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FAQ - Häufig gestellte Fragen

Was ist ein städtebaulicher Vertrag?

Wenn es um städtebauliche Projekte geht, regeln städtebauliche Verträge, welche Rechte und Pflichten der Investor auf der einen Seite und die Kommune auf der anderen hat. Das Baugesetzbuch (BauGB) enthält keine Definition des städtebaulichen Vertrags. "Städtebaulich" ist ein Vertrag, der sich auf Regelungen des Städtebaurechts bezieht. Städtebauliche Vereinbarungen können mit privatrechtlichen Regelungen, etwa über Grundstücksgeschäfte (z.B. Grunderwerb von der Gemeinde), verbunden werden.

Kennzeichnend für städtebauliche Verträge ist in der Regel, dass ein – zumeist privater – Investor die Kosten für bestimmte städtebauliche Projekte übernimmt. Beispielsweise Maßnahmen für die Aufstellung eines Bebauungsplans oder Folgekosten im Rahmen der Erschließung. Im Gegenzug schafft die Gemeinde Baurecht, etwa durch die Aufstellung eines Bebauungsplans. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine echte Gegenleistung im Sinne eines Austauschverhältnisses, da nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB ein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans auch nicht durch Vertrag begründet werden kann (gesetzliches Verbot). Jedoch schuldet der Investor die Erfüllung der von ihm eingegangenen Verpflichtungen oftmals nur, wenn tatsächlich der Bebauungsplan in Kraft tritt.

Vertragstypen
Das Baugesetzbuch nennt einige Beispielsfälle städtebaulicher Vertragstypen (Paragraf 11 Abs. 1 Satz 2 BauGB), wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Das BauGB regelt an anderer Stelle weitere spezielle städtebauliche Verträge, z. B. den Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB oder den Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB.

Beispielsweise können die Gemeinden die Ausarbeitung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen bzw. deren Änderungen und Ergänzungen einem privaten Investor auf seine Kosten übertragen. Auch die Ausarbeitung von Landschafts- und Grünordnungsplänen oder von ergänzenden Gutachten (z.B. über Lärmschutz oder Bodenverunreinigungen) kann durch einen städtebaulichen Vertrag übertragen werden.

Es können Verträge geschlossen werden, um die Ziele der Bauleitplanung zu fördern und zu sichern. Hierzu zählen die Verpflichtung zur Nutzung der Grundstücke binnen einer angemessenen Frist entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans, Vereinbarungen zum sozialen Wohnungsbau oder zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung ("Einheimischenmodelle"). Auch kann die Verpflichtung zu naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen vertraglich vereinbart werden.

In Folgekostenverträgen können z.B. Kosten für Erschließungsmaßnahmen einem Vorhabenträger auferlegt werden. In Betracht kommen aber auch Kosten für Infrastrukturmaßnahmen wie Schulen, Kindergärten, Altenheime, Jugendfreizeitheime, Senioreneinrichtungen, Bürgerzentren oder Sport- und Spielplätze. Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags kann schließlich auch die Nutzung von Netzen und Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung sowie von Solaranlagen für die Wärme-, Kälte- und Elektrizitätsversorgung sein, um den Klimaschutz zu fördern.

Rechtliche Schranken
Städtebauliche Verträge bedürfen nach Paragraf 11 Abs. 3 BauGB zumindest der Schriftform. Wenn gleichzeitig einer oder beide Vertragsparteien zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken verpflichtet werden, bedarf der Vertrag insgesamt der notariellen Beurkundung. Bei Erreichen der vergaberechtlichen Schwellenwerte ist außerdem unter Umständen das Vergaberecht zu beachten.

Für Gemeinden gilt beim Abschluss städtebaulicher Verträge nicht allgemein das Prinzip der Vertragsfreiheit, wie bei Verträgen zwischen Privaten. Vielmehr unterliegen die Gemeinden auch hier dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Grundrechtsbindung der Verwaltung. Die Gemeinden dürfen ihre Macht, die ihnen in Form der Planungshoheit verliehen ist, nicht missbrauchen.

An erster Stelle ist das Verbot zu nennen, durch Vertrag einen Rechtsanspruch auf Aufstellung eines Bauleitplans zu begründen. Dieses Verbot soll verhindern, dass von vornherein ein Planungsergebnis festgelegt wird, was mit dem ergebnisoffenen Verfahren der Abwägung der durch die Bauleitplanung berührten öffentlichen und privaten Belange nicht vereinbar wäre (Abwägungsgebot gemäß Paragraf 1 Abs. 7 BauGB).

Weiterhin zu nennen ist das sogenannte Koppelungsverbot: Leistung und Gegenleistung müssen hiernach in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Außerdem dürfen hoheitliche Entscheidungen ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden, es sei denn, erst die Gegenleistung beseitigt ein der Entscheidung entgegenstehendes rechtliches Hindernis. Man kann sich also eine Baugenehmigung nicht kaufen. Wohl aber kann man vertraglich Erschließungsmaßnahmen übernehmen, um die Erschließung des Bauvorhabens zu sichern und damit die Baugenehmigung zu ermöglichen.

Schließlich müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Beispielsweise muss die aus Anlass eines Vorhabens vereinbarte Übernahme von Folgekosten bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorganges in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Vorhabens stehen. Werden z.B. die Kosten für die Schaffung von Kindergartenplätzen übernommen, muss dies dem tatsächlich durch das neue Wohngebiet ausgelösten Bedarf entsprechen.

Externer Kontakt: Rechtsanwalt Ralph Tiede ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Kanzlei Dr. Waldmann Kohler & Kollegen in Nürnberg (tiede@waldmann-kohler.de).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2009, Seite 38

 
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