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Teil XIII: Adam und Eva, 1504, Kupferstich

Die Epoche der Renaissance und des Humanismus zeichnete sich vor allem durch eine grundlegende Errungenschaft aus: Ein neues Menschenbild. An der Schwelle zur Neuzeit stellte sich der Mensch ins Zentrum des eigenen Interesses. Das neue Selbstbewusstsein fand in der bildenden Kunst seinen entsprechenden Ausdruck. Nicht nur in der neuen Bildaufgabe des Portraits, sondern auch in der vielfältigen künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Akt, der Gestaltung des nackten menschlichen Körpers.

Wie so oft hat Albrecht Dürer auch auf diesem Gebiet Innovatives geleistet. Mit unglaublicher Intensität hatte er sich schon frühzeitig mit dem Studium nach der Natur beschäftigt. Sein weiblicher Akt von 1493 gilt als die erste erhaltene Aktdarstellung eines deutschen Künstlers, die nach einem lebenden Modell und zwar einer Badefrau gezeichnet wurde. Im Laufe seiner Italien-Aufenthalte entstanden weitere Studienblätter. Der tiefe Wunsch nach Wissen und Erkenntnis, nach allgemein gültigen Gesetzmäßigkeiten führte unter Anregung von Jacopo de Barbari zur lebenslangen Grundlagenforschung um Proportion auf Basis von Geometrie und Mathematik. Dürer griff oft auf interessante Motive aus der antiken Sagenwelt zurück, die die Beherrschung der Aktdarstellung erforderten, wie z.B. „Nemesis“ 1501/1502.

Der grandiose Kupferstich „Adam und Eva“, der dieses Jahr 500-jähriges Jubiläum hat und dank der Nürnberger Versicherungsgruppe im Germanischen Nationalmuseum präsentiert werden wird, gilt in jeder Hinsicht nicht nur als äußerst vollendetes, komplexes Meisterwerk, sondern auch als das exemplarische Renaissance-Werk schlechthin. Dem Blatt kommt damit als Höhepunkt und Quintessenz von Dürers Beschäftigung mit der menschlichen Proportion eine Sonderstellung zu. Es basiert auf vielen Vorarbeiten, die sich über einen Zeitraum von etwa vier Jahren erstreckten. Allein die Tatsache, dass Dürer die Grafik als Einzelblatt angelegt hatte, bedeutete laut Christian Schoen ein Novum in der Kunstgeschichte: Seine „zentrale Leistung besteht auch darin, dieses Sujet vom heilsgeschichtlichen Zusammenhang isoliert zu haben. (...) Stellte Dürer jedoch das Thema erstmals autonom dar, ohne einen vordergründigen Bezug zur Erlösungshoffnung, die in Christus münden muss“.

Damit war der Weg frei für eine innovative Neuformulierung. Indem Dürer das klassisch-kanonische Modell der heidnisch-antiken Götter Apoll und Venus auf Adam und Eva übersetzte, wurden der weibliche und der männliche Akt erstmals als harmonische ausgeglichene Schönheit, als Ideal, Gottes Ebenbild entsprechend thematisiert. Die beabsichtigte Assoziation zu antiken Skulpturen ist noch heute spürbar. 

Autor/in: 
Eva Schickler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2004, Seite 30

 
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