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Die 10 Tempo-Thesen der DIHK

Die 10 Tempo-Thesen der DIHK

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Die DIHK hat deutlich gemacht, dass es mit Tempo vorangehen muss. Warum?

Krisen prägen seit einiger Zeit unser Leben: Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben ganz konkrete Auswirkungen auf die Unternehmen – zuletzt vor allem auch die Energiepreiskrise. Wir müssen diese (Krisen-)Welt als neue Normalität begreifen und die Veränderungen als tägliche Herausforderungen annehmen. Noch hat unser Land dafür gute Chancen. Aber wir müssen jetzt als Wirtschaft und Politik entschlossen handeln. Denn in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass unser Staat vielfach nicht hinreichend handlungsfähig ist, in jedem Fall aber nicht schnell genug. Dadurch gehen Standortvorteile verloren.

Die Politik muss glaubwürdig über alle politischen Themenfelder hinweg zeigen, dass zur politischen Führung nicht nur Überzeugungskraft in Regierung, Partei und Medien gehört. Politische Entscheidungen müssen nicht nur nachvollziehbar sein – sie müssen auch schnell und konkret in der Praxis ankommen. Wenn Staat und Verwaltung jetzt nicht beweisen, dass sie handlungsfähig sind, geht das Vertrauen in die Politik weiter verloren – mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Substanz unseres Landes und damit auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die DIHK findet, dass mit den richtigen Weichenstellungen für die Unternehmen und Beschäftigten die Politik aber auch einen Schub für mehr Investitionen in den Unternehmen geben kann. Wichtig sei jetzt, sich auf die Geschwindigkeit und die Exzellenz in der praktischen Umsetzung zu konzentrieren. Statt kompliziert, umständlich und widersprüchlich sollte der neue Deutschland-Standard sein: einfach, schnell und innovativ.

Mit diesen 10 Tempo-Thesen der DIHK lassen sich schnell konkrete Ergebnisse erzielen und so Vertrauen schaffen:

 

 

1. Belastungs-Ballast abwerfen

Die Bundesregierung hat selbst ein "Belastungsmoratorium" für die Wirtschaft verkündet. Das reicht nicht – wir müssen Ballast abwerfen. Aber selbst das Moratorium hält die Politik nicht ein: Zum Jahreswechsel gibt es eine Fülle neuer Verpflichtungen, die sich zusammen mit bisherigen Regularien zu immer größeren Belastungen auftürmen.

So hat ein mittelständischer Betrieb im Gastgewerbe bereits 2020 jede Woche 14 Arbeitsstunden aufbringen müssen, um bürokratische Pflichten zu erfüllen – so eine DIHK-Studie. In einer Zeit, in der durch Corona- und Energiekrise der Einsatz von Unternehmenschefs und den oft knappen Fachkräften stark gefordert ist, wiegen diese Zusatzstunden wie Blei.

Den Mut, viele gut gemeinte Vorschriften und Auflagen beherzt zu streichen, würden viele Unternehmerinnen und Unternehmer als ersten Befreiungsschlag empfinden. Die Politik könnte so eine sehr kostengünstige und spürbare Entlastung vieler Unternehmen erreichen, ohne dass die Regelungen danach im realen Leben vermisst würden. Die DIHK hat hierzu eine Fülle von Vorschlägen unterbreitet. Dazu gehören auch schnell realisierbare – vermeintliche – Kleinigkeiten wie das Ausfüllen von Meldezetteln in Hotels, die eigentlich nie gebraucht werden.

 

2. Time matters – Anträge gelten automatisch als genehmigt

Wer prüft, was sich in Genehmigungsverfahren beschleunigen lässt, übersieht oft, dass es vielleicht auch ganz ohne geht. Der Gründlichkeit muss der Schnelligkeit keinen Abbruch tun – im Gegenteil. Die Behörden könnten sich anstelle der misstrauischen Prüfung von vielen ordnungsgemäß ablaufenden Routinefällen den wenigen echten Fehlentwicklungen widmen – und dazu bestenfalls Stichproben prüfen. Dann reicht ein Anzeigeverfahren völlig aus – oder aber Anträge, die nach einer kurzen Frist einfach automatisch als genehmigt gelten.

Ob kilometerlange Stromnetze oder nur ein kleiner, aber dringend benötigter Mobilfunkmast: Immer wieder müssen mehrere Behörden oder öffentliche Stellen ihr Einvernehmen zu Anlagen und Bauwerken geben – oft sogar ohne Zeitlimit. Denn für viele Planfeststellungverfahren, etwa bei Autobahnbrücken oder Bebauungsplänen, fehlen bisher verbindliche Fristen. Wo sie bestehen – wie beim Glasfaserausbau oder bei der Errichtung von Windenergie- oder Industrieanlagen –, werden sie häufig nicht eingehalten, ohne dass es negative Konsequenzen für die säumigen Verwaltungen hätte. In der Praxis ist häufig auch unklar, wann die Frist beginnt. Das macht solche Fristen aber zu zahnlosen Papiertigern.

Deshalb sollten für alle Verwaltungsverfahren verbindliche Start- und Endtermine mit nachvollziehbaren Kriterien festgelegt werden. Eingereichte Anträge, die in diesem Zeitraum durch Versäumnisse der Behörden nicht beschieden werden, gelten dann automatisch als genehmigt.

 

3. Euer Ja sei ein Ja – einmal zugelassen, nicht mehr neu beantragen

Viele Vorhaben werden durch umfangreiche Prüf- und Antragspflichten verzögert, obwohl ihre Auswirkungen längst als sicher ermittelt sind oder ihr Umfang begrenzt ist. Deshalb sollten die Anforderungen an die Genehmigung und Umweltprüfung von Ersatzneubauten erleichtert werden.

Konkrete Beispiele: Der Neubau von bestehenden Brücken sollte auch dann genehmigungsfrei erfolgen können, wenn sie an anderer Stelle hochgezogen und aufgrund des aktuellen Verkehrsaufkommens vergrößert werden müssen. Bestehende Windenergieanlagen sollten auch dann ohne ein neues aufwendiges Genehmigungsverfahren ersetzt werden können, wenn sie außerhalb eines Windvorranggebietes stehen.

 

4. Bei Standardprodukten auf Einzelgenehmigung verzichten

Für Windräder, Solaranlagen, Mobilfunkmasten und Standardbauten lässt sich einfach ein sehr wirksamer Beschleunigungsturbo zünden: Diese Produkte sind für die Verwendung zuvor bereits mehrfach erfolgreich überprüft worden. Trotzdem brauchen sie immer wieder Einzelgenehmigungen selbst in eigens dafür vorgesehenen und ebenfalls als geeignet eingestuften Gebieten. Das ist bei Standardprodukten und Standardverfahren ein unnötiges Nadelöhr.

Auch Deutschlands Straßenverkehr mit seinem hohen Sicherheitsniveau basiert auf dem Prinzip, dass eine einmal erteilte Betriebserlaubnis auch für alle anderen Fahrzeuge gleicher Bauart gilt. Bei gesetzlicher Festschreibung dieses Prinzips unter anderem auch im Bundesimmissionsschutzgesetz könnten viele Einzelgenehmigungen entfallen und Investitionen so erheblich beschleunigt werden.

Das gilt insbesondere auch für den Wechsel von Energieträgern, den so genannten Fuel Switch. Wenn etwa die Umstellung einer bestimmten Anlage von Gas auf Wasserstoff bereits zertifiziert ist, muss sie nicht noch einmal durch ein aufwendiges Genehmigungsverfahren laufen.

 

5. Multitasking im Genehmigungsverfahren: früher anfangen und paralell genehmigen

LNG-Terminals und der Notfall-Fuel-Switch 2022 konnten auch deshalb schneller realisiert werden, weil die Anlagen bereits vor der Genehmigung gebaut und sogar betrieben werden durften.

Das sollte für noch mehr wichtige Vorhaben mit Eil-Bedarf Schule machen: Statt alle Schritte zur Planung und Genehmigung einzeln abzuarbeiten, könnte schon einmal vorläufig parallel konkret gearbeitet werden. Besonders dringlich wäre dies beispielsweise bei der Sanierung maroder Autobahnbrücken, Industrieanlagen oder Gewerbe- beziehungsweise Wohnungsbauten entsprechend bereits bestehender Bebauungspläne.

 

6. Starre Vorgaben kosten Zeit und gefährden Innovationen

Unternehmen müssen ihre ureigensten Aufgaben erfüllen können – dafür brauchen sie weniger Vorgaben und mehr Rückhalt. Die große Transformation lässt sich mit starren Vorgaben für die Wirtschaft aus Berlin und Brüssel weder besser noch schneller erreichen. Daher ist die zentrale Botschaft an alle politischen Entscheider: Trauen Sie den deutschen Unternehmen wieder mehr zu!

Denn der Wettbewerb der Ideen bringt auch bei Nachhaltigkeit und Transformation die besten Lösungen. Mit umfangreichen Berichtspflichten im Rahmen der Sustainable-Finance-Strategien von EU-Kommission und Bundesregierung sowie der verschärften Bankenregulierung passiert aber das Gegenteil: Die auch für die Transformation der Wirtschaft dringend benötigten Investitionen werden erschwert oder gar wegen verschlechterter Finanzierungsbedingungen verhindert. Hier braucht es einen Neustart, der die aktuellen Herausforderungen berücksichtigt.

Das Beispiel des erfolgreichen Corona-Impfstoffs des deutschen Unternehmens Biontech zeigt, dass unser Land auch in einem sensiblen Bereich mit politischer Aufgeschlossenheit schnell agieren kann. Das Zulassungsverfahren lief schnell, die Produktionsstätten wurden im Rekordtempo aufgebaut – ohne jegliche Kollateralschäden.

Leider fehlt bislang der Mut, diese positive Erkenntnis auf andere vielversprechende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu übertragen. Gerade im so elementaren Gesundheitsbereich wird durch gut gemeinte Überregulierung oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: So sind ausgerechnet Medizintechnik-Unternehmen, die weltweit wegen ihrer Zuverlässigkeit führend sind, aufgrund neuer EU-Vorgaben hierzulande mit erheblichen Kostenbelastungen sowie langen Zulassungsverfahren konfrontiert.

Beispiel sterile Pipetten: Ein deutscher Hersteller vertreibt das einfache Produkt zur Einmalverwendung seit 20 Jahren erfolgreich und millionenfach auf dem Markt. Für die technische Dokumentation reichte bislang ein Aktenordner. Mit den neuen Vorgaben sind für die Dokumentation nun zehn Aktenordner notwendig. Soweit nicht die Sicherheit oder Qualität der Produkte betroffen ist, sind daher rechtssichere Vereinfachungen notwendig – gerade für die vielen kleinen und mittleren Betriebe.

 

7. Schnellere Verfahren als Teil einer Willkommenskultur

Auch bei der Fachkräftesicherung gilt: Im Ziel besteht Einigkeit, in der Praxis fehlt zu oft die Geschwindigkeit. Das gilt auch für Erleichterungen bei der Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland: Die Erfahrungen in den Unternehmen zeigen, dass vieles immer noch zu kompliziert ist, zu lange dauert oder sogar scheitert.

Es ist überfällig, dass jetzt nachjustiert wird. Bessere Regelungen allein reichen aber nicht. Denn aktuell erleben interessierte Fachkräfte schon bei der Visa-Antragstellung im Ausland, dass Deutschland den ersten Praxistest nicht besteht: Selbst mit Arbeitsvertrag aus Deutschland in der Tasche wird aus der schnellen Einreise oft nichts, denn die Visa-Verfahren werden meist noch händisch abgewickelt und dadurch verschleppt. Das führt immer wieder zu viel zu langen Wartezeiten, manchmal sogar länger als ein Jahr – allein schon beim ersten Schritt, der Antragstellung in persönlicher Präsenz im Konsulat. Lange Wartezeiten auf einen Termin zur Visa-Vergabe sind aber weder Ausdruck von Willkommenskultur noch machen sie Hoffnung auf ein Arbeitsleben in einem Land mit einer modernen Verwaltung und digitalisierten Abläufen.

Die Botschaften und Konsulate ebenso wie die beteiligten Behörden im Inland müssen rasch auf digitale Verfahren umstellen, damit Visa schneller erteilt werden. Auf allen Ebenen sollten die Einwanderer Willkommenskultur konkret im Umgang mit Behörden erleben können – auch beim Eintreffen in Deutschland. Wir sollten diese Menschen in einem auch digital erreichbaren Welcome-Center empfangen, statt sie vor Ämtern Schlange stehen zu lassen.

 

8. Schneller werden durch Digitalisierung

Die Digitalisierung ist für viele Unternehmen Chance und Herausforderung zugleich. Sie müssen und wollen sich hier engagieren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Aber auch hier strapazieren komplexe regulatorische Anforderungen, eine unterentwickelte digitale Verwaltung und Mängel in der Infrastruktur die zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Unternehmen.

Es ist dringend an der Zeit, die Digitalisierung mit einem Schulterschluss von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik mit Priorität voranzutreiben. Dazu gehören schnelle und digitale, bundesweit einheitliche Genehmigungsverfahren für den Glasfaserausbau. Darüber hinaus müssen Antrags- und Genehmigungsprozesse zwischen Unternehmen und Verwaltungen insgesamt schneller und durchgängig digital abgewickelt werden können. Dafür wird endlich ein bundesweit funktional einheitliches Unternehmenskonto für Identifizierung, Authentifizierung und Behördenkommunikation benötigt.

Damit Unternehmensdaten und Nachweise, die bei den Verwaltungen bereits einmal elektronisch vorliegen, wiederverwendet werden können, muss die Registermodernisierung prioritär vorangebracht werden. Wegen der zahlreichen Schnittstellen der Unternehmen mit der öffentlichen Verwaltung würde allein die konsequente Digitalisierung von Behörden und Vorgängen eine enorme Beschleunigung der Bearbeitung von Anträgen, Statistiken und Genehmigungen auslösen. Und: Weder Chefin noch Mitarbeiter müssten sich frei nehmen, um Formalitäten mit dem Amt zu klären, sondern könnten dies per Smartphone erledigen.

 

9. Vorhaben tatkräftig ermöglichen anstatt Risiken vermeiden

Die Verwaltung aus Bürger- und Unternehmenssicht denken, Lösungen ermöglichen statt Verfahren abarbeiten – dieser Mentalitätswandel ist entscheidend, damit Deutschland die erforderliche Veränderungsgeschwindigkeit erreicht. Behördenmitarbeiter müssen ermutigt werden, fortschrittliche Lösungen zu ermöglichen, statt der Maxime der Risikovermeidung zu folgen.

Das erfordert nicht nur eine entsprechende Verwaltungskultur. Es braucht auch gesetzliche Regeln, die Anreize schaffen, schnelle und sachgerechte Ergebnisse, Antworten und Genehmigungen zu erarbeiten. Solange verpasste Fristen zwar für den säumigen Bürger Folgen haben, nicht aber für die Verwaltungsbehörde – solange bestehen Fehlanreize für Politik und Verwaltung. Denn wenn die Nichteinhaltung der eigenen Versprechen ohne Konsequenzen bleibt, dann stimmt etwas nicht.

Beispiel "Beschleunigtes Fachkräfteverfahren" in der Fachkräfteeinwanderung: Gegen Zahlung von 411 Euro erhält ein Unternehmen eine Zusage beschleunigter Fristen bei beteiligten Behörden. Werden diese Fristen nicht eingehalten, passiert nichts: Das Geld ist weg und die Fachkraft ist eben nicht schneller in Deutschland.

 

10. Schneller und einfacher durch Perspektivewechsel

Die IHK-Organisation steht ausdrücklich bereit, beim dringend erforderlichen Praxis-Check von geplanten Gesetzen und Regelungen mitzuwirken. Denn eine auf dem Papier entwickelte Vorstellung wirkt sich im betrieblichen Alltag bisweilen ganz anders aus als gedacht.

Als erste vertrauensstärkende Maßnahme wäre es daher sinnvoll, wenigstens bei Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen eine angemessene Frist einzuräumen. Darüber hinaus müssen wir die Auswirkungen und Kosten staatlicher Bürokratie nicht nur versuchen, in Euro zu messen – das ist wichtig, aber nicht ausreichend. Politik und Verwaltung brauchen vielmehr auch einen persönlichen Eindruck von der praktischen Wirkung ihres eigenen Handelns.

Hier hilft ein Perspektivwechsel: Warum nicht einmal Verwaltungsmitarbeiter oder -chefs in die Rolle eines Existenzgründers schlüpfen lassen? Sie würden in einem Rollenspiel oder Praktikum vielleicht erleben, was vier von fünf jungen Unternehmen beklagen – dass sie von komplizierten Verfahren und Mehrfachmeldungen ausgebremst werden. Sie würden sich danach auch dafür einsetzen, nach dem Vorbild anderer EU-Länder auch hierzulande die Gründung eines Unternehmens binnen 24 Stunden zu ermöglichen.

Und der Finanzbeamte würde dann vielleicht im eigenen Haus anregen, die Gewinn- oder Bilanzschwellenwerte anzuheben, damit zum Beispiel Buchführungs- und Bilanzierungspflichten erst später greifen. So würde unter anderem vermieden werden, dass noch junge Betriebe dem Finanzamt komplizierte Steuerformulare vorlegen müssen.

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