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Geschichte

Ehrung für „höhere Kaufleute und Industrielle“

Der Schriftsteller Lion Feuchtwanger hat ihn in seinem 1930 erschienenen Roman „Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz“ literarisch verewigt: den bayerischen Kommerzienrat, im Buch verkörpert durch Paul Hessreiter, Inhaber der fiktiven Süddeutschen Keramiken. Ursprünglich hatte König Ludwig II. 1880 die Auszeichnung bayerischer Unternehmer mit diesem höchst repräsentativen und nicht erblichen Ehrentitel begründet.

Es war das Jubiläumsjahr, in dem Bayern 700 Jahre Wittelsbacher Herrschaft feierte. Entsprechend repräsentativ gestalteten sich die Verleihungsfestlichkeiten. Das Auswahlverfahren für das Ehrenzeichen war streng. Der Kandidat hatte ein renommierter Großindustrieller oder Großhändler zu sein, musste soziales Verhalten gegenüber seiner Arbeiterschaft zeigen, in geordneten Verhältnissen leben und großzügig für wohltätige Zwecke spenden. Das Mindestalter lag bei 45 Jahren.

Insgesamt 1850 Persönlichkeiten erhielten zwischen 1880 und 1928 den begehrten Titel. Es war eine bayerische Besonderheit, dass der Kommerzienrat nach dem Ende der Monarchie 1923 für fünf Jahre neu belebt wurde, obwohl die Reichsverfassung jegliche Titelvergabe untersagte. Eine Steigerung erfuhr die Ehrung, als Prinzregent Luitpold zum Jahresende 1907/08 erstmals Geheime Kommerzienräte ernannte. 1953 diskutierten die bayerischen Industrie- und Handelskammern über die Wiedereinführung. Anstoß war Baden, wo es damals tatsächlich noch Titelverleihungen gegeben hatte. Nahezu einmütig sprachen sich die bayerischen IHKs dann doch auf einer Vollsitzung der Präsidenten und Hauptgeschäftsführer gegen eine Neuauflage des Kommerzienrates aus.

 

Kommerzienrat Josef Rodenstock, Gründer und Inhaber der Optischen Werke G. Rodenstock in München, an seinem 75. Geburtstag im Kreis der Familie, 1921.

Ernennungsurkunde für Kommerzienrat Josef Rodenstock, 1911.

Geheimer Kommerzienrat Conrad Maser, Inhaber der Papier- und Schreibwarenhandlung C. Müller S 18 in Nürnberg, 1901. Seine Ernennung erfolgte am 24. Dezember 1924.

Todesanzeige für Conrad Maser, 1931

 

Auch der Bayerische Landtag beriet noch 1962 über die Einführung alter bayerischer Titel wie den des Kommerzienrats, allerdings ohne positives Ergebnis. In der Überlieferung des Bayerischen Wirtschaftsarchivs findet sich eine Vielzahl von „betitelten“ Unternehmerpersönlichkeiten. Sie stehen für die Leistungsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft und für ein besonderes Verantwortungsbewusstsein gegenüber Staat und Gesellschaft.Dr. Richard Winkler, Stv. Leiter des Bayerischen Wirtschaftsarchivs

Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA

 
 
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