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Käseecke Waltmann

Der Laibhaftige

Waltmann Volker © Udo Greiner

Käse-Meister: Volker Waltman bietet in seiner "Käse-Ecke" in der Erlanger Friedrichstraße 250 Sorten an.

Der "Maître fromager affineur" Volker Waltmann schickt jährlich 200 Tonnen verfeinerten Rohmilchkäse an Gourmets in aller Welt.

Der Käse-Affineur Volker Waltmann aus Erlangen zählt 1 500 Hotels und Restaurants der Spitzenklasse und 3 500 Privatleute zu seinen Kunden. Die Liste reicht vom "Adlon" in Berlin bis zur Allianz-Arena in München – und mancher Dax-Vorstand macht extra einen Abstecher ins Mittelfränkische, um Nachschub zu besorgen. Waltmann liefert nicht nur in viele Länder Europas, sondern auch nach Südafrika, Thailand und auf die Malediven. Mit seiner "Käse-Ecke" hat er sich als Lieferant einen Ruf erarbeitet, der ihm mitunter sehr ausgefallene Aufträge einbringt. So wurde ihm einmal ein Flug in den Nahen Osten spendiert, um eine besondere Lieferung zu übernehmen: Ein 21 Jahre lang gereiftes und 800 Gramm schweres Exemplar eines "Tomme de Chèvre" aus Ziegenmilch, von Waltmann in einem Metallkoffer mitgebracht, lieferte er zu Silvester auf den Tisch eines Scheichs in Dubai – zu dünnen Chips gehobelt und auf einem Thunfisch-Carpaccio verteilt.

Seine Spezialitäten lagert Waltmann in einem 200 Quadratmeter großen, in Deutschland einmaligen Backsteinkeller mit fast 100-prozentiger Luftfeuchtigkeit dank eingebauter Sprinklerrohre und dauerhaften neun Grad Celsius Temperatur. Dort kümmert er sich mit seinem achtköpfigen Mitarbeiterstab täglich liebevoll um seine "Rohlinge" aus Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch. Sie stammen meist von kleinbäuerlichen Betrieben aus Frankreich und werden über Wochen, Monate oder gar Jahre gepflegt, gewendet und verfeinert bis zum geschmacklich idealen Reifepunkt. Sie werden in Cidre gewaschen, in Calvados und Champagner getränkt, mit Rosenblüten ummantelt, gebürstet oder auf Stroh und in Fässern gereift, in denen vorher 15 Jahre lang Slyrs-Whiskey vom Schliersee gelagert hatte. Zahlenmäßig handelt es sich um rund 2 000 Laibe von bis zu 250 Sorten.

200 Tonnen finden pro Jahr den Weg in den Keller an der Erlanger Friedrichstraße, um dann – auf vielfältige Weise veredelt – entweder in der Theke des im Oktober 1983 von den Eltern gegründeten und seither mehrfach modernisierten Ladengeschäfts zu landen oder in alle Welt an höchst dekorierte Gourmettempel verschickt zu werden. Die Produkte könnten unterschiedlicher nicht sein, ist ihre Sortenvielfalt doch abhängig von der Art der verwendeten Milch und deren Vorbehandlung, vom Herstellungsverfahren, von möglichen Zusätzen wie Salz, Gewürzen, Bakterien- und Pilzkulturen, von der Nachbehandlung mit vielerlei, von Waltmann perfektionierten Methoden sowie von den Reifebedingungen und der -dauer. Stolz ist der Erlanger Affineur auf seinen "einzig wahren Camembert": Dieser stammt von François Durand, der laut Waltmann die letzte Käserei im Ort Camembert in der Normandie betreibt. Der französische Käser verwende nur Milch der normannischen Kuhrasse und nur von Milchlieferanten, die in Sichtweite des Kirchturms liegen, um die Milch beim Transport zu schonen. Der mit der Suppenkelle handgeschöpfte Käse reift auf Fichtenbohlen, erklärt Waltmann. Er werde in der traditionellen Spanschachtel angeboten und sei der letzte echte Camembert auf der ganzen Welt. „Ich werde auch nur deshalb mit diesem exklusiven Käse beliefert, weil ich in den 90er-Jahren einmal eine Weile dort in der Käserei gearbeitet habe“, berichtet der Käsefachmann.

Der Weg zum Affineur

In einem Buch erzählt Waltmann, wie er zum Affineur geworden ist – damals unterstützt vom TV-Journalisten Ulrich Wickert, jahrelanger Auslandskorrespondent in Paris und als Feinschmecker bekannt. Wickert wollte, als 1993 der EU-Binnenmarkt die Zukunft des Rohmilchkäses in Frage stellte, für diese Delikatesse werben und hatte als deutschen Botschafter dafür Volker Waltmann ausersehen. Dieser entschied sich für eine dreieinhalb Jahre dauernde "Käsewalz" nach Frankreich, hospitierte u. a. bei Roland Barthélémy, dem Präsidenten der französischen Käsebrüderschaft, aber auch in einem Kloster in der Normandie, wo der Rotschmierkäse Pont-l‘Évêque hergestellt wurde. Grasse, Avignon und Lyon sowie das Elsass und die Champagne waren weitere Stationen, durch die Waltmann einen großen Erfahrungsschatz ansammeln konnte.

Waltmann ist eine von nur fünf Personen in Deutschland, die den Titel "Maître fromager affineur" der Bruderschaft St. Uguzon aus dem französischen Périgord tragen dürfen. Und er weiß mit seinem Wissen zu beeindrucken, wenn er Anekdoten aus seinem Käse-Reich erzählt. So ist die Ziegenkäse-Pyramide aus Valençay der Legende nach deshalb ohne Spitze, weil dieser Käse damals Napoleon an seine Niederlage in Ägypten erinnert und er daraufhin die Pyramide mit seinem Schwert "geköpft" haben soll. Oder der "Brie de Meaux fermier": Er wurde 1815 auf dem Wiener Kongress zum „König der Käse“ gekürt. Und der Reblochon geht auf das 14. Jahrhundert zurück, als die Bauern Steuern auf ihren Milchertrag zahlen mussten. Um diesen gering zu halten, melkten sie ihre Kühe nur zur Hälfte, wenn der Steuereintreiber auf dem Hof war. Die dann heimlich nachgemolkene Milch war sehr fettreich und eignete sich besonders gut zum Käsen. Als Käse-Affineur kann Waltmann natürlich vielfältige Geschmackstipps weitergeben. Ein Beispiel: Ein "Brillat Savarin" aus dem Burgund eignet sich als Dessert zusammen mit Honig, Zitronensaft, Thymian und Rosmarin. Und der Brin d´Amour aus Korsika – ein Klassiker unter den Schafskäsen – wird mit Buschkräutern wie Rosmarin, Thymian, Oregano, Lavendel, Bohnenkraut, Wacholder und Anis ummantelt.

Drei ganze Seiten widmete das Hamburger Magazin "Stern" dem Mann aus Erlangen – und betitelte seine Story auf höchst eigentümliche Weise: "Der Herr der Stinker". Waltmann selbst beschreibt in der Illustrierten seinen Alltag so: "Die Kunst besteht darin, das Gleichgewicht zwischen dem ursprünglichen und eigenständigen Aroma des Käses und einer zarten Verfeinerung zu wahren."

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2020, Seite 64

 
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