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Location Based Services

Bitte checken Sie ein!

Restaurants und Geschäfte können mit standortbezogenen Diensten Kunden anlocken. Welche Anwendungen sind schon möglich? Und welche Vorteile versprechen sie?

Internet-Nutzer Manuel B. trägt eine große Verantwortung. Schließlich ist er u.a. Bürgermeister des Nürnberger Comic-Geschäftes Ultra Comix, des easyCredit-Stadions, der Großbaustelle an der Jülicher Straße und vieler weiterer Orte in der Region. Dass er dort trotzdem keinerlei Regierungsaufgaben übernehmen muss, liegt daran, dass er diese Ämter nicht wirklich, sondern nur auf der jungen Internet-Plattform „foursquare“ innehat. Das 2009 gegründete Web-Angebot ist einer der zahlreichen Anbieter von standortbezogenden Diensten, sogenannten „Location Based Services“.

Generelles Merkmal aller dieser Angebote: Sie stellen dem Benutzer Informationen mit direktem Bezug zu einem bestimmten Ort zur Verfügung – bei vielen Anbietern ist dies der aktuelle Aufenthaltsort des Users. Befindet er sich beispielsweise an einem Desktop-PC in seiner Wohnung oder am Arbeitsplatz, genügt die IP-Adresse, über die sich der ungefähre Aufenthaltsort bestimmen lässt.

Mobile Nutzung

Richtig spannend werden Location Based Services aber erst beim Einsatz mit mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablet-PCs oder Laptops. Beim mobilen Surfen lässt sich beispielsweise anhand der Internet-Knotenpunkte, über die ein Endgerät auf das World Wide Web zugreift, die Position des Benutzers ermitteln. So können die zahlreichen Anbieter dem User Informationen aus seiner Umgebung zur Verfügung stellen: Wen stellt die Statue dar, vor der man gerade steht? Wie wird das Wetter in dieser Stadt morgen sein? Gibt es in der Nähe der Mietwohnung, die man gerade besichtigt, einen Kindergarten (diese Informationen stellt beispielsweise eine Plattform des Nürnberger Unternehmens immowelt.de bereit)? Hat jemand diesen Strand schon einmal bei Sonnenuntergang fotografiert? Und wo in der Nähe sind gute Restaurants?

Dass die Nutzer sich sehr für standortbezogene Informationen interessieren, zeigen die Statistiken: Laut Google haben über 20 Prozent der in die Suchmaschine eingegebenen Anfragen einen lokalen Bezug. „Gerade für kleine Unternehmen und Dienstleister vor Ort liegt hier ein riesengroßes Potenzial zur Kundengewinnung”, erläutert Klaas Flechsig, Pressesprecher von Google Deutschland. „Lokale Informationen sind sowohl für Internet-Nutzer als auch für Unternehmen – und damit auch für Google – von entscheidender Bedeutung.“

Bereit zum Check-In

Einen großen Teil der Location Based Services (neben zahlreichen Kartendiensten) machen Dienste wie foursquare aus, bei denen Nutzer dazu animiert werden sollen, sich virtuell „einzuchecken“ und so anderen Nutzern ihren Aufenthaltsort mitzuteilen. Dieser Vorgang, der von manchem Datenschützer argwöhnisch beäugt wird, erfreut sich unter den Nutzern mobiler Endgeräte großen Beliebtheit – sei es aus Mitteilungsbedürfnis, Spieltrieb oder praktischen Überlegungen der Nutzer. Bei foursquare können es aktive Benutzer sogar bis zum erwähnten „Bürgermeister“ schaffen, wenn sie sich innerhalb von 60 Tagen von allen Benutzern am häufigsten an einem Ort „eingecheckt“ haben.

Auch andere Anbieter wie Gowalla oder das Nürnberger Unternehmen sleeq setzen darauf, dass Nutzer der virtuellen Welt freiwillig ihren Aufenthaltsort mitteilen, und auch Google (beispielsweise das Unternehmensverzeichnis Google Places, Hotpot und Latitude) und Facebook (Facebook Places) haben eigene standortbezogene Dienste ins Leben gerufen. Ob es Sinn macht, sich an jeder Bushaltestelle einzuchecken, ist zumindest fraglich. Einige Vorteile für die User liegen aber auf der Hand: Sie können sehen, wo sich ihre Freunde aufhalten oder ob die Verabredung schon in der Bar wartet. Außerdem erhalten sie je nach Plattform gleichzeitig Empfehlungen und Bewertungen, die andere Benutzer zu bestimmten Orten eingetragen haben – und finden so auch Geheimtipps.

Großes Marketing-Potenzial

Unternehmer können von standortbezogenen Diensten ebenfalls profitieren. Für sie öffnen sich ganz neue Marketing-Möglichkeiten: Wenn beispielsweise ein Café während der Mittagspause einen Nutzer anlocken kann, informiert dieser vielleicht seine Kollegen, die dann auch noch dazu stoßen. In den USA machen Firmen bereits fleißig Gebrauch von Location Based Services. Um Nutzer gezielt anzulocken und zum „einchecken“ zu animieren, bieten sie verschiedene Rabatte und Vergünstigungen. Im letzten Jahr fand am 16. April – in Amerika wird das Datum als „4-16“ ausgeschrieben und ist somit eine Anspielung auf foursquare (4²) – sogar ein eigener Foursquare-Tag statt, an dem beispielsweise die Fastfood-Kette McDonalds mit einer Kampagne auf der Plattform nach eigenen Angaben 33 Prozent mehr Besucher in die Restaurants locken konnte.

In Deutschland werden die neuen Möglichkeiten hingegen noch kaum genutzt. Gerade einmal sieben Unternehmen in Nürnberg bieten eingecheckten Besuchern oder dem foursquare-Mayor eine Vergünstigung an. Aufgrund deutlich geringerer Nutzerzahlen als in den USA sind selbst diese laufenden Kampagnen noch nicht besonders durchschlagskräftig. Der Mayor vom eingangs erwähnten Fachgeschäft Ultra Comix hat sich den kostenlosen Kaffee, den er bekommen könnte, bisher noch nicht abgeholt. Allerdings läuft die Aktion erst seit wenigen Wochen. Geschäftsführer Stefan Trautner ist bereits zufrieden: „Wir präsentieren uns so als junges Unternehmen, das mit der Zeit geht. Der Image-Gewinn ist also auf jeden Fall schon da.“

Kein Besuchermagner

Auch in der Gastronomie sind die Location Based Services bisher noch kein Besuchermagnet. „Wir verdienen damit kein Geld, aber diejenigen Gäste, die sich gerne einchecken möchten, freuen sich über den Service“, erläutert Gunther Beckert, Inhaber der Erlanger Bar „Elements“. Daran, eine Rabatt-Kampagne über eine der Plattformen zu starten, denkt er aber noch nicht: „Dafür müssen diese Plattformen einfach noch mehr Nutzer haben, damit es sich lohnt.“

Laut Michael Rohrmüller, dem Inhaber der Online-Marketing-Agentur „Pixelmechanics“, ist foursquare trotzdem ein ideales Marketing-Instrument im Bereich der Location Based Services. „Schließlich machen die Kunden durch das Einchecken Werbung für das Unternehmen – und das auch noch völlig kostenlos“, sagt Rohrmüller, dessen Firma sich auf das Marketing im Web spezialisiert hat. Auch Klaus Wolfrum, Inhaber des Erlanger Medien- und Internet-Dienstleisters „wolfrum.de“, sieht in den Check-In-Services großes Potenzial: „Das Thema könnte ein guter Wurf für das lokale Internet werden.“ Der Nutzen für die Unternehmen ist laut Wolfrum die Mischung aus passivem und aktivem Empfehlungsmarketing mit praktisch unwesentlichen Kosten. Schon kleine Kampagnen können laut Wolfrum gute Erfolge erzielen.

Wohin geht die Reise?

Allerdings gibt es auch Stimmen, die dem Boom um Eincheck-Dienste bereits ein Ende vorhersagen. Zu gering seien die Benutzerzahlen, zu groß die Konkurrenz durch ortsunabhängige Angebote wie Groupon oder Payback, kritisiert beispielsweise der Medienjournalist Jens Schröder. Sein Fazit: Für wirkliche Anreize, die Dienste zu nutzen, kooperieren noch zu wenige Unternehmen mit den Plattformen.

Genau dieser Makel ließe sich laut Michael Rohrmüller einfach ändern: „Das Anlegen eines Ortes bei den verschiedenen Diensten ist kostenlos. Und kleinere Rabatte erhöhen den Reiz, sich einzuloggen.“ Angesichts der bisher geringen Konkurrenz auf den Plattformen kann sich ein Unternehmen seiner Meinung nach durch eine Kampagne nicht nur als besonders fortschrittlich darstellen, sondern auch tatsächlich Kunden anlocken. Rohrmüller und Wolfrum sind sich sicher, dass es mit den Check-In-Diensten weiter aufwärts geht. Denn mit der zunehmenden Verbreitung mobiler Endgeräte dürfte künftig die Zahl neuer und neugieriger Nutzer weiter steigen – und somit auch die Bedeutung von Location Based Services.

Autor/in: 
Jonas Müllenmeister
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 06|2011, Seite 28

 
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