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Geschichte

"Ist vom Verbraucher aufzubewahren": Historische Lebensmittel- und Bezugskarten

Den Kunden standen die Haare zu Berg: In vielen Märkten galten während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 Mengenbeschränkungen für den Einkauf. "1 x Klopapier, 1 x Zwieback /Knäckebrot, 2 x Zucker, Mehl, Reis, Teigwaren …" - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren zur Kontrolle und "ggf. zur Kürzung" angehalten. Doch mit der Bewirtschaftung früherer Zeiten waren diese Maßnahmen nicht zu vergleichen. Im deutschen Kaiserreich wurde erstmals zu Beginn des Ersten Weltkriegs das Brot rationiert und 1915 eine Brotkarte eingeführt. Später waren Lebensmittel wie Milch, Fett und Eier nur noch gegen Bezugsscheine erhältlich. In München betrug 1916 die wöchentliche Zuteilung von Butter 125 Gramm. Auch Web- und Wirkwaren sowie Schuhe gab es auf Karte. Die Rationierungen waren notwendig, weil die englische Seeblockade die Versorgung der Bevölkerung einschränkte. Außerdem fehlten Arbeitskräfte, da viele Bauern Kriegsdienst leisten mussten.

Die schlechte Lebensmittelversorgung und die Hungerzeit 1916 bis 1919 blieben im Gedächtnis haften. Angesichts der mangelnden Kriegsbegeisterung 1939 ging das NS-Regime daher nur schrittweise zur Zwangsrationierung über. Neben Lebensmittelkarten wurde auch eine Reichskleiderkarte ausgegeben. Ab 1942 wurden die Einschnitte immer drastischer. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine berechtigten nur zum Kauf, waren aber keine Garantie, die rationierten Waren auch tatsächlich zu bekommen. Nach Kriegsende 1945 teilten auch die alliierten Militärbehörden Lebensmittelkarten zu, die je nach der Schwere der Arbeit gestaffelt waren.

 

Brotkarte des Bezirksamts München, 1916/17. Die Marken berechtigten auch zum Bezug von "Kriegssemmeln".

 

Seifenkarte der Stadt München, 1916/17.

 

Reichskarte für Urlauber, 1941. Die Karte war für 6 Tage gültig und enthielt auch die Zuteilung von insgesamt 50 Gramm Kaffee-Ersatz.

 

Aktennotiz für einen Kantinenbetrieb im Juni 1945. Wöchentlich waren dafür Lebensmittelmarken für Nährmittel, Fett und Brot abzugeben. Die raren Fleischgerichte wurden mit Pferdefleisch zubereitet.

 

Erst 1950 wurden in der Bundesrepublik Deutschland die Lebensmittelmarken abgeschafft. Heute gibt es einen Sammlermarkt für diese Erinnerungsstücke aus der Not der Kriegsjahre. Das Bayerische Wirtschaftsarchiv verfügt über eine reichhaltige Kollektion dieser einst so überlebenswichtigen Alltagszeugnisse aus Bayern.Dr. Eva Moser, Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA

 
 
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