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Die Gewinnschwelle im Blick

Um die Call Center Region Nürnberg ist es erheblich stiller geworden. Noch vor zwei Jahren waren Mitarbeiter in dieser jungen Branche gefragt wie nie, eine neue Jobmaschine schien sich richtig warm zu laufen. Ein Nürnberger Anbieter suchte 500 Mitarbeiter auf einen Schlag, beim Arbeitsamt Nürnberg waren knapp 1 000 offene Stellen gemeldet. Jetzt bläst der Branche kräftig Gegenwind ins Gesicht, „manch einen Wettbewerber pfeift es geradezu weg“, erläutert Ulf Uebel, Chef des Communication Center Nürnberg CCN. Es herrsche etwa im geringer qualifizierten Bereich bei einfachen Telefonauskünften oder telefonischer Bestellannahme ein heftiger Preiskampf.

An diesem Preiskampf will der Geschäftsführer des vor drei Jahren gegründeten CCN nicht teilnehmen. Man sei zwar mit den qualifizierten Dienstleistungen nicht vor einen Preisdruck geschützt. „Wir haben aber eine Dienstleistung anzubieten, die nicht so einfach vergleichbar ist. Unser Kunde legt eher Wert auf höhere Qualifikation als auf fünf Cent hinter dem Komma.“ Das Konzept scheint aufzugehen. Nach knapp sieben Mio. Euro Umsatz im vergangenen Jahr soll 2002 mit „geringeren Wachstumsraten“ die Umsatzmarke von sieben Mio. Euro überschritten werden. Die schwarze Null werde voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren erreicht. Zum einen habe der schwache Markt einen Strich durch die Rechnung gemacht, zum anderen setze das CCN konsequent auf eine Entwicklung im qualifizierten Bereich. Dies habe sich in weiteren Investitionen in die technische Ausstattung und die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter niedergeschlagen. Insgesamt habe das CCN aber mit Blick auf die Branche eine gute Entwicklung gemacht.

Die Zahl der Mitarbeiter liegt derzeit bei rund 170. Diese Zahl soll zwar kurzfristig nicht deutlich überschritten werden, mittelfristig soll die Beschäftigtenzahl aber steigen. Das frühere Hauptproblem der Branche, die Personalbeschaffung, hat sich mittlerweile spürbar entspannt. Trotzdem gebe es immer noch offenen Stellen im Call Center-Bereich. Auch das CCN suche immer wieder qualifizierte Mitarbeiter. „Wir müssen auch in Zukunft erhebliche Anstrengungen unternehmen, solches Personal zu bekommen“, das trotzdem noch aus- oder weitergebildet werden müsse.

Als „Problemlöser“ hilft das CNN mit einem telefonischen „Help Desk“ für die über 20 000 Mitarbeiter im Außen- und Innendienst der Nürnberger Versicherungsgruppe. Bei technischen Problemen könne man eine „Erstlösungsquote“ von 60 bis 80 Prozent ausweisen. Unter anderem helfen die Call Center-Agents, wenn etwa das Passwort für den Computerarbeitsplatz vergessen oder verloren ist. Der telefonische Service bleibe eine „Sache von Menschen“, betont Uebel, zumindest wenn Prozess- oder soziale Kompetenz gefragt sind. Künftige Aufgabe eines spezialisierten Call Centers könnte es sein, Mitarbeitern von Unternehmen weiterzuhelfen: Wenn man etwa seinen Flieger in Nürnberg verpasst, spürt ein Call Center-Agent die schnellsten Alternativen auf, verschiebt den Geschäftstermin und schnürt so ein ganzes Lösungspaket. Oder jemand erkrankt plötzlich in einer fremden Stadt und es müssen medizinische Spezialisten aufgespürt und Veranstaltungstermine abgesagt oder verschoben werden.

In diesem Bereich der „telefonischen Prozesskompetenz“ liegt nach Uebels Auffassung die eigentliche Zukunft von Call Centern, während einfache Telefondienste immer mehr automatisiert würden. „Die Telefonauskunft kann bald komplett von einem Sprachcomputer abgewickelt werden.“ Das CCN habe selbst eine automatisierte Befragung im Sechs-Monats-Test durchgeführt. Dabei wurden Gesprächspartner nach einem Call Center-Gespräch angerufen und nach ihrer Zufriedenheit mit der telefonischen Dienstleistung befragt. Hier sei die Akzeptanz technischer Sprach-Dialog-Systeme überraschend hoch gewesen. Mit diesen Erfahrungen, so Uebel, müsse aber den übertriebenen Hoffnungen, die Call Center-Branche sei eine Jobmaschine ohne Grenzen, eine deutliche Absage erteilt werden.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 11|2002, Seite 42

 
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