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Garantiezusagen

Finanzverwaltung schaut genau hin

Garantie Zusage Prüfung © Intpro/GettyImages.de

Neue Regelungen ab 1. Januar: Was gilt steuerlich, wenn Verkäufer gegen Entgelt eine Garantiezusage geben?

Garantiezusagen werden in vielen Branchen als Mittel der Verkaufsförderung eingesetzt. Es handelt sich üblicherweise um Zusagen, die über gesetzliche Gewährleistungsrechte hinausgehen und für die gesonderte Entgelte verlangt werden. Die Ausgestaltungen sind vielfältig: Sie können insbesondere die Erstattung des Kaufpreises, den Anspruch auf Reparatur oder Kostenersatz oder den Ausgleich von Folgeschäden umfassen. Möglich ist ferner die Absicherung durch ein Versicherungsunternehmen, indem der Garantiegeber eine Rückversicherung oder eine Versicherung zugunsten des Kunden abschließt.

Unklar war in der Vergangenheit die steuerliche Seite der Garantiezusagen: Unterliegen sie der Umsatzsteuer oder der Versicherungsteuer? Die Finanzverwaltung hat sich in mehreren Schreiben positioniert. Spätestens ab 1. Januar 2023 sind entgeltliche Garantiezusagen – abgesehen von einigen Ausnahmen – der Versicherungsteuer zu unterwerfen und von der Umsatzsteuer befreit. Die Folgen für die betroffenen Unternehmen sind weitreichend, werden aber in der Praxis noch unterschätzt.

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in mehreren Schreiben zu umsatzsteuerlichen und versicherungsteuerlichen Konsequenzen von Garantiezusagen Stellung genommen. Auslöser war ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2018, wonach die entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers als eigenständige Leistung von der Umsatzsteuer befreit ist und der Versicherungsteuer unterliegt. Das BMF nimmt dabei – über das Urteil hinaus und branchenübergreifend – zu sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen Stellung.Die steuerlichen Grundsätze zu Garantiezusagen sollen zudem ausdrücklich branchenunabhängig gelten und daher über die Anwendung im Kfz-Bereich und für Kfz-Händler hinausgehen. Sie betreffen also alle Unternehmer, die entgeltliche Garantiezusagen, Produktgarantien etc. einräumen. Die Anwendungsregelungen wurden mehrfach geändert. Die Grundsätze des Schreibens sind also spätestens auf Garantiezusagen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 abgegeben wurden.

Umsatzsteuer oder Versicherungsteuer? Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH stellt eine entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung dar. Vielmehr ist sie als eigenständige Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) zu sehen. Diese ist nach der korrespondierenden Vorschrift des § 4 Nr. 10 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerfrei. Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung mit mehreren BMF-Schreiben aufgegriffen und verschiedene Fallkonstellationen für beide Steuerarten beleuchtet.

Das BMF bestätigt die Sicht des BFH, dass eine vertragliche entgeltliche Garantiezusage versicherungsteuerpflichtig, aber umsatzsteuerbefreit ist.Ob der Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung oder eine Reparaturleistung verspricht, soll unerheblich sein. Der Garantiegeber wird damit Steuerentrichtungsschuldner, d. h. er muss die im Entgelt enthaltene Versicherungsteuer anmelden und abführen. Wenn sich der Garantiegeber gegen den Eintritt der Garantiefälle bei einem Versicherer absichert, stellt dies eine Rückversicherung dar.

Vollwartungsverträge: Dies gilt jedoch ausnahmsweise nicht, wenn die Garantiezusage nur in Verbindung mit dem Abschluss eines Vollwartungsvertrages für den Kaufgegenstand erteilt wird. Dann liegt keine Versicherungs-, sondern eine umsatzsteuerpflichtige Leistung eigener Art vor. Konsequenterweise wird in diesem Zusammenhang eine Absicherung durch einen Versicherer als Erst- und nicht als Rückversicherung angesehen.

Wahlrecht des Käufers: Manchmal kann der Garantienehmer zwischen zwei Alternativen wählen, falls der Garantiefall eintritt: Entweder entscheidet er sich für die Reparatur durch den Verkäufer oder für den Ersatz der Reparaturkosten durch einen Versicherer, wenn ein entsprechender Versicherungsvertrag für fremde Rechnung besteht. Wenn diese Wahlmöglichkeit eingeräumt wird, gibt es zwei Versicherungsverhältnisse: Das auf Reparaturleistung gerichtete Versicherungsverhältnis besteht zwischen dem Käufer und dem Verkäufer, das auf Ersatz der Reparaturkosten gerichtete Versicherungsverhältnis dagegen zwischen dem Verkäufer und dem Versicherer, wobei der Käufer die versicherte Person ist.

Hat der Verkäufer hinsichtlich des Reparaturkostenersatzes einen Versicherungsvertrag zugunsten des Kunden als versicherte Person abgeschlossen und berechnet er dem Kunden einen Preisaufschlag, so unterliegt auch dieser der Versicherungsteuer. Steuerentrichtungsschuldner ist aber der Versicherer. Der Verkäufer ist dann verpflichtet, die Höhe des Verkaufsaufschlags dem Versicherer mitzuteilen, sofern er nicht als Versicherungsnehmer die Anmeldung und die Entrichtung der Steuer selbst vornimmt.

Weitreichende Folgen für die Praxis: Unternehmen, die derartige Garantiezusagen abgeben, müssen künftig eine Versicherungsteuernummer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) beantragen und fristgerecht ordnungsgemäße Versicherungsteueranmeldungen einreichen.

Die Umsatzsteuerbefreiung umfasst sowohl die Gewährung des Versicherungsschutzes als auch die Geldzahlung oder Sachleistung des Verkäufers (Versicherers) an den Käufer im Schadensfall. Der Verkäufer muss organisatorisch sicherstellen, die Garantieleistung nicht mit Umsatzsteuerausweis zu fakturieren. Denn dies wäre ein unrichtiger Steuerausweis, sodass allein deswegen Umsatzsteuer (zusätzlich zur Versicherungsteuer) geschuldet würde.

Ferner ist der Verkäufer – außer in Drittlandskonstellationen – in Bezug auf seine steuerfreien Garantieleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies betrifft Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Garantie und insbesondere dem Einkauf von Material für die Reparatur. Der Verkäufer muss also grundsätzlich schon im Beschaffungsprozess entscheiden, ob er Material für steuerpflichtige Leistungen oder zur Erfüllung steuerfreier Garantiezusagen verwenden will. Verwendet er bereits vorrätiges Material zur Erfüllung einer Garantiezusage, ist gegebenenfalls eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen.

Vorsteuerbeträge, die nicht direkt steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsumsätzen zuordenbar sind, können nur noch anteilig geltend gemacht werden. Es muss insoweit also eine Vorsteueraufteilung erfolgen (sogenannter Vorsteuerschlüssel) und nachvollziehbar dokumentiert werden.

Handlungsbedarf und Risikomanagement: Weil die Übergangsfrist schon am 31. Dezember 2022 ausläuft, sollten betroffene Betriebe baldmöglichst folgende Maßnahmen ergreifen:

  • analysieren, ob das eigene Unternehmen betroffen ist
  • bestehende oder geplante Vertragsverhältnisse analysieren (aus versicherungsteuerrechtlicher, versicherungsaufsichtsrechtlicher und umsatzsteuerlicher Sicht)
  • Handlungsoptionen identifizieren und bewerten
  • gegebenenfalls Verträge bzw. Garantiezusagen entsprechend anpassen und vereinheitlichen.

Sollten nach dem Stichtag entgeltliche Garantiezusagen abgegeben werden, muss der Themenkreis „Garantiezusagen“ bzw. „Versicherungsteuer“ in das Tax Compliance Management System („Steuerliches Internes Kontrollsystem“) des Unternehmens integriert und kommunikativ begleitet werden.

Dies erfordert insbesondere für Zwecke der Versicherungsteuer folgende Maßnahmen:

  • Zuständigkeiten für versicherungsteuerliche Themen zuweisen
  • Registrierung beim BZSt
  • neue Steuerkennzeichen im ERP-System einrichten
  • Deklarationsprozess mit geeigneten Kontrollen und Fristenmanagement entwickeln und implementieren

 

Maßnahmen für Zwecke der Umsatzsteuer:

  • Vorsteuerzuordnungs- und Vorsteueraufteilungskonzept entwickeln („Vorsteuerschlüssel“)
  • neue Steuerkennzeichen im ERP-System einrichten
  • Beschaffungsprozess anpassen (Prüfung des Vorsteuerabzugs anhand der beabsichtigten Verwendung und entsprechende Kontierung)
  • Faktura-Prozess zum korrekten Steuerausweis anpassen
  • Deklarationsprozess anpassen
  • einen Prozess zur Vorsteuerberichtigung entwickeln und implementieren

Die Mitarbeiter in den betroffenen Abteilungen sind zu schulen, sodass sie in der Lage sind, die relevanten Sachverhalte zu erkennen und zutreffend zu verarbeiten.

Autor/in: 

Prof. Dr. Gerhard Janott (Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Steuerberater) ist „Tax Partner“ bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit dem Fokus auf Umsatzsteuer und Tax Compliance Management (gjanott@kpmg.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2022, Seite 12

 
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