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Geschäftsleute warten am Flughafen.

In Deutschland klagen Unternehmen vielfach darüber, dass sie keine qualifizierten Fachkräfte mehr finden. Ganz anders stellt sich die Situation in vielen anderen Teilen der Welt dar: Dort treffen ein hohes Bevölkerungswachstum und ein niedriges Durchschnittsalter auf eine schwache Wirtschaft, sodass ein großer Teil der arbeitsfähigen Menschen keinen festen Arbeitsplatz findet. Viele müssen sich mit informellen Beschäftigungen durchschlagen – ohne feste Arbeitsverträge und ohne soziale Absicherung. Viele Menschen in diesen Ländern interessieren sich deshalb für eine Beschäftigung in Europa. Und umgekehrt möchten zahlreiche deutsche Unternehmen Fachkräfte aus Nicht-EU-Länder rekrutieren.

Wie man beide Seiten zusammenzubringen kann, darüber informierte die IHK Nürnberg für Mittelfranken bei der Veranstaltung „Gewinnung von Fachkräften aus Drittstaaten“ im „Haus der Wirtschaft“. Im Mittelpunkt standen dabei diese Länder: Kenia, Kolumbien, Usbekistan, Indien und Elfenbeinküste. Die Expertinnen und Experten der dortigen Auslandshandelskammern (AHKs) sowie von Bayerischem Wirtschaftsministerium, Agentur für Arbeit, Goethe-Institut in Indien, Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (GIZ) und IHK informierten über Rekrutierungsmöglichkeiten und rechtliche Fragen. Im Anschluss an die Vorträge konnten sich die Unternehmensvertreter bei einer kleinen Tischmesse individuell beraten lassen.

Die deutschen Auslandshandelskammern in diesen Ländern haben schon eine Reihe von Aktivitäten auf den Weg gebracht: Information von deutschen Arbeitgebern und von Fachkräften, Weiterbildung, Veranstaltung von Job-Börsen, Kooperation mit den Goethe-Instituten bei Deutsch-Sprachkursen sowie Begleitung bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und bei den Einwanderungsverfahren. Einen Punkt hoben die Experten bei der Veranstaltung hervor: In vielen Ländern engagiert sich die IHK-Organisation teilweise seit Jahrzehnten, um vor Ort ein duales Berufsbildungssystem aufzubauen. Bislang kam dies vor allem deutschen Unternehmen mit Standorten in den einzelnen Ländern zugute, nun eröffnet diese „Vorarbeit“ auch neue Möglichkeiten für die Fachkräfte- Einwanderung nach Deutschland.

Kenia: Das ostafrikanische Land mit seinen 50 Mio. Einwohnern hat in den letzten Jahren seine Anstrengungen bei der beruflichen Bildung verstärkt, wie Bruno Backes von der dortigen AHK berichtete. Bisher war das Bildungssystem in dem Land, das über kaum Industrie verfügt, sehr theorielastig. Das deutsch-kenianische Migrationsabkommen bietet nun Gelegenheit, bei der Rekrutierung von Fachkräften voranzukommen. Die AHK sieht sich deshalb als zentrale Stelle, um deutsche Arbeitgeber und kenianische Fachkräfte zusammenzubringen.

Kolumbien: Seit 2021 gibt es einen Vertrag zwischen der deutschen und der kolumbianischen Arbeitsverwaltung, wie Claudia Arévalo von der AHK Kolumbien berichtete. Einen Schwerpunkt bildet die Einwanderung von Fachkräften aus diesen Berufen: Elektroniker und andere Industriefachkräfte, Krankenpfleger, Kraftfahrer und Erzieherinnen.

Usbekistan: Das zentralasiatische Land mit rund 38 Mio. Einwohnern verstärkt seine Anstrengungen in der beruflichen Bildung und orientiert sich dabei auch am deutschen Modell. Im vergangenen Jahr wurde laut AHK-Experte Аtabek Аlimdjanov das Programm „Skills Expert“ gestartet – ein Pilotprojekt zur dualen Berufsausbildung, getragen von AHK, DIHK und Bundeswirtschaftsministerium. Zudem gibt es das AHK-Projekt „Azubis aus Usbekistan für Deutschland“, das einen Schwerpunkt auf Industrie-Fachkräfte legt.

Indien: Schon seit 20 Jahren gibt es eine Kooperation zwischen der IHK Nürnberg und der indischen AHK, um die duale Ausbildung in Indien zu stärken. Ein Schwerpunkt ist die südindische Region Coimbatore, wo sich mehrere deutsche Unternehmen an der Initiative beteiligen. Die Absolventen legen ihre Prüfungen nach deutschem IHK-Standard ab. Die AHK sowie das Goethe-Institut und das Gedee Technical Training Institute (GTTI) in Coimbatore – der langjährige Partner der IHK – wollen die bisherige Zusammenarbeit nun auch auf das Feld der Fachkräfte-Einwanderung ausweiten.

Elfenbeinküste: Die AHK in dem westafrikanischen Land hat im Jahr 2024 ein Ausbildungsprojekt gestartet, das einen Schwerpunkt auf technische Azubis legt. Wie AHK-Experte Dr. Ange Frederic Dodohoré berichtete, gebe es an vielen Schulen Deutschunterricht, im Land seien ca. 60 deutsche Unternehmen aktiv. Die Regierung sei gewillt, Maßnahmen gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu ergreifen.

Die IHK engagiert sich seit Langem für die Fachkräfte- Einwanderung, wie Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch und Fachkräfte-Experte Dr. Addis Mulugeta berichteten. So unterstützt der „Welcome Desk“ der IHK beispielsweise Unternehmen dabei, Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten gemäß dem sogenannten beschleunigten Fachkräfteverfahren nach Deutschland zu bringen. In greifbare Nähe gerückt ist auch die Einrichtung eines „Welcome Centers“ in Nürnberg, für das sich die IHK seit Längerem bei Staatsregierung und Stadt Nürnberg eingesetzt hatte. Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Tobias Gotthardt, der per Video zugeschaltet war, stellte das bayerische Portal „Make it in Bavaria“ vor, das ausländische Fachkräfte über Fachkräfte-Einwanderung und Leben in Deutschland informiert (www.stmwi.bayern.de/make-it-in-bavaria). Auch für dieses Projekt hatte sich die IHK stark gemacht (siehe WiM 4-5/2025). Leicht verständliche Informationen sind sowohl für die Arbeitgeber als auch für die einwandernden Fachkräfte ein wesentlicher Aspekt, so Torsten Brandes, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Nürnberg. Denn trotz der Erleichterungen durch das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz seien die Regelungen weiterhin sehr komplex.

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