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Geschichte

Aus einem Guss: Das Münchner Traditionsunternehmen F. S. Kustermann

Wenn in München früher ein heiratsfähiges Mädchen an jedem möglichen Hochzeitskandidaten etwas auszusetzen hatte, rieten ihm die genervten Familienangehörigen: "Dann gehst zum Kustermann und lasst Dir oan giassn!"

Das Sortiment der Eisengießerei Kustermann war in der Tat riesig und ließ keine Wünsche offen. Es reichte über Treppen, Säulen, Öfen, Friedhofskreuze und Laternen bis hin zu Brunnen. Das Unternehmen wirkte beim Bau von Brücken und an der Stahlkonstruktion des Münchner Hauptbahnhofs nach dem Zweiten Weltkrieg mit. Die Gullydeckel der Münchner Kanalisation stammten ebenfalls aus der Kustermann-Produktion. Dabei waren die Anfänge des Betriebs recht bescheiden gewesen. 1798 – vor 220 Jahren – eröffnete der Eisenhammerwerksbesitzer Griesbauer ein Geschäft am Oberen Anger in München. Sein überschaubares Angebot an Eisenwaren umfasste auch Sensen und Strohmesser aus seinem Werk im kleinen Dörfchen Antwort am Chiemsee. 1832 übergab er das Eisengeschäft seinem Schwiegersohn Franz Seraph Kustermann. Unter der Leitung des ältesten Sohnes Max Kustermann setzte dann der große Aufschwung des Unternehmens ein, das sich seit 1854 „zu den Großbetrieben rechnen durfte“.

In den 1870er-Jahren ließ Max Kustermann am Viktualienmarkt und Rindermarkt einen modernen Geschäftskomplex mit einer Verkleidung aus italienischem Marmor errichten. Kurz zuvor hatte er ein großes Areal in Haidhausen an der Rosenheimer Straße nahe dem neu eröffneten Ostbahnhof erworben. Bereits 1877 entstanden dort eine große Eisengießerei sowie mechanische Werkstätten für Holz- und Eisenbearbeitung. Außerdem errichtete Kustermann in der Landsberger Straße ein großes Lager für den Handel mit Kohlen und Brennholz. Vor dem Ersten Weltkrieg umfasste das gesamte Anwesen in Haidhausen rund 17 Hektar. Es war über ein Industriegleis mit dem Ostbahnhof verbunden und verfügte dazu noch über 4.000 Meter Rangiergleise und Rollbahnen. Der Betrieb zählte rund 1300 Angestellte, Handwerker und Taglöhner. Standesgemäß ließ sich der mit dem Titel eines Kommerzienrats ausgezeichnete Max Kustermann am Starnberger See eine Villa errichten. Außerdem baute er westlich von Tutzing das Gut Ilkahöhe mit Balkongittern aus eigener Herstellung. Unter dem Druck der Konzentration im Wirtschaftswesen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg der Stahlbau und die Gießerei aufgegeben. Heute präsentiert sich das Familienunternehmen als Handelsbetrieb für Eisenwaren, Hausrat, Glas und Porzellan sowie Keramik.

 

 

Briefkopf der Firma F. S. Kustermann mit Ansicht des Firmengeländes an der Rosenheimer Straße, 1884.

 

 

Katalogblatt für Pumpen, um 1910.

 

 

Der firmeneigene Lieferwagen, um 1920.

 

 

Die Kustermann-Fussballmannschaft der 1920er-Jahre

 



Ansicht der Fassade des Geschäftshauses am Viktualienmarkt, um 1930.

 

Max Kustermann war für Innovationen sehr aufgeschlossen. So findet sich sein Unternehmen bereits im ersten offiziellen Münchner Telefonbuch von 1883. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv betreut die historische Überlieferung der Firma F. S. Kustermann, zu der eine umfangreiche Katalogsammlung gehört

Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA

 
 
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