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Gabi goes Great Britain

Die Gründung einer Limited in Großbritannien eignet sich nur für Wenige – eine deutsche Alternative ist dringend erforderlich

Gabi ist Hausfrau und nebenbei als Übersetzerin in Königswusterhausen tätig. Sie hat einen Computer, einen guten Drucker und einen Internet-Anschluss. Bei den Übersetzungen kann man schon mal Fehler machen. Gabi möchte daher ihre Haftung begrenzen. Aber 25 000 Euro für eine GmbH – das ist ihr denn doch zu viel Geld. Gabi gründet eine Limited – eine so genannte „Non-Resident Limited“, da sich deren Geschäftstätigkeit ausschließlich in Deutschland abspielt. Das kostet sie keine zwei Euro für das Kapital und nur knapp 300 Euro für die Gründungsformalitäten. Schon nach einer Woche ist ihre „First German Translations Limited“ im Companies House in Cardiff eingetragen. Nun kann Gabi nichts mehr passieren. Dass ihre Gesellschaft in Großbritannien nur ein Briefkasten ist, stört sie am allerwenigsten.

So oder so ähnlich liest sich die Story, die sich zurzeit allmonatlich etwa eintausendmal abspielt. Allein die „Go Ahead Limited“, Birmingham/Wiesbaden – nach eigenen Angaben Marktführerin unter den Gründungsagenturen –, nimmt für sich in Anspruch, 17 000 Limiteds das Leben eingehaucht zuhaben; jede vierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung soll bereits als Limited gegründet werden. Kleingewerbetreibende, gestandene Handwerker und inzwischen wohl auch schon Ladenketten fliehen auf die Insel. „Tschüss Deutschland“ nennt sich bezeichnenderweise eine andere Gründungsagentur.

Und was macht die Bundesregierung? Zunächst einmal reagiert sie äußerlich gelassen – kann sie im Prinzip auch. Die von ihr genannten Zahlen, die allerdings nur die in Deutschland registrierten Zweigniederlassungen von Limiteds betreffen, lesen sich sehr viel bescheidener als bei „Go Ahead“. So etwa 400 pro Monat sollen es laut ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP von Ende vergangenen Jahres nur sein. Zudem: Auch Limiteds sind Unternehmungen, die in Deutschland Existenzen und Arbeitsplätze schaffen, wenn sie hier tätig sind. Sie zahlen auch Steuern und IHK-Beiträge. Die Zeiten, in denen noch damit geworben wurde, dass derartige Verpflichtungen nicht beständen, sind glücklicherweise vorbei. Steuervorteile, Beitragsfreiheit und Freiheit von gewerberechtlichen Verpflichtungen kann man heute kaum noch jemandem weismachen. Und außerdem hat das Ganze ja den dreifachen Segen des Europäischen Gerichtshofs und inzwischen auch des Bundesgerichtshofes BGH.

Der Teufel steckt im Detail
Also alles paletti? Das wäre zu schön. Bereits der Umstand, dass man sich als Kleingewerbetreibender in Königswusterhausen einer englischen Gesellschaftsform bedient, sollte nachdenklich stimmen. Ganz problemlos ist die Limited nämlich nicht. So muss sie etwa nicht nur einen „Director“ – also einen Geschäftsführer – sondern auch einen „Company Secretary“, ein in Deutschland unbekanntes Wesen, haben. Der ist für alles Formelle verantwortlich und lässt sich natürlich dafür bezahlen – regelmäßig. Die jährlichen Administrationskosten werden denn auch von den preiswerteren Gründungsagenturen schon mit etwa 200 Euro angegeben. Andere verlangen bis zu 700 Euro. Bei der GmbH kostet das alles nichts.

Die Limited muss ihren „Annual Return“ und die „Accounts“ – Jahresbericht und Bilanz – natürlich in englischer Sprache und nach englischem Recht beim „Companies Register“ hinterlegen. Und wenn sie das nicht rechtzeitig tut, drohen empfindliche Strafen für „Director“ und „Company Secretary“ sowie die Löschung der Limited aus dem Register. Wie ernst diese Sanktionen zu nehmen sind, zeigt sich schon daran, dass in Großbritannien 95 Prozent der Bilanzen rechtzeitig beim Register eingereicht werden, in Deutschland dagegen höchstens 20 Prozent. Wenn die Limited in Insolvenz fällt, kann der „Director“, falls diese für ihn absehbar war, wegen „wrongful trading“ auch persönlich haftbar gemacht werden und wird fortan in die Liste der „disqualified directors“ eingetragen. Merke: Bei der englischen Limited wird das fehlende Mindestkapital durch strikte Regelungen der Kapitalerhaltung, durch eine hohe Verantwortlichkeit der Direktoren und durch eine ausgeprägte Publizität kompensiert. Und besonders schön ist: Wenn eine Limited eine unbestrittene Forderung nicht bezahlt, kann sie auf einfachste Weise zwangsaufgelöst und aus dem „Companies Register“ entfernt werden.

Kenner der Szene vermuten, dass inzwischen so manche Limited, die hier in Deutschland ihren Geschäften nachgeht, in Großbritannien schon gar nicht mehr existiert – dann „Tschüss“ Haftungsbegrenzung in England und in Deutschland gleichermaßen. Doch nicht nur insoweit steckt auch in Deutschland der Teufel im Detail. Selbstverständlich braucht die Limited, wenn sie hier tätig werden will, alle Genehmigungen, die auch die GmbH oder eine natürliche Person benötigen würde – also im Handwerk zum Beispiel einen Meister und als Makler eine Zulassung.

Gabi braucht nichts, aber das liegt nicht an der Limited, sondern an ihrem Gewerbe. Eine Limited, die ihre Hauptniederlassung in Deutschland hat, muss sich dort im Handelsregister eintragen lassen. Dabei könnte die anspruchsvolle Firma von Gabis Limited gegebenenfalls Probleme bereiten. Natürlich muss Gabi auch nach deutschem Recht – allein schon wegen der Steuerpflicht – eine Bilanz aufstellen. Vieles ist hier noch juristisch in der Schwebe – eine echte Bereicherung der Jurisprudenz und der Rechtsanwälte hüben und drüben, wobei die drüben deutlich teurer sind.

Die Limited ist eine respektable Gesellschaft – jedenfalls war sie das bislang in Großbritannien. Sie mag sich für das eine oder andere Geschäft sogar in ihrer „non-resident“ Form bona fide eignen – beispielsweise für einen international agierenden Handelsmakler. Der Boom der „Non-Resident Limiteds“ hat allerdings dazu geführt, dass sich zunehmend die üblichen Verdächtigen – Berufsabmahner, Adressbuchschwindler und notorische Bankrotteure – dieser Gesellschaftsform bedienen. Teilweise wird sogar ausdrücklich dafür geworben. Aber so etwas gibt es immer und überall. Viel problematischer ist die in die Tausende gehende Zahl von anständigen Existenzgründern, Handwerkern und kleinen Dienstleistern, denen man mit der Limited eine Gesellschaftsform verkauft hat, die mit höchster Wahrscheinlichkeit für sie nicht optimal ist. Doch was hat das deutsche Recht der „Non-Resident Limited“ entgegenzusetzen?

Die Bundesregierung plant eine Novelle des GmbH-Rechts, wonach unter anderem das Mindestkapital auf 10 000 Euro herabgesetzt werden soll. Da kann Gabi nur lachen! Richtig ist zwar, dass die Einlage, die der Gesellschafter einer GmbH bei der Gründung zu zahlen hat, nicht auf einem Konto ruht und nicht angetastet werden darf. Die GmbH kann damit arbeiten, Gegenstände kaufen, Rechnungen bezahlen – selbst wenn der Wert des Firmenvermögens deutlich unter das vorgeschriebene Mindestkapital sinkt. Gabi nutzt das wenig, denn sie braucht fürs erste gar kein Kapital und die vorhandene EDV-Ausstattung würde bei einer – zudem hoch komplizierten – Sachgründung niemals 10 000 Euro bringen.

Man sollte daher niemandem trauen, der da behauptet, für eine Rechtsform wie die Limited bestehe in Deutschland kein Bedarf. Wer das sagt, hat im Zweifel selbst schon eine GmbH oder muss sich ansonsten nicht mit der Härte des Geschäftslebens herumschlagen. Nicht nur die zahlreichen Limited-Gründungen zeigen, dass es anders ist. Auch eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hat ergeben, dass immerhin fast ein Drittel der Einzelunternehmer eine solche Rechtsform, die Haftungsbeschränkung ohne Mindestkapitalerfordernis gewährt, wünscht. Bei den befragten Vertretern von GmbH und größeren Unternehmen liegt dieser Anteil bei nur zehn bis zwölf Prozent. Und etwas einfacher zu handhaben sollte die „kleine GmbH“ auch sein.

Über die Details einer solchen Rechtsform wird man noch diskutieren müssen. Vorschläge gibt es vom CDU-Rechtsexperten Jürgen Gehb mit der „Unternehmensgründungsgesellschaft“ und vom bayerischen Justizministerium mit dem „eingetragenen Kaufmann mit beschränkter Haftung“ – der übrigens vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in der Person seines Experten für Gesellschaftsrecht, Jürgen Hahn, schon vor mehr als zehn Jahren propagiert wurde. Klar ist dabei, dass man Mittel finden muss, die das Mindestkapital für den Gläubigerschutz ersetzen – wobei letzteres sich in der Praxis auch nicht mehr als besonders tauglich erweist. Klar ist auch, dass es mit einem Null-Kapital allein nicht getan ist. Die zu schaffende Rechtsform muss unkomplizierter zu gründen und einfacher zu handhaben sein. Nur dann hätten wir vielleicht eine Chance, dem Limited-Spuk ein Ende zu bereiten.

Der große englische Richter Lord Denning hat einmal gesagt: „When it comes to the European element, the law is like an incoming tide. It runs up the estuaries and the rivers. It cannot be held back” (Wenn man den europäischen Aspekt betrachtet, ist das Recht wie eine herankommende Flut. Sie läuft in die Mündungen und Flüsse hinein und lässt sich nicht aufhalten.). Das trifft nicht nur für die englischen, sondern auch für die deutschen Flüsse zu.

Autor/in: 
Dr. Jürgen Möllering, DIHK
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2006, Seite 16

 
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