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Wieder entdeckt

Hohe Wachstumsraten und verbesserte Rahmenbedingungen: Die deutsche Wirtschaft zeigt neues Interesse für den Kontinent.

Das Konjunkturbarometer zeigt in Lateinamerika seit mehreren Jahren wieder auf „Hoch“. Nach dem absoluten Tief der Jahre 2001/2002 wuchs die Wirtschaft in der Region im vergangenen Jahr real um 5,5 Prozent. Für 2007 wird eine ähnlich hohe Steigerung erwartet.

Damit werden die Staaten Lateinamerikas wieder attraktiver für deutsche Unternehmen: Der jüngsten „Going International“-Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zufolge urteilen die Firmen, dass Lateinamerika mit die größte Dynamik weltweit verspricht. Im vergangenen Jahr sind die Importe der Region um 19 Prozent gestiegen – sie legen damit das gleiche Tempo vor wie China und wachsen stärker als die Importe der Entwicklungs- und Schwellenländer in Süd- und Ostasien.

Rohstoffe
Absatzchancen bieten sich für die deutsche Wirtschaft zur Genüge. Kletternde Weltmarktpreise für Metalle motivieren lateinamerikanische Minenbesitzer zu immensen Investitionen im Bergbau: In Chile soll die Kupferproduktion in diesem Jahr um fünf Prozent steigen, Brasilien will den Ausstoß des Bergbausektors in den kommenden Jahren um jährlich zehn Prozent steigern. Bei diesen Prognosen werden ausländische Lieferanten von Spezialausrüstungen und von Prozess- und Fördertechnik hellhörig.

Energieversorgung
Ein weiterer vielversprechender Markt ist der Energiesektor: Fast alle Länder der Region investieren angesichts akuter Engpässe in die Energieversorgung. Brasiliens Kapazitäten für die Stromerzeugung müssen in den nächsten zehn Jahren um 40 Prozent wachsen, um Versorgungsprobleme zu vermeiden. Das Netz der Stromübertragung soll um 60 000 Kilometer ausgeweitet werden. Chile will 2007 und 2008 jeweils über zwei Mrd. Dollar investieren – doppelt so viel wie 2006. Und in Costa Rica werden in diesen Tagen der Bau eines Kraftwerks mit 160 Megawatt und der Ausbau von zwei bestehenden Anlagen ausgeschrieben.

Darüber hinaus wollen die lateinamerikanischen Staaten verstärkt erneuerbare Energien nutzen, etwa die Wasserkraft. Gefördert wird auch der Einsatz von Wind- und Solarenergie, beispielsweise in Brasilien, wo mit dem Förderprogramm „Proinfa“ bis Ende 2007 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 3 300 Megawatt installiert werden sollen.

Für Schlagzeilen sorgt die Region derzeit auch, weil sie die Produktion von Biotreibstoffen forciert. In Brasilien, Chile und nun auch in Argentinien gibt es gesetzliche Beimischungspflichten. Brasilien und Kolumbien sind bereits jetzt die weltweit größten Produzenten von Biotreibstoffen. Diesen Weltmeistertitel werden die beiden Länder so schnell nicht abgeben, denn Brasilien will die Produktion alternativen Treibstoffs bis 2012 mehr als verdoppeln und in Kolumbien ist die Errichtung von 25 Destillationsanlagen geplant.

Gesundheitswesen
Attraktive Geschäftsmöglichkeiten für fränkische Unternehmen bietet auch der lateinamerikanische Gesundheitssektor, weil die Staaten mangels eigener Medizintechnik weitgehend vom Import abhängig sind. Mexiko, das als größter Markt in Lateinamerika gilt, importiert 90 Prozent der medizinischen Ausrüstungen und Geräte. Deutschland ist auf diesem Feld zweitwichtigster Lieferant nach den USA. Auch in Kuba schätzen die sehr gut qualifizierten Ärzte Medizintechnik aus Deutschland.

Im deutschen Außenhandel unterrepräsentiert
Für deutsche Unternehmen sind die Geschäftspotenziale in Lateinamerika bei Weitem noch nicht ausgeschöpft: Deutschland rangiert lediglich an siebter Stelle als Investor u.a. nach Spanien, den Niederlanden und Großbritannien. Die deutschen Exporte und Importe nahmen zwar überdurchschnittlich zu, aber Lateinamerika hat erst einen Anteil von 2,3 Prozent am deutschen Außenhandel.

Brasilien und Mexiko sind für Deutschland und auch für bayerische Unternehmen die wichtigsten Abnehmerländer in der Region. Dies spiegelt die Attraktivität beider Länder für ausländische Unternehmen insgesamt wieder: Im Ranking der wichtigsten Investitionsziele liegen Mexiko und Brasilien unter den Entwicklungs- und Schwellenländern auf Rang 4 und 5, sie kommen damit China nahe. Chile und Kolumbien schließen in dieser Rangfolge allmählich auf, sie konnten ihre Anteile an den regionalen Importen ausbauen.

Die Rahmenbedingungen für das Engagement ausländischer Unternehmen sind recht gut: Laut dem „Ease of Doing Business Index“ der Weltbank lassen sich Geschäfte in vielen lateinamerikanischen Ländern leichter und reibungsloser als in China und Indien abwickeln. So dauert es in Chile lediglich 171 Tage gegenüber 367 Tagen in China, um ein Lagerhaus mit allen dazu erforderlichen Genehmigungen einzurichten. Gute Chancen also für Geschäfte in der Region. Oder wie es DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun anlässlich der 10. Lateinamerika-Konferenz in Essen formulierte: „Der Zeitpunkt für die Wiederentdeckung lateinamerikanischer Märkte ist ideal.“

 

Wirtschaftsdaten Lateinamerikas: www.ihk-nuernberg.de ("Geschäftsbereich International"/"Länderinformationen")

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2007, Seite 10

 
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