Weißblaue Wirtschaftslenker
Der Vater musste einspringen, um dem 22-Jährigen Friedrich Reiner den Start in die Selbstständigkeit zu ermöglichen. Er kaufte dem Jungunternehmer eine gebrauchte Drehbank und Werkzeug für die neu eröffnete mechanische Werkstätte. 1883 war es dann soweit: Vor 135 Jahren lieferte der Oberförstersohn die ersten 200 Sprechapparate für die Einführung der „Telephonie“ in München.
Zum bundesweiten Tag der Archive am 3. März stellt das Bayerische Wirtschaftsarchiv (BWA) das spannende und mitunter auch kuriose Leben und Wirken weißblauer Firmenkapitäne vor. Die Ausstellung mit dem Titel „UnternehmerGestalten: Bayerische Wirtschaftspersönlichkeiten aus zwei Jahrhunderten“ enthält zahlreiche wertvolle Originalexponate und Porträts der Gründerzeit. Sie ist von 10 bis 17 Uhr in der IHK-Akademie an der Orleansstraße 10-12 zu sehen.
Ob es eine Art „Unternehmer-Gen“ gibt, lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Seit jeher gilt jedoch, dass für die Gründung eines Unternehmens Umtriebigkeit und Mut unerlässlich sind. Beides Eigenschaften, über die beispielsweise der Brillenfabrikant Josef Rodenstock (1846-1932) reichlich verfügte. Der gebürtige Thüringer stammte aus ärmlichen Verhältnissen und machte sich schon 14-jährig mit einem Wanderhandel selbstständig. 1877 eröffnete der Autodidakt in Würzburg eine kleine feinmechanische Werkstätte und gründete bereits fünf Jahre später ein Filialgeschäft in München, wohin er später die Produktion verlegte. 1898 kam ein Zweigwerk im Bayerischen Wald dazu. Für seine Verdienste erhielt Rodenstock 1911 den Titel eines Kommerzienrats.
Der Münchner Telefonpionier Friedrich Reiner (1858-1918) an dem von ihm kon-struierten Wandapparat, um 1885.
Der Optikindustrielle Kommerzienrat Josef Rodenstock (1846-1932). Ölgemälde von Willi Schropp, 1921.
Werbung für Perfa-Brillengläser von Rodenstock, um 1930.
Fotos: Bayerisches Wirtschaftsarchiv BWA