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Ukraine-Krieg

Wirtschaft unter Schock

Ukraine-Russland-Krieg © OLGA-Zhukovbskaja/GettyImages.de

Sorgen wegen wirtschaftlicher Folgen und große Hilfsbereitschaft: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine treibt die Unternehmen um.

Wir haben angesichts der beispiellosen Aggression gegen die Ukraine großes Verständnis für die Sanktionen gegen Russland und tragen sie vorbehaltlos mit.“ Das erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch kurz nach Beginn des Angriffskrieges. Es bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass die beschlossenen Maßnahmen auch für die deutsche Wirtschaft – und damit auch für die exportstarke Region Mittelfranken – überaus schmerzhaft sein werden. So sei davon auszugehen, dass der Handel mit Russland durch die Finanzsanktionen weitgehend zum Erliegen kommen dürfte, so Lötzsch auch mit Blick auf die zahlreichen Unternehmen, die ihre Geschäftskontakte mit dem Land inzwischen eingestellt haben. Zu begrüßen sei deshalb die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Unternehmen zu helfen, die von der Ukraine-Krise besonders betroffen sind.

Russland und die Ukraine sind auch für Mittelfranken wichtige Lieferanten von Energie, Rohstoffen und Vorprodukten. Der Wegfall dieser Lieferungen stellt Wirtschaft und Gesellschaft vor große Herausforderungen bezüglich der Versorgungssicherheit, auch die Lieferkettenproblematik wird sich nach Einschätzung Lötzschs nochmals verschärfen: „Wir müssen uns auf weiter steigende Preise vor allem bei Energie und Rohstoffen einstellen, die die Inflation nochmals anheizen könnten.“

Wirtschaft bereits stark betroffen

Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hat Ende März bestätigt, dass der Krieg die deutsche Wirtschaft bereits jetzt in der ganzen Breite trifft: Fast 80 Prozent der befragten Betriebe sehen schon geschäftliche Folgen des Krieges. 60 Prozent der Unternehmen berichten von Auswirkungen wie steigenden Preisen oder gestörten Lieferketten, rund 20 Prozent nennen direkte Folgen – etwa den Verlust von Kunden oder Lieferanten. Ein Großteil der befragten Unternehmen berichtet von höheren Energiekosten. Zwei Drittel sehen sich laut DIHK-Umfrage gezwungen, die hohen Kosten in Form von Preissteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben.

Besonders die Energiepreise treiben die Unternehmen um, so auch DIHK-Präsident Peter Adrian, der dabei vor allem die energieintensiven Industriebetriebe im Blick hat: „Die historisch hohen Strom- und Energiepreise bedrohen viele deutsche Unternehmen in ihrer Existenz. Nahezu alle Branchen sind inzwischen von den dramatischen Preissteigerungen bei Strom, Gas und Kraftstoffen betroffen. Daher benötigen viele deutsche Unternehmen kurzfristig klare Signale aus der Politik.“ Die Beschlüsse der Regierungskoalition wie die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die DIHK-Vollversammlung hat in einer Resolution zehn konkrete Schritte vorgeschlagen, um Unternehmen dauerhaft zu entlasten und um die Energieversorgung, aber auch Beschäftigung und Produktion in Deutschland zu sichern. Gefordert werden u. a. die Diversifizierung des Energiebezugs, die Senkung von Steuern und Abgaben auf Strom- und Energiepreise sowie der Schutz vor Carbon Leakage (Ausweichen umweltschädlicher Produktion in Länder mit niedrigeren Umweltstandards).

Problem Versorgungssicherheit

Auch die bayerischen IHKs verlangen durchgreifende Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dr. Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), stellte klare Forderungen an die Politik: „Es müssen jetzt alle Instrumente auf den Tisch, die unsere Energieversorgung stabilisieren und das Energieangebot unabhängig von russischen Lieferungen zu erhöhen. Die aktuell vom Bund vorgesehene Benachteiligung der Wasserkraft gegenüber Wind- und Solarenergie oder einen vorschnellen Verzicht auf Strom aus Kohle und Kernkraft lehnen wir aus bayerischer Sicht ab.“ Vordringlich seien zudem auch diese Maßnahmen: forcierter Ausbau der erneuerbaren Energien, Aufbau einer Infrastruktur für Flüssiggas (LNG) und intensive Förderung innovativer Technologien wie Wasserstoff und Bio-Erdgas. „Hier müssen wir die Turbo-Taste drücken“, so Gößl. Angesichts der Preisexplosionen agierten viele Betriebe, aber auch Selbstständige wie Taxifahrer schon jetzt am Rand der Verlustzone. Um sie zu schützen, müssten kurzfristig die staatlichen Abgaben auf jede Form von Energie auf die Mindestsätze gesenkt werden. „Außerdem brauchen besonders betroffene Unternehmen Schnellkredit- und Eigenkapitalprogramme“, so der BIHK-Hauptgeschäftsführer. Ein zu abrupter Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland würde die bayerische Wirtschaft ins Mark treffen, mit fatalen Folgen für energieintensive Industriebranchen. Zudem würde es Dominoeffekte durch Produktionsausfälle und massive Preissprünge quer durch alle Sektoren geben. Das Ersetzen von russischem Gas sei nun eine gigantische Aufgabe für die Energiepolitik.

Zu den Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen kommt die Erschütterung über die Opfer des Krieges. Das hat auch bei den Unternehmen große Hilfsbereitschaft ausgelöst. „Uns berührt das Schicksal der vielen Menschen, die unter diesem furchtbaren Krieg leiden müssen“, so Markus Lötzsch. „Bei der Aufnahme und beruflichen Integration von Flüchtlingen werden wir unsere Expertise und unsere Erfahrungen aus der Flüchtlingswelle 2015/2016 voll einbringen.“

Initiative „#Wirtschafthilft“

Zudem unterstützt die IHK Nürnberg die Aktion „#Wirtschafthilft“ – eine gemeinsame Initiative der Spitzenverbände Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die IHK sammelt auf ihrer Webseite unter www.ihk-nuernberg.de/wirtschaft-hilft Informationen zu Hilfsaktionen und Unterstützungsangeboten für Menschen in und aus der Ukraine. Die Informationen werden laufend aktualisiert. Die Angebote reichen von der Versorgung mit Hilfsgütern bis zur Aufnahme von geflüchteten Menschen.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2022, Seite 14

 
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