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Cluster Bahntechnik

Die Schiene attraktiver machen

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Wie kann der Bahnverkehr zukunftsfähig gestaltet werden? Mit dieser Frage befasst sich das in Nürnberg ansässige Netzwerk.

Mit dem „Adler“ schrieb die Region Nürnberg vor nicht ganz 200 Jahren deutsche Technikgeschichte: Am 7. Dezember 1835 fuhr die erste mit einer Lokomotive betriebene Eisenbahn auf deutschem Boden mit einer Geschwindigkeit von bis zu über 60 Stundenkilometern die etwa sechs Kilometer lange Strecke von Nürnberg nach Fürth in nur neun Minuten. Damit war die mittelfränkische Region schon damals Vorreiter in Sachen Bahntechnik. Auch heute noch spielt der Großraum bei dieser Technologie eine wichtige Rolle: In Bayern – und speziell in der Metropolregion Nürnberg – sind zahlreiche der bedeutendsten Lieferanten für den Schienenverkehrs angesiedelt. Dazu gehören Welt-Unternehmen wie Siemens, Alstom, Bombardier und Knorr-Bremse sowie viele wichtige mittelständische Unternehmen, die sich auf Bahntechnik spezialisiert haben. Auch das größte europäische Bahnunternehmen, die Deutsche Bahn, hat mit DB Systemtechnik ein zentrales Entwicklungszentrum in Bayern.

Bei der Bahntechnik handelt es sich um einen wichtigen Wirtschaftszweig: Derzeit erwirtschaftet die deutsche Bahnindustrie mit rund 50 000 direkt und etwa 150 000 indirekt Beschäftigten einen jährlichen Umsatz von rund zwölf Mrd. Euro und hält damit einen bedeutenden Anteil am Weltmarkt. Die Bahnindustrie in Deutschland zählt dabei technologisch zu den Weltmarktführern. Und daran hat auch die Region Nürnberg einen großen Anteil: Allein im laufenden Jahr will die Deutsche Bahn 2,35 Mrd. Euro in die bayerische Infrastruktur investieren. Weit über 300 Kilometer Gleise, rund 325 Weichen, fast 30 Brücken und etwa 130 Bahnhöfe und Haltepunkte sollen laut DB erneuert werden, beispielsweise die Hauptbahnhöfe Nürnberg, Augsburg und München. Bundesweit soll die Rekordsumme von 13,6 Mrd. Euro in die Schieneninfrastruktur fließen – 900 Mio. Euro mehr als im Vorjahr. Damit soll zum einen mehr Platz auf der Schiene entstehen, beispielsweise durch den Bau zweier zusätzlicher Gleise zwischen Nürnberg und Bamberg. Zum anderen will die Bahn die Digitalisierung vorantreiben, u. a. durch das erste digitale Stellwerk in Donauwörth, das die Hochgeschwindigkeitszüge steuern soll.

Teil der Cluster-Offensive Bayern

Um die Bedeutung der Branche zu würdigen, hat die Bayerische Staatsregierung bereits vor einiger Zeit den Cluster Bahntechnik geschaffen. Er ist Teil der Cluster-Offensive Bayern mit 17 Plattformen in High-Tech-Industrien sowie auch in traditionellen Branchen. Damit sollen die Kompetenzfelder in Bayern besser vernetzt werden. Aufgabe ist es, alle Beteiligten wie Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammenzubringen. Das Management des Clusters Bahntechnik übernimmt der Verein Center for Transportation & Logistics Neuer Adler (CNA e.V.) mit Sitz in Nürnberg. Ziel dieses „Think Tanks für Transport, Verkehr & Logistik“ ist nach eigenen Angaben, die Wettbewerbsposition der Branchen Verkehr und Logistik entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stärken und weiterzuentwickeln – von der Forschung bis zum Endprodukt. Dazu sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder durch Kooperationen gefördert und Forschungsergebnisse schnell als Produkte auf den Markt gebracht werden. Das soll die Innovationsdynamik im Freistaat erhöhen.

Gegründet wurde der CNA e.V. 1996 von Kommunen, IHK, Instituten und Unternehmen der Metropolregion Nürnberg als Netzwerk für Verkehr und Logistik, um „Innovationen im Mobilitätssektor für die Region und ihre Wirtschaft zu finden und zu fördern“. Heute hat er mehr als 150 Mitglieder und über 650 Kompetenzpartner aus den Branchen Transport, Verkehr und Logistik. Der Cluster Bahntechnik soll die Kompetenzen der Partner bündeln, beispielsweise durch die Initiierung von Innovationsprojekten. In den Innovation Circles, also den Dialogplattformen des Think Tanks zu den Themen Infrastruktur und Energie, Betrieb und Instandhaltung, Zugsteuerung und -sicherung sowie Fahrzeuge werden laut Cluster-Offensive Bayern innovative Projekte angestoßen. Die Umsetzung findet in zahlreichen Projektgruppen statt. Darüber hinaus gibt es überregionale Veranstaltungen wie das „Forum BahnTechnik Bayern“.

Der CNA e.V. / Cluster Bahntechnik ist auch Gründungsmitglied der European Railway Clusters Initiative (ERCI). Mit 15 weiteren Innovationsclustern der Bahntechnik in Europa will der Cluster Bahntechnik Bayern seit 2010 Synergieeffekte nutzen und das Netzwerk weiter ausbauen. Insgesamt soll damit die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen gesteigert und die Zusammenarbeit auch auf europäischer Ebene unterstützt werden.

Die Arbeit der Innovation Circles im Cluster Bahntechnik deckt alle wesentlichen Bereiche der Bahntechnik ab: Im Bereich Fahrzeuge geht es u. a. um Schienenfahrzeuge aller Art, Antriebssysteme, Interieur sowie Fahrwerk. Die Schwerpunkte im Bereich Betrieb und Instandhaltung liegen auf Wartung, Instandhaltungskonzepten und Fahrassistenzsystemen. Der Bereich Infrastruktur umfasst die Themen Ladestationen und -infrastruktur, digitale Streckenplanung, Bautechnik, moderne Inspektion sowie Lärmschutz. Zum Themenfeld Energie gehören Energiespeicher, Elektrifizierung, Hybrid-Technologien sowie Ladestationen und -infrastruktur. Im Bereich Zugsteuerung und -sicherung geht es u. a. um fahrzeug- und streckenseitige Steuerung und Sicherung, Signalgebung Automatisierung oder IT-Sicherheit.

Seit 2020 gibt es das Projekt „Bahnautonom Bayern 2029 – Automatisiertes Bahnfahren auf Nebenstrecken im ländlichen Raum“: Dabei soll im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht werden, welches Potenzial hochautomatisierter Bahnverkehr auf Nebenstrecken hat und wie Betreiber, Fahrgäste und die öffentliche Hand davon profitieren können. Die Initiative sieht hier Potenziale für eine bedarfsgerechte Verdichtung der Fahrplantaktung und damit eine erhöhte Attraktivität des Schienennahverkehrs. In dem Projekt wird nicht die Strecke oder das Stellwerk automatisiert, sondern das Fahrzeug. So soll mit der autonomen Steuerung ein kostengünstiger Betrieb auf Nebenbahnstrecken möglich werden. Teststrecke für das Projekt ist die Nebenstrecke zwischen Forchheim und Ebermannstadt, die vom Regensburger Eisenbahn-Verkehrsunternehmen Agilis im Auftrag des Freistaates Bayern betrieben wird. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll auf der Wiesenttal-Strecke ein regulärer und autonomer Betrieb mit Taktverdichtung entstehen. Zudem ist geplant, dass bis zum 200-jährigen Bestehen der Eisenbahn in Bayern weitere regionale Nebenstrecken vollautonom betrieben werden.

IT-Sicherheit in der Bahntechnik

Der 2019 gegründete Arbeitskreis IT-Sicherheit in der Bahntechnik soll die Gefährdungslage bei Bahnfahrzeugen analysieren. Denn die starke Vernetzung der Systeme erleichtert zwar den Betrieb und die Instandhaltung, allerdings macht sie die Systeme anfällig für Angreifer. Die IT-Sicherheit gewinnt deshalb an Bedeutung und der Gesetzgeber fordert Maßnahmen, um das Risiko für kritische Infrastruktur zu reduzieren. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen für Betreiber und Hersteller von Schienenfahrzeugen. Die Gruppe hat nun eine generische Sicherheitsarchitektur für Schienenfahrzeuge erarbeitet.

Umweltfreundliche Rangierlokomotiven 

Ein früheres Projekt des Clusters Bahntechnik ist die H3-Hybrid-Rangierlokomotive. Die umweltfreundlichen Rangierlokomotiven werden seit 2015 in Nürnberg und Würzburg getestet. Der Einsatz erfolgt in der durch den Freistaat Bayern geförderten Modellregion Franken für innovative Antriebstechnologie. Die dreiachsige Lokomotive verbraucht nur etwa die Hälfte des Kraftstoffs einer herkömmlichen Rangierlok. Dadurch wird auch der Schadstoffausstoß um gut zwei Drittel reduziert. Die Dieselgeneratoren haben Partikelfilter und erfüllen die strengen Abgasnormen. Den weitaus größten Teil fährt die Lok im Batteriebetrieb. Damit ist emissionsfreier Schienenverkehr im lokalen Bereich wie zum Beispiel in Innenstadtbereichen möglich. Die Lok erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von rund 100 Stundenkilometern. Ziel des Projektes ist es, die technische und wirtschaftliche Serienreife einer Hybrid-Rangierlokomotive im täglichen Einsatz nachzuweisen. Getestet werden u. a. die Betriebstauglichkeit der Hybridtechnologie sowie die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs, der Schadstoffemissionen und des Instandhaltungsaufwands.

Autor/in: 

leo.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2022, Seite 38

 
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