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Wirtschaftsstandort

Sind wir noch wettbewerbsfähig?

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IHK-Umfrage: Betriebe bewerten Standortfaktoren so schlecht wie selten.

Die mittelfränkische Wirtschaft stellt dem Standort Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus und äußert sich unzufrieden mit der derzeitigen Wirtschaftspolitik. Das gilt besonders für die Industrie, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aktuell für überaus unbefriedigend hält. Auch die Voraussetzungen für Forschung und Entwicklung hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Dies sind Ergebnisse einer aktuellen Standort-Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der sich rund 2 300 Unternehmen beteiligt hatten, davon 270 aus Mittelfranken. Deren Antworten hat die IHK Nürnberg für Mittelfranken separat ausgewertet.

Es ist die sechste Umfrage dieser Art seit 2008, aber noch nie wurden insbesondere die Rahmenbedingungen für die industrielle Produktion so schlecht bewertet. Abgefragt wurden 24 Standortfaktoren und nahezu alle wurden von den Betrieben in Mittelfranken negativer eingeschätzt als bei den früheren Umfragen. Der Mittelwert liegt jetzt bei der Schulnote 3,6 und ist damit im Laufe des letzten Jahrzehnts um eine Notenstufe abgerutscht. Schwacher Trost: Die Betriebe in der Region Nürnberg sind noch etwas „zufriedener“ als dies auf Bundesebene der Fall ist: Denn die deutschlandweit 2 300 Umfrageteilnehmer vergaben im Schnitt nur die Gesamtnote 4.

Diese Standortfaktoren werden von den Betrieben besonders kritisch gesehen:

aktuelle Wirtschaftspolitik von Bundes- und Landesregierung: Hart ins Gericht gehen die mittelfränkischen Betriebe mit der Wirtschaftspolitik der Bundes- und der Landesregierung. Sie wird von ihnen mit Blick auf die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit deutlich kritischer gesehen als in den letzten Umfragen. Die Politik der Ampel-Koalition im Bund wird dabei deutlich negativer gesehen (36 Prozent: Schulnote 6) als die der bayerischen Landesregierung (immerhin 38 Prozent Schulnote 3). Fakt ist aber: Gegenüber der letzten Umfrage im Jahr 2020 sank die Bewertung um eine Notenstufe.

Energiepreise / Sicherheit der Energieversorgung: Der Standortfaktor „Höhe der Energiekosten“ macht den Betrieben quer über alle Branchen und Betriebsgrößen weiter große Sorgen, auch wenn sich die Energiepreise im vergangenen Jahr wieder deutlich verringert haben. Dieser Aspekt wurde mit der Note „mangelhaft“ bewertet. Auch bei kleinen und mittleren Betrieben ist er zunehmend in den Mittelpunkt gerückt: Über 70 Prozent von ihnen geben an, dass sich durch die hohen Energiekosten ihre Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert habe. Ebenfalls sehr kritisch bewertet wird der Standortfaktor „Sicherheit der Energieversorgung“.

Fachkräfte: Auf den Nägeln brennt den Betrieben zudem das Thema „Verfügbarkeit von Fachkräften“: Fast drei Viertel der Betriebe vergeben hierfür die Noten 4 bis 6.

Negativ wurden außerdem diese Standortfaktoren beurteilt:

  •  Belastung mit Bürokratie
  •  komplexes Steuerrecht
  •  Effizienz der Behörden
  •  Dauer und Komplexität von Planungs- und Genehmigungsverfahren
  •  Höhe der Steuern und Abgaben
  •  Einstellung der Bevölkerung zu Großprojekten
  •  Lieferkettengesetz
  •  digitale Infrastruktur

Bayern ist gut bei Innovationen

Besser als bei den genannten Standortfaktoren sieht es bei Forschung und Entwicklung aus: Drei Viertel der mittelfränkischen Unternehmen vergeben hier für Bayern die Schulnoten 1 bis 3, für ganz Deutschland fällt die Bewertung etwas schlechter aus. Immerhin 45 Prozent der mittelfränkischen Betriebe wollen ihre Anstrengungen bei der Innovation verstärken, rund 40 Prozent planen mit gleichbleibenden Aktivitäten.

Die Stärke Mittelfrankens bei Forschung und Entwicklung (FuE) zeigt sich bei einem Punkt, der derzeit häufig diskutiert wird: die Verlagerung von Forschungsaktivitäten aus Deutschland ins Ausland. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Betriebe der Region dies in größerem Umfang planen würden, weil sie mit dem Standort unzufrieden wären. Nur 16 Prozent wollen erstmals oder in stärkerem Maße als bisher im Ausland forschen (Deutschland: 34 Prozent). Dabei kann FuE im Ausland durchaus auch ein Zeichen hoher Wettbewerbsfähigkeit sein, weil es auf ein intensives Auslandsgeschäft hinweist.

Im Fokus stehen bei den Betrieben derzeit vor allem diese Innovationsprojekte:

  •  Kooperationen mit Kunden, Lieferanten und anderen Unternehmen
  •  Qualifizierung von Mitarbeitern im Innovationsmanagement
  •  Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen / neue digitale Geschäftsmodelle
  •  Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen
  •  Vernetzung / Automatisierung der Produktion / Industrie 4.0 

Als Hemmnisse für Innovationen werden vor allem diese Aspekte genannt:

  •  fehlendes Fachpersonal
  •  hohe bürokratische Anforderungen im Innovationsprozess
  •  hoher Aufwand, um gewerbliche Schutzrechte zu erhalten

Staatliche Fördermittel für Innovationen sowie die steuerliche Forschungsförderung spielen keine entscheidende Rolle, um Innovationsprojekte anzugehen. Sie werden oft nicht genützt, weil sie nicht bekannt sind oder weil die Antragsverfahren und die Abwicklung als zu kompliziert und zu langwierig betrachtet werden. Rund 80 Prozent der mittelfränkischen Betriebe finanzieren deshalb Projekte in Forschung und Entwicklung aus eigenen Mitteln.

Download des Industrie- und des Innovationsreports Mittelfranken:
www.ihk-nuernberg.de/s/145180
www.ihk-nuernberg.de/s/145181

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2024, Seite 20

 
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