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Tessloff

Wissbegierde wecken

Tessloff © Thomas Tjiang

Tessloff-Geschäftsführerin Katja Meinecke-Meurer.

Die Mission des Nürnberger Verlags: Wissen kindgerecht vermitteln – ob analog oder digital.

Beim Winterspaziergang über eine geschlossene Schneedecke knirscht es um so lauter, je kälter es ist. Das liegt an den winzig kleinen Eiskristallen, aus denen Schneeflocken bestehen. Je höher die Minusgrade sind, desto brüchiger werden die Eiskristalle. Um den Nullpunkt wird das Knirschen leiser, da die Eiskristalle dann von einer dünnen Wasserschicht umgeben sind. Diese verringert die Reibung zwischen den Kristallen und damit auch das Knirschen im Schnee. Das ist eines der vielen Naturphänomene und Alltagsfragen, die der Tessloff Verlag Ragnar Tessloff GmbH & Co. KG kindgerecht erklärt und vermittelt.

Mit diesem Fokus hat sich der Kindersachbuchverlag seit über 75 Jahren am Markt behauptet. Flaggschiff ist die Buchreihe "Was ist was", von der mittlerweile 146 Bände erschienen sind. Zum Start erschienen "Unsere Erde" und "Der Mensch", zuletzt kam "Mythologie" auf den Markt und in Vorbereitung ist die "Toilette". Das Thema Toilette rangiere bei den Kinderfragen kontinuierlich unter den Top 50, weiß Tessloff-Chefin Katja Meinecke-Meurer, die gemeinsam mit Harald Greiner die Geschäfte führt. Sorgenfalten bekomme sie aber angesichts der sinkenden Lesefähigkeit von Grundschülern, die in der letzten Pisa-Studie diagnostiziert wurde. Demnach habe ein Viertel der Viertklässler Schwierigkeiten, Texte richtig zu lesen und zu verstehen. "Die Zahl der Haushalte in Deutschland, in denen es keine Bücher gibt, steigt." Das ist nicht nur für das Verlagsgeschäft eine Herausforderung, die Tessloff-Chefin sieht in dieser Entwicklung auch ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Schulische Grundfertigkeiten und ein Basisverständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge sind die Grundlage für eine gelungene Ausbildung oder Studium, die in eine erfolgreiche Berufslaufbahn führen.

Schrumpfende Kernzielgruppe

Das Buchgeschäft sorge bei Tessloff für den Großteil von Umsatz und Ertrag, sagt Meinecke-Meurer, ohne allerdings das Geschäft genauer zu beziffern. Generell sei der bundesdeutsche Markt stabil, Tessloff liege auch dank gestiegener Preise leicht über den Einnahmen der Vor-Corona-Zeit. Immerhin erreiche die Marke "Was ist was" in der relevanten Zielgruppe eine Bekanntheit von über 90 Prozent. Jedoch schrumpft die Kernzielgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen, was an den sinkenden Geburtszahlen liegt. Aber auch Eltern hat Tessloff als Absatzkanal im Visier. "Was ist was" wird mittlerweile in 40 Ländern vertrieben, das Auslandsgeschäft ist größer als der Inlandsverkauf. Zu den Auslandsmärkten gehören beispielsweise Osteuropa, aber auch China. Dort allerdings sei die Zahl der Titel geringer. Bücher mit für China bedenklichen Inhalten etwa in Sachen Geografie werden nicht angepasst, sondern erscheinen dann gar nicht. "An den Inhalten wird nichts geändert", unterstreicht Meinecke-Meurer. Aktuell schaut sie sich den US-amerikanischen Büchermarkt genau an: "Den finden wir interessant."

Der Fokus des Verlags liegt in der fachlichen und kindgerechten Aufbereitung, selbst wenn es um schwierige Themen wie Atome oder den Mond geht. Dafür sei man auch mit der Forschung gut vernetzt. "Wir kaufen keine Inhalte ein", so die Geschäftsführerin. Stattdessen setzten eigene Autoren die Themen so um, dass sie Spaß, Lust und Mehrwert bieten. Dafür sei ein Spagat notwendig, bei dem komplexes Fachwissen in Beziehung zu Kindern und ihren Alltagserfahrungen gesetzt wird. In den Büchern kommen auch manchmal Experten zu Wort, die von ihren Erlebnissen berichten. "Wir liefern Vorbilder, veranschaulichen den Sinn von Mathematik und zeigen, dass Wissen Spaß machen kann", führt Meinecke-Meurer aus. Gleichzeitig sorgt dieser Anspruch auch für Druck, die Inhalte immer auf dem neuesten Stand zu halten. Das Was-ist-was-Buch "Dinosaurier" ist ein echter Langläufer im Verlagsspektrum. Weil sich aber das Sachwissen durch neue relevante Funde ändert, ist es auch die Ausgabe, die bislang am häufigsten überarbeitet wurde.

Multimediales Sortiment

In den letzten Jahren hat Tessloff sein Programm multimedial ausgebaut. Es entstehen Fernsehserien, DVDs, Hörspiele, Apps, E-Books und Podcasts. Im Buchbereich entsteht neben "Was ist was" auch eine Junior-Line mit Hörstift, der Kindern z. B. Geschichten und Details von Tieren im Zoo erzählt. Zu lesen gibt es etwa die Abenteuergeschichten vom kleinen Major Tom oder die Kinderkrimireihe vom kleinen Medicus, die vom Arzt und Bestsellerautor Dietrich Grönemeyer verfasst sind. Außerdem gehören Lernhefte für Kindergarten und Grundschule zum Sortiment. Bereits im Jahr 2000 ging das hauseigene Online-Portal Wasistwas.de an den Start, um Kindern und Jugendlichen digital Wissen zu präsentieren. Bei den Audioprodukten von Tessloff haben die digitalen Podcasts die haptischen Tonträger wie CD längst überholt. Die Zahl der Downloads erreichte im Januar fast die Zwei-Millionen-Marke. Das Streamen ist nach wie vor kostenlos, aber Meinecke-Meurer versucht, darum ein Geschäfts- und Vermarktungsmodell aufzubauen. Zum digitalen Spektrum gehört auch die Was-ist-was-Variante "Alexa Skill", die über den virtuellen Sprachassistenten von Amazon funktioniert. Über dieses Tool kann sich die ganze Familie durch Was-ist-was-Themenwelten spielen. Das soll in Zukunft auch Umsätze einspielen, aber die Tessloff-Managerin sieht sich da noch ganz am Anfang.

Neuland zu erschließen scheint aber zum Erfolgsrezept des Verlages zu gehören. Der Verlegersohn Ragnar Tessloff gründete 1956 seinen Verlag und setzte zunächst auf Comics aus den USA. Er brachte die Familie Feuerstein, Lassie sowie Tom & Jerry nach Deutschland und baute sein Geschäft mit einem "Tom & Jerry Club" aus. 1961 erschienen die ersten Was-ist-was-Bände nach dem Vorbild der amerikanischen Sachbuchreihe "How and why". Die bis zu der Zeit unüblichen Fotodoppelseiten und kompakt aufbereiteten Texte stießen im deutschen Buchhandel zunächst nicht auf Gegenliebe, setzten sich dann aber durch. 1989 kaufte die Nürnberger Unternehmerfamilie Müller, damals bekannt etwa durch die Gelben Seiten, den Verlag.

Heute beschäftigt der Tessloff Verlag 67 Mitarbeiter überwiegend in Nürnberg sowie im Berliner Vertriebsbüro. Allein im Lektorat arbeiten 23 Beschäftigte. Personalmangel habe Meinecke-Meurer nicht: Weil Kinderthemen als sinnstiftend gelten, bekomme sie viele Bewerbungen. Allerdings hätte sie aus Gründen der Diversität gerne mehr Männer im Team: "Die sind bei uns Mangelware." Der Verlag will weiterhin seine Aktualität in gedruckter Form demonstrieren. Im Wahljahr 2024 kommt im Sommer der Band "Was ist was – Demokratie" heraus. Mitte Januar reagierte der Verlag auf die vielen Demonstrationen, die für eine starke Demokratie auf die Straße gingen. Daher erscheint im Februar eine auf dem neuen Buchband basierende Broschüre – in gedruckter Form, als Download auf der Verlags-Website und als E-Book. "Wir möchten Kindern die Demokratie und ihre Bedeutsamkeit näherbringen", so die Erklärung von Meinecke-Meurer. Das sei angesichts der aktuellen Entwicklungen elementar wichtig.

 

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2024, Seite 74

 
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