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Feilschen um jeden Preis?

Das Rabattgesetz (RabattG) und die Zugabeverordnung (ZugabeVO) sind zum 25. Juli endgültig abgeschafft worden. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat die Abschaffung des RabattG als einen Befreiungsschlag für deutsche Händler und Dienstleister begrüßt.
Deutsche Händler durften bisher – anders als ihre europäischen Kollegen – Endverbrauchern lediglich Barzahlungsrabatte bis zu drei Prozent gewähren. Als Zugaben beim Kauf einer Ware waren bislang nur Reklamegegenstände von geringem Wert erlaubt, etwa Kugelschreiber, Streichhölzer oder ähnlich geringwertige Geschenke.

Keine „Inländerdiskriminierung“
Durch die im vergangenen Jahr in Kraft getretene e-commerce-Richtlinie, die den elektronischen Handel über die Grenzen betrifft, wurde das Herkunftslandprinzip in das europäische Recht eingeführt. Für Verkäufe via Internet gilt damit das Recht des Landes, in dem der jeweilige Händler ansässig ist. Eine Beibehaltung der strengen deutschen Wettbewerbsregeln hätte zu einer „Inländerdiskriminierung“ geführt, da die Unternehmen im europäischen Ausland mit großzügigen Rabatten und wertvollen Zugaben werben dürften, während dies in Deutschland ansässigen Unternehmen untersagt wäre. An der Abschaffung von RabattG und ZugabeVO führte daher kein Weg vorbei, da nur so wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden können.
Nach dem Wegfall von RabattG und ZugabeVO eröffnet sich für Händler eine Vielzahl von Möglichkeiten, um mit Hilfe neuer Marketinginstrumente neue Kunden zu gewinnen bzw. ihre bisherigen Kunden an sich zu binden. Wertvolle Zugaben, Mengenrabatte, Sonderpreise für Stammkunden, für Mitglieder von Sportvereinen sowie Treuerabatte werden künftig zulässig sein. Experten rechnen mit einer Flut von Kundenkarten und Bonussystemen, mit denen Kunden mittels einer Plastikkarte Rabattpunkte sammeln können (Pay-back-System).

Keine völlig freie Preisgestaltung
Auch nach Abschaffung des RabattG und der ZugabeVO sind der Fantasie der Händler bei Werbung und Preisgestaltung Grenzen gesetzt. Es gelten nach wie vor die Wettbewerbsregeln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), insbesondere das Irreführungsverbot wie auch das generell im Wettbewerbsrecht geltende Gebot der guten Sitten. Auch die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PreisangabenVO) sind nach wie vor zu beachten. Die Werbung mit übermäßigen Rabatten und Zugaben wird daher nicht in jedem Fall erlaubt sein.

Mondpreise
Soweit ein Händler nach außen fiktiv erhöhte, niemals wirklich verlangte Preise für seine Waren angibt, um besonders hohe Rabatte vorzutäuschen, ist dies auch künftig wettbewerbswidrig. Diese Art von Preisschwindel ist irreführend und stellt einen Verstoß gegen § 3 UWG dar.

Gesamtes Sortiment reduziert
Werbeaussagen wie „anlässlich des Altstadtfestes auf das gesamte Sortiment 20 Prozent Rabatt“ oder „diese Woche alle Anzüge 20 Prozent billiger“ stellen auch nach Streichung des RabattG eine unzulässige Sonderverkaufsveranstaltung und damit einen Verstoß gegen § 7 UWG dar. Es handelt sich in diesen Fällen nicht um individuell verhandelbare Rabatte, sondern um eine generelle Herabsetzung des Preises gegenüber allen Kunden, da nicht einzelne Waren (Sonderangebote), sondern das gesamte Sortiment bzw. eine ganze Warengattung günstiger angeboten wird.
Auch Ankündigungen wie „heute zahlen alle Mütter 20 Prozent weniger“ oder „nur heute Geburtstagskinder 20 Prozent Rabatt“ sind auch künftig wettbewerbsrechtlich bedenklich. Es besteht die Gefahr, dass Kunden durch eine derart kurze Frist unangemessen unter Druck gesetzt werden und durch die angebotenen Kaufvorteile unter Umständen ohne weitere Angebote zu vergleichen Käufe tätigen.

Preisangaben
Auch künftig ist die PreisangabenVO zu beachten. Händler müssen daher ihre Waren für den Verbraucher klar erkennbar mit dem jeweils gültigen Endpreis auszeichnen. Pauschale Aussagen wie „20 Prozent reduziert“ oder „30 Prozent Rabatt“, die eine Preissenkung mehrerer Artikel bewerben, ohne jede einzelne Ware unter einem neuen, für die Allgemeinheit geltenden Preis (Sonderpreis) zu versehen, genügt nicht. Zulässig ist es jedoch, künftig mit pauschalen Aussagen „wir gewähren Rabatt“ zu werben und den individuellen Rabatt mit jedem Kunden zu verhandeln.

Zugaben
Künftig werden Zugaben in nahezu jeder Form zulässig sein. Es wird grundsätzlich keine Rolle mehr spielen, ob eine Zugabe gering- oder höherwertig, handelsüblich oder ungewöhnlich ist.
Aber: Auch hier gilt das Irreführungsverbot des § 3 UWG. Es darf deshalb weder über den Wert einer Zugabe getäuscht werden (die „kostbare Armbanduhr“, die als Zugabe zum Kauf eines Herrenanzugs beworben wird, ist in Wirklichkeit ein Billigprodukt für zehn DM), noch darf die Zugabe den Wert der Hauptware verschleiern. Von letzterem ist auszugehen, wenn die Hauptware mit der Zugabe deutlich mehr kostete, als man üblicherweise für den separaten Erwerb beider Artikel aufwenden müsste.
Alles in allem werden sich nach Streichung von RabattG und ZugabeVO trotz der weiterhin bestehenden wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen gerade auch für kleinere Händler viele neue Chancen bei der Kundenwerbung ergeben. Sie könnten sich beispielsweise zu City-Gemeinschaften oder Kooperationen aus verschiedenen Branchen zusammenschließen und ihren Kunden gemeinsam Umsatzrabatte einräumen (Pay-back-Karten).

Kein Zwang zum Rabatt
Eines sollte jedoch klargestellt werden: Auch nach Wegfall von RabattG und ZugabeVO ist kein Händler gezwungen, Rabatte zu gewähren. Jeder Händler hat die Möglichkeit, für sich und sein Geschäft auf die neue Wettbewerbssituation zu reagieren. Gerade für viele mittelständische Handelsunternehmen könnte es die bessere Alternative sein, sich auf ihre Beratungskompetenz und auf ihr geschultes Personal zu besinnen, als die Kunden mit übermäßigen Rabatten und Zugaben zu locken. Auch könnte es durchaus vorteilhaft sein, gerade das Nichtgewähren von Rabatten als Marketinginstrument einzusetzen. Als Beispiel ist hier die Werbung eines Elektronikmarktkonzerns zu nennen, der bereits seit Wochen mit dem so genannten Tiefstpreisgesetz wirbt. Hier soll dem Kunden suggeriert werden, dass auf Grund der knallhart kalkulierten Preise kein Spielraum für Rabatte mehr besteht und auch jeder Kunde in den Genuss der Tiefstpreise kommt.

Effektive Kundenbindung
Nach Abschaffung des RabattG wie auch der ZugabeVO stehen dem Händler eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, neue Marketingstrategien zu entwickeln. „König Kunde“ kann mit noch höheren Preisnachlässen, Mengenrabatten und auch wertvolleren Geschenken umworben werden. Bedingungsloses Feilschen um jeden Preis wird es aber auch in Zukunft nicht geben. dihk/sg
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2001, Seite 22

 
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