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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

© javiersarrent/Thinkstock

Arbeitgeber sind laut Bundesarbeitsgericht verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Die Entscheidung vom September 2022 stellte die sofortige Wirkung der Vorgabe des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung auch für Deutschland klar. Eine Übergangsfrist gibt es nicht.

In der Begründung zur Entscheidung wurden die die Handlungspflichten für Unternehmen nochmals genauer konkretisiert:

  • Lage, Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit müssen tatsächlich erfasst werden: Die bloße Bereitstellung eines Systems zur Zeiterfassung ist nicht ausreichend, vielmehr müssen Arbeitgeber die korrekte Erfassung durch die Beschäftigen kontrollieren und zur Not auch anmahnen. Die Pflicht zur Aufzeichnung kann demnach an die Arbeitnehmer delegiert werden, solange die korrekte Erfassung überprüft wird.
  • Bei der konkreten Vorgehensweise der Zeiterfassung hat der Arbeitgeber einen Gestaltungsspielraum: Die Beschäftigten können selbst eine Excel-Tabelle ausfüllen, oder der Arbeitgeber kann Stechuhren oder elektronische Systeme bereitstellen werden. Da nicht geklärt ist, ob das Erfassungssystem digital sein muss, ist auch eine schriftliche Zeiterfassung auf Papier möglich. Eingesetzte Prozesse sollen laut EU-Vorgaben lediglich „objektiv, verlässlich und zugänglich“ sein.
  • „Vertrauensarbeitszeit“ ist nicht mehr ohne Zeiterfassung möglich: Arbeitgeber können künftig die Mitarbeiter nicht mehr von der Pflicht zur Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten ausnehmen.
  • Ausnahmen für bestimmte Betriebsgrößen, Branchen etc. gibt es vorerst nicht: Alle Unternehmen sind von der Entscheidung unmittelbar betroffen. Dem Gesetzgeber stünde es allerdings frei, Ausnahmen per Gesetz zu erlassen, denn die europäischen Vorgaben ermöglichen Sonderregelungen durchaus. Eine gesetzliche Regelung, die die Arbeitszeiterfassung für Unternehmen in Deutschland im Detail regelt, wird von vielen Arbeitsrechtlern kurzfristig erwartet.

Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Nunmehr liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vor. Mit den Neuregelungen soll die Aufzeichnungspflicht konkretisiert und auf gesetzliche Grundlagen gestellt werden.

Die Erfassung der täglichen Arbeitszeit, also Beginn, Ende und Dauer, soll grundsätzlich digital erfolgen. Ausnahmen von der elektronischen Arbeitszeiterfassung sind möglich

  • In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in Betriebs-/Dienstvereinbarungen
  • für Arbeitgeber mit bis zu zehn Beschäftigten
  • für ausländische Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, die weniger als zehn Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden
  • für Angestellte in Privathaushalten.

Zudem sind gestaffelte Übergangsregelungen für kleinere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern vorgesehen, die hierdurch Arbeitszeiten zunächst weiterhin auf Papier erfassen können.

Der Referentenentwurf sieht die Verpflichtung vor, die Arbeitszeiten jeweils am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Auch hiervon kann per Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in Betriebs-/Dienstvereinbarungen abgewichen werden. Die Aufzeichnung kann dann an einem anderen Tag erfolgen, spätestens aber bis um Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages.

Die Erfassung durch die Beschäftigten selbst soll möglich sein, was insbesondere für weiterhin mögliche Vertrauensarbeitszeiten von Relevanz sein wird. Die Arbeitgeber bleiben aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich und haben durch „geeignete Maßnahmen“ sicherzustellen, dass ihnen Verstöße gegen die gesetzlichen Maßgaben zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Für Verstöße ist ein Bußgeldrahmen bis zu 30.000,- Euro vorgesehen.

Per Tarifvertrag oder bei tariflicher Öffnungsklausel in Betriebs-/Dienstvereinbarungen kann eine dritte wichtige Ausnahme vereinbart werden. Beschäftigte können von der Aufzeichnungspflicht herausgenommen werden, bei „denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Beschäftigten selbst festgelegt werden kann“. Laut Begründung des Referentenentwurfs kommen Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler infrage, die nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein,  sondern über den Umfang und die Einteilung ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können.

Vorgesehen ist ferner eine Informationspflicht der Betriebe. Sie müssen ihre Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichneten Arbeitszeiten informieren und ihnen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung stellen. Die Aufzeichnungen sind mindestens für zwei Jahre aufzubewahren.

Neben weiteren redaktionellen Änderungen im Arbeitszeitgesetz und in der Offshore-Arbeitszeitverordnung werden die oben genannten Änderungen grundsätzlich auch auf das Jugendarbeitsschutzgesetz übertragen.

 
 
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