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Stadtentwicklung

Zusammen mehr Leben in die Städte bringen!

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Business Improvement Districts (BID): Was können die privaten Initiativen gemeinsam mit den Kommunen leisten?

Mehr Leben in die Stadtteile bringen, mehr Umsätze bei den Gewerbebetrieben generieren und die Zusammenarbeit im Quartier verbessern: Dies soll durch sogenannte Business Improvement Districts (BID) gelingen. Beim BID-Kongress in der IHK Nürnberg für Mittelfranken wurden vor Kurzem die Geschichte, die Organisationsformen und die Erfahrungen mit diesem städtebaulichen Instrument diskutiert.

Ein BID ist ein klar definierter Raum in Innenstädten, Stadtteilzentren oder im Umland und soll die Attraktivität steigern oder die entsprechenden Quartiere wieder beleben. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass im Landesrecht die gesetzlichen Bedingungen geschaffen werden, um BIDs auch im Freistaat zu ermöglichen. Dann könnten Einzelhändler, Gastronomen, Immobilieneigentümer, Dienstleister und andere Akteure in einem bestimmten Areal die Initiative ergreifen und sich für einen bestimmten Zeitraum zusammenschließen. Kommt ein BID zustande, sind alle Unternehmer und Eigentümer in der – finanziellen – Pflicht, sich gemäß dem selbst festgelegten Finanzierungsplan zu beteiligen, um die beschlossenen Projekte umzusetzen. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass „Trittbrettfahrer“ vom Engagement der Nachbarn profitieren, ohne selbst in den Geldbeutel zu greifen. 

Mit dem Kongress wollte die IHK Nürnberg unterstreichen, dass sie BIDs als ein wichtiges Instrument sieht. Schon 2013 hatte der IHK-Ausschuss für Handel und Dienstleistung eine Resolution mit dem Titel „BIDs gesetzlich ermöglichen – Eigenverantwortung der Wirtschaft stärken“ verabschiedet. Ein erprobtes Konzept: 15 Prozent der Grundstückseigentümer eines räumlich abgegrenzten Bereichs stellen einen Antrag auf Einrichtung eines BIDs. Gibt die öffentliche Hand grundsätzlich grünes Licht, ist von den Initiatoren ein Maßnahmenplan zu erarbeiten. Dem müssten dann 75 Prozent aller betroffenen Unternehmer und Eigentümer zustimmen. „Das bedeutet gelebte Eigenverantwortung der Wirtschaft“, betont Claudia Schöpf, IHK-Expertin für Immobilienwirtschaft und Standortentwicklung. In dieser besonderen Form von Public-Private-Partnerships (PPP) werden dann üblicherweise für drei bis fünf Jahre gemeinsam Maßnahmen finanziert und umgesetzt, um eine Aufwertung des Viertels zu erreichen.

Während es in anderen Bundesländern, allen voran der Hansestadt Hamburg, bereits einen entsprechenden Rechtsrahmen gibt, findet sich in Bayern noch kein BID-Gesetz. Das wäre allerdings angesichts der aktuellen Herausforderungen für die Innenstädte eine große Hilfe, so die IHK. Denn das veränderte Konsumverhalten etwa durch das Online-Shopping, das durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde, habe den innerstädtischen Strukturwandel beschleunigt. Einige der Folgen: sinkende Kundenfrequenz und Umsatzeinbußen im stationären Handel, mehr Leerstände und damit Wertverluste der Immobilien.

Erfahrungen in anderen Bundesländern 

Auf dem BID-Kongress erinnerte Tine Fuchs, Abteilungsleiterin Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen beim Verein ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, daran, dass die internationale Erfolgsgeschichte der BIDs Anfang der 1970er Jahre im kanadischen Toronto begann. Heute sei das Stadtentwicklungsinstrument in den Landesgesetzen von zehn Bundesländern verankert.

Außerdem übernehme ein BID „keine hoheitlichen Tätigkeiten oder kommunale Daseinsvorsorge“. Vielmehr gehe es um sogenannte On-Top-Services, um auf Feldern wie Branchenmix, Marketing, Service, Organisation oder Stadtgestaltung voranzukommen. Derzeit gebe es deutschlandweit rund 30 laufende BID-Projekte, die Immobilienwirtschaft habe bereits knapp 100 Mio. Euro hierfür investiert. Als wichtige Erfolgsfaktoren von BIDs sieht Fuchs nicht nur die Stärkung des Handels, sondern auch die Aspekte Essen und Trinken, Treffen sowie Kultur.

Über das Konzept der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Barmen-Werth in Nordrhein-Westfalen berichteten Grundeigentümer Oliver Alberts, der zugleich ISG-Vorstandsvorsitzender ist, und Dr. Daria Stottrop, Leiterin des Geschäftsbereichs International der Bergischen IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid. Die ISG, wie die BIDs in NRW heißen, geht im kommenden Jahr bereits in die dritte Runde. Die Initiative habe sich u. a. für die Grundeigentümer bewährt, um etwa eigene Vorstellungen zu realisieren. Als Vorteil in der Praxis habe sich auch das feste Handlungs- und Finanzierungskonzept sowie der begrenzte zeitliche Rahmen herausgestellt. Nach Laufzeiten von jeweils fünf Jahren ist die dritte Auflage der ISG Barmen-Werth nun auf drei Jahre ausgelegt. Das PPP Barmen-Werth bezeichneten Alberts und Stottrop auch deswegen als Erfolgsmodell, weil sich die Akteure besser kennengelernt hätten und es deshalb zu einer verlässlichen Zusammenarbeit gekommen sei.

Martin Eisenmann von der IHK Region Stuttgart berichtete auf dem Kongress von den Hemmnissen für BIDs durch die Landesgesetzgebung in Baden-Württemberg. Dort gibt es nach jahrelangem Prozess seit 2015 das „Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative“, in dem die BIDs als „Eigentümergetragene Aufwertungsbereiche“ (EA) geregelt werden. Allerdings betone das Gesetz in der Praxis die Rolle der Kommune zu stark, der geforderte, bürokratische Aufwand sei zu hoch und es fehle die Unterstützung der Initiativen – vor allem finanzieller Art. In jüngerer Zeit hätten im „Ländle“ drei relevante Initiativen eine gewisse Reife erlangt, allerdings ohne in die operative Handlungsfähigkeit zu gelangen. Nun wollen die IHKs auf Landesebene initiativ werden, um eine Überarbeitung des Gesetzes in Baden-Württemberg zu erreichen.

Für das BID-Projekt „Karree Offenbach“ zog Frank Achenbach von der IHK Offenbach am Main auf dem Kongress eine gemischte Bilanz: Nach zwei fünfjährigen Phasen sei die Abwärtsbewegung lediglich gebremst worden, es seien aber keine neuen Anziehungspunkte geschaffen worden. Die Rolle der Stadt beschrieb Achenbach folgendermaßen: begrenzte Investitionsbereitschaft ohne besondere politische Priorität. Aber es gebe auch interne Probleme: Dem „Karree Offenbach“ sei es nicht gelungen, ein stabiles und leistungsfähiges Innenstadt-Management zu etablieren und die Stadtgesellschaft mit ihren zahlreichen Akteuren einzubinden. Es habe aber auch Erfolge gegeben, etwa beim Marketing und bei der Winterbeleuchtung. Das Wichtigste seien drei Erkenntnisse: Erstens darf man den Fokus nicht nur auf das Thema Einkaufen legen. Zweitens: Private Akteure können die Transformation nicht alleine bewältigen, sondern brauchen Unterstützung. Und drittens ist eine Offenheit für innovative Ansätze nötig.

Für die Neuausrichtung der Offenbacher Initiative wurde 2020 ein Zukunftskonzept beschlossen, das aus Kunden- und Bürgersicht Anforderungen für die Zukunft der „Offenbacher Mitte“ gibt. Dabei stehen nun unter Regie der Stadtverwaltung die Themenfelder Multifunktionalität, hybride Nutzungen, neue öffentliche Orte sowie die Innenstadt für alle im Mittelpunkt. In der laufenden Umsetzung wurde etwa mit der Stadtbibliothek ein neuer öffentlicher Ort geschaffen. Weitere Impulsprojekte sind ein Zukunftsfoyer im Rathaus, das Kultur-Event „Urban Art Biennale“ oder ein Feste-Programm. Achenbach zog folgende Bilanz: „Das BID ist nicht endgültig beerdigt und gemeinsam mit der Lokalpolitik ist mehr Leben in die Stadt gekommen.“

Die Rolle der Stadtverwaltung

Am Beispiel Hamburg rückte Frithjof Büttner, in der Hansestadt seit 2006 BID-Beauftragter der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, die Rolle der Verwaltung in den Fokus. Er hat rund 40 BID-Projekte begleitet, die etwa auf höhere Mieten für Eigentümer, steigende Kundenfrequenz und Umsätze für die Händler abzielten. Zu den Erfolgsfaktoren für die Initiativen zählte er u. a. eine Persönlichkeit, die als „Alphatier“ vorangehe und sich für das BID einsetzt, sowie Zeit und Geduld. Es gehe nie so schnell voran wie geplant. Außerdem sei die Unterstützung von Politik und Verwaltung elementar. Beide müssten den BIDs ausreichend Aufmerksamkeit widmen und auch Mitarbeiter dafür abstellen. Büttner räumte ein, dass mit jeder Gesetzesänderung die BID-Verfahren immer bürokratischer wurden. Für den Erfolg des BID sei daher mit entscheidend, dass die Bürokratie nur von Seiten der Verwaltung spürbar sei, aber die privaten Akteure nicht behindere.

Büttner ermunterte die Zuhörer, die Vorteile der Privatinitiative bei BIDs zu sehen. Anstatt nur auf kommunale Aktivitäten im Quartier zu vertrauen, könne man mit Eigeninitiative und der „Zwangsgemeinschaft durch Satzung“ große Budgets bewegen. In Hamburg übernehme die Stadt die Inkassofunktion für die Beiträge. Für Flächenländer kann er sich auch eine Agentur oder eine Landesstabstelle vorstellen, die die privaten Akteure und die Kommunen kompetent berät. Dies könnte auch durch die IHKs geschehen.

Im Saarland trat 2007 das BID-Gesetz „Bündnisse für Investition und Dienstleistung“ in Kraft mit einer begrenzten Laufzeit von zehn Jahren. Seit 2017 trat dann die unbefristete Novelle in Kraft. Mit dem gesetzlichen Rückenwind setzte in vielen saarländischen Kommunen ein Dialog zur Gründung eines BIDs ein, berichtete Leander Wappler, Leiter Unternehmensförderung bei der IHK Saarland. Aber in den wenigsten Fällen ging dies über grundlegende Informationen hinaus. Aus Sicht von Wappler ist trotzdem klar: „Beim BID ist der Weg das Ziel.“ Nur auf diese Weise habe man Eigentümer und Händler an einen Tisch bekommen. Der Austausch mit Stadtverwaltungen führte dann häufig dazu, dass Stadtmarketing-Prozesse initiiert oder ausgeweitet wurden. 

Erfolgsfaktoren in der Praxis

Das BID Burbach, das erste BID-Projekt im Saarland, startete 2010 und brachte 100 Grundstückseigentümer unter einen Hut. Im Jahr 2011 gewann es den Award als bestes BID in Deutschland. Nach fünf Jahren endete allerdings die Initiative. Das lag u. a. daran, dass sich beim maßgeblichen Gewerbeverein zu wenige „Macher“ fanden, die das Projekt voranbringen wollten. Das BID Sulzbach scheiterte in der Phase der Antragstellung, weil das Projekt kurz vor dem Ziel bei einer Kommunalwahl zwischen die politischen Fronten geriet. In Homburg/Saar fehlten zunächst für das BID „Talzentrum“ die geeigneten Akteure. So brachte sich die IHK Saarland als „Initiator und Ideengeber“ ein, sodass sich das BID nun immerhin in Gründung befindet. Die Einkaufspassage zeichnet sich durch kleinteiligen Flächenbesatz, Leerstände und viele Wohnungen aus, die baulich durch ein Arcadendach im Baustil der 1970er Jahre verbunden sind. Wappler sorgte zunächst für eine verbindliche Aufgabenverteilung, initiierte Gesprächsrunden mit Mehrfacheigentümern und holte die kommunalen Parteien ins Boot. Mittlerweile hat der Homburger Bürgermeister das BID-Projekt als „Chefsache“ an sich gezogen und ein zentraler Ansprechpartner in der Verwaltung koordiniert als „BID-Lotse“ die Abläufe, um z. B. den Finanzbedarf und juristische Fachfragen zu klären. Für Wappler ist die Rolle der Kommune ein wichtiger Erfolgsbaustein: „Die Gemeinde unterstützt und ist Partner bei der finalen Umsetzung.“

Frank Heinze von der Dortmunder Beratung Heinze und Partner räumte in seinem Vortrag mit „populären Irrtümern“ auf. Dazu zählte er etwa die Vorstellung vom „BID als Zwangsinstrument“. In erster Linie benötigten BIDs den Dialog im Quartier, das gelte für die Einrichtung und auch für die Verlängerung. Bei einem notwendigen Zustimmungsquorum von beispielsweise 70 Prozent entscheide aus seiner Sicht eine Minderheit mit 30 Prozent Stimmenanteil über den Erfolg eines BID-Projektes. In der Praxis habe sich zudem gezeigt, dass für manche Innenstadtlagen die Selbsthilfekräfte eines BIDs nicht ausreichen: „Quartieren in ,Pflegestufe 2 und 3´ ist damit in der Regel nicht mehr zu helfen.“ Für ein erfolgsversprechendes BID-Konzept sei daher auch der räumliche Zuschnitt wichtig. Schwierig könne es mit zu vielen oder zu wenigen Immobilien sowie mit zu starkem oder zu geringem Problemdruck werden. Auch zu geringe Mieteinnahmen oder zu hohe Wohnanteile könnten die BIDs ausbremsen.

Mit einem BID-Gesetz allein ist aus Heinzes Sicht noch längst keine Rechtssicherheit für den BID-Alltag erreicht. „Alle BID-Gesetze in Deutschland haben sehr, sehr viel Interpretationsbedarf aufgrund unbestimmter Rechtsbegriffe und meist fehlender Durchführungsbestimmungen.“ Daher müssten oft vor Ort die Ausgestaltung des Verfahrens, die Anforderungen an den BID-Antrag und die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Vertrags geregelt werden. Diese offenen Fragen reichen bis zu Details, ob etwa das BID nach öffentlichen Vergaberecht seine Mittel ausgibt, wie das Finanzamt die Mehrwertsteuerfrage handhabt oder wem eine Sitzbank gehört, wenn sich ein BID nach fünf Jahren auflöst.

IHK-Expertin Claudia Schöpf rechnet damit, dass es Bewegung bei der bayerischen Gesetzgebung gibt. Zumindest habe Baudirektor Christian Heck, stellvertretender Referatsleiter Städtebauförderung im Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, signalisiert, dass er die Impulse von der IHK-Veranstaltung weitergeben werde. Claudia Schöpf weiß aber auch, dass ein BID-Gesetz im Freistaat „kein Sprint, sondern ein Marathon ist“. 

Flankenschutz kommt mittlerweile auch von der IHK für München und Oberbayern. Die Kammer hatte zunächst 2014 die mittelfränkische Initiative mit dem Argument abgelehnt, dass die BIDs mit dem Ziel, Bürokratie durch Deregulierung einzudämmen, nicht vereinbar seien. Nach einer erneuten Bewertung der Chancen und Risiken in diesem Jahr positioniert sich nun auch die Münchner IHK als Befürworter: BIDs könnten einen Beitrag für erfolgreiche Innenstädte leisten und diese zu Orten der Kooperation und Partizipation aller Innenstadtakteure machen.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2022, Seite 20

 
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