schicksalsschläge blieben jedoch nicht aus. Der gravierendste: die Vertreibung aller Instrumentenhersteller aus der Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Schönbacher blieben in all den Wirren aber zusammen. Nachdem Mittenwald aufgrund des entschiedenen Widerstands der ortsansässigen Geigenbaumeister als neuer Standort nicht in Frage gekommen war, fanden sie mit Förderung durch die Bayerische Staatsregierung in Bubenreuth eine neue Heimat.

Rund 1 500 Neubürger sorgten für die Industrialisierung des vorher knapp 700 Einwohner zählenden, landwirtschaftlich geprägten Dorfes. So entstand ein neues Zentrum des westdeutschen Instrumentenbaus – auch wenn inzwischen die wachsende Billigkonkurrenz aus Japan und China zu einer Dezimierung der Beschäftigtenzahl von einst 1 800 auf etwa 200 beigetragen hatte. Die Firma Pyramid mit ihren 30 Beschäftigten wird in sechster Generation von Max Junger geführt und ist seit Ende des Ersten Weltkriegs auf die Produktion von Saiten spezialisiert. Die Fertigung von Stimmpfeifen, 1953 eingegliedert, wurde 2016 eingestellt.

Speziell gefertigte Saitensätze

Der Familienbetrieb stützt sich auf die jahrzehntelange Treue der Beschäftigten und Kunden, aber auch auf extreme Flexibilität. Einzelanfertigungen stellen kein Problem dar. "Das hat bei uns seit Langem Tradition", sagt Junger. Die Spezialmaschine müsse für Kleinstserien zwar eigens aufwendig eingestellt werden. "Aber diese Variabilität zeichnet uns aus, verbessert das Image, unterscheidet uns von den Massenherstellern", so der Geschäftsführer. Jeder Musiker hat die Möglichkeit, einen speziell auf ihn zugeschnittenen Saitensatz zu ordern. Auf eigens erstellten Computerprogrammen werden alle Kombinationen aus Material, Mensur und Stimmung berechnet und deren Machbarkeit vorab geprüft.

Klassische Instrumentalisten schätzen diese Anpassungsfähigkeit ebenso wie Rockmusiker. "Viele der Stones, Beatles, Claptons und Becks dürften in den 60er Jahren auf Produkte unserer Marke zurückgegriffen haben, da unsere Saiten – nach einem Embargo der USA – auch in England sehr verbreitet waren", berichtet Junger. Dazu passt, dass die Fertigung komplett von Hand auf teils alten Maschinen aus den 60er Jahren läuft, die immer noch "top in Schuss" seien. "Diese Handarbeit ist hinsichtlich der Präzision jeder industriellen Fertigung ebenbürtig, wenn nicht überlegen", sagt der Firmenchef selbstbewusst. Zu sehen ist das am Beispiel einer Harfensaite: Der Kern der Saite rotiert, elektronisch gesteuert, auf einer Maschine, die haarfeine Umwicklung wird jedoch von Hand geführt. "Diese Schritte werden bei uns nur von Frauen gemacht, da sie wesentlich mehr Akribie und Feingefühl mitbringen", erklärt Junger.

Die Saite gilt als wichtigstes verbindendes Element bei einer Gitarre, aber auch bei anderen vergleichbaren Instrumenten. Sie wird durch den Musiker in Schwingung versetzt, transformiert damit Dynamik und Ausdruck in Ton und erzeugt den Klang. Die Gleichmäßigkeit der Wicklung ist dabei absolut notwendig – und es dauert etwa eineinhalb bis zwei Jahre, bis eine Saitenspinnerin diese Kunst beherrscht. "Spinnautomaten wie in den großen amerikanischen Firmen kann halt jeder bedienen", sagt der Geschäftsführer. Das Bubenreuther Unternehmen brauche jedoch Leute, die man anlernen müsse. "Und diese müssen Tausende von Saiten gesponnen haben, ehe sie es wirklich können." Das sei vielleicht die größte Herausforderung von heute, nämlich genügend Fachpersonal zu bekommen, so Jungers Einschätzung.

Saiten für die Welt

Dennoch sieht sich Pyramid gerüstet: Heute werden alle Arten von Saiten aus Stahl, Nylon, Bronze oder Darm hergestellt, selbst für historische Instrumente wie Gamben oder Vihuelas, und in mehr als 70 Länder der Welt exportiert. Die USA, Asien und die arabischen Staaten – wo das Kanun, die 84-saitige orientalische Zither, sich wachsenden Zuspruchs erfreut – gelten mit jeweils zehn Prozent Anteil als wichtigste Exportländer. 15 Prozent entfallen auf Europa, 55 Prozent verbleiben im Inland. Die 30 Beschäftigten, die einen Jahresumsatz von 1,5 Mio. Euro erzielten, arbeiten am Hauptstandort in der Bubenreuther Sudetenstraße mit 1 200 Quadratmetern Nutzfläche und in einem Zweigbetrieb in Eckental. Das Unternehmen ist auf den wichtigsten internationalen Messen vertreten, in Frankfurt ebenso wie in Los Angeles, Chicago, Melbourne, Tokio, Shanghai, Singapur und Moskau. Für 2025, zum 175-jährigen Bestehen, ist die Herausgabe eines umfangreichen Buches geplant.

Bleibt nur noch das Rätsel des Firmennamens zu lösen: Das 20. Jahrhundert erlebte einen Ägypten-Hype, beispielsweise in der Architektur und in der Mode. Dieser Welle folgte auch die damalige Firma Anton A. Osmanek. Es entstanden Musiksaiten unter dem Label "Pyramid". Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Wiederanfang unter dem Namen "Saitenfabrik Karl Junger" und der späteren Umfirmierung in "Pyramid Saiten- und Stimmpfeifenfabrik Junger GmbH" werden alle Produkte unter dem Markennamen "Pyramid" vertrieben. Heute ist das Logo in der Musikindustrie weltweit bekannt.

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2021, Seite 90

 
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