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Fabrikmuseum Roth

Voll auf Draht

Maschinen verschiedener Epochen machen im Fabrikmuseum die Geschichte des Drahtziehens erlebbar.

Zugewanderte Hugenotten aus Frankreich legten im 16. und 17. Jahrhundert den Grundstein für eine traditionsreiche Branche in Roth und Umgebung: die leonische Industrie, deren Name auf die französische Herkunft hinweist („Lyon“). Das Fabrikmuseum in Roth, das 1988 auf Initiative von Otto Schrimpff, dem ehemaligen Direktor der Bayerischen Kabelwerke, gegründet wurde, zeichnet die Geschichte der Branche nach.

Im Mittelalter wurde zunächst Grobdraht aus dünnen Metallstäben ausgeschmiedet. Anfang des 15. Jahrhunderts förderte der Nürnberger Rat die Erfindung des Drahtzuges mit Wasserkraft. Anders als die Gesellen der Stahl- und Eisendrahtzieher durften die Gesellen der Messing- und Kupferdrahtzieher nicht auf Wanderschaft gehen – ihr Handwerk war „gesperrt“. 1569 wurde in der Reichsstadt das leonische Drahtziehen durch den aus Frankreich geflohenen Hugenotten Anthoni Fournier eingeführt. Damit verfügte Nürnberg als erste deutsche Stadt über die Fertigkeit, versilberte oder versilbert-vergoldete Kupferdrähte herzustellen. Ein Sohn des Drahtziehers, Georg Fournier, floh 1574 aus dem Nürnberger Schuldturm nach Roth, das damals die Funktion einer Asylstadt hatte, und legte den Grundstein dafür, dass sich dort ein Zentrum der leonischen Industrie entwickelte.

Aus vergoldeten, versilberten oder verzinkten Kupferdrähten entstanden vielfältige Produkte wie Gewebe, Geflechte, Borten, Paspeln, Litzen, Uniformeffekten, aber auch Weihnachtsschmuck und Accessoires für den Wohnbereich und sogar Verzierungen für Heißluftballons, Gondeln oder Schiffe. Im Laufe der Zeit hat sich aus den leonischen Betrieben die Kabelindustrie herausgebildet, die sich zu einer für Mittelfranken bedeutenden High-Tech-Branche entwickelt hat und beispielsweise die Autoindustrie und die Kommunikationswirtschaft mit Komponenten beliefert. Der Firmenname der Leoni AG, Nürnberg/Roth, erinnert bis heute an die Ursprünge dieses Wirtschaftszweiges.

Einen umfassenden Einblick in die Historie des Gewerbes und in die Produktionsmethoden bietet das Fabrikmuseum Roth, das zunächst in den Betriebsräumen der Bayerischen Kabelwerke (Bayka) und dann in dem geschichtsträchtigen Fabrikgebäude „Obere Mühle 4“ untergebracht wurde. An dieser Stelle wurde bereits um 1500 mit Hilfe der Wasserkraft Draht gezogen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts unterhielten dort die Leonischen Drahtwerke, die heutige Leoni AG, eine Produktionsstätte für leonische Waren, insbesondere für Pailletten. Das Museum, das vom Historischen Verein Roth e.V. getragen wird, erläutert das Prinzip des Drahtziehens sowie die Entwicklung vom Grobdraht bis hin zum Feindraht. Demonstriert wird das Vergolden an einer rund 100 Jahre alten Vergolderei. Viele Besucher staunen über den von Joseph-Marie Jacquard erfundenen Webstuhl für leonische Waren, bei dem mit Lochkarten die verschiedenen Muster „programmiert“ wurden. Umkleide- und Waschraum sowie Stechuhr vermitteln ein Bild vom Fabrik-
alltag von vor 100 Jahren. Auch die Heimarbeit, mit der sich viele Rother früher ein oft unverzichtbares Zubrot verdient haben, wird in der Ausstellung thematisiert.

Eine andere Möglichkeit, Spuren der leonischen Bedeutung zu entdecken, ist der historische Rundgang, der beim Schloss Ratibor beginnt und zu Häusern und Orten in der Stadt führt, wo sich die Entwicklung der Branche und ihrer Unternehmer nachvollziehen lässt. Der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) beschreibt diesen Rundgang auch in seiner „Erlebnistag-Broschüre 28“.

Leonisches Gewerbe in Allersberg

Alte Zeichen leonischer Blüte finden sich auch bei einem Rundgang durch das benachbarte Allersberg. Die Tour beginnt am 1323 erbauten Torturm „Unteres Tor“ und führt über weitere Stationen zum 1721 errichteten Heckelhaus, auf dessen Türmchen sich das Wahrzeichen der Allersberger Drahtzieher, die „Madonna mit dem Kinde im Strahlenkranz“, findet. Ein Kleinod ist das Gilardihaus, das 1728 vom Fabrikanten Jacob Gilardi bezogen wurde und einst Sitz der ältesten leonischen Drahtwarenfabrik Deutschlands war.

Fabrikmuseum Roth

geöffnet von Frühlingsanfang bis zum 30. November, jeweils Samstag und Sonntag von 13.30 bis 16.30 Uhr, in den Sommerferien auch am Mittwoch; Vereinbarung von Gruppenführungen unter Tel. 09171 60564.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2014, Seite 42

 
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