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Wirtschaft und Kultur

IHK-Kulturforum setzt programmatische Akzente

Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe im Neuen Museum: Fachleute diskutierten zukunftsweisende Konzepte für Museen und Sammlungen.

Welche Rolle spielen Museen im 21. Jahrhundert? Wie können Institutionen ein individuelles Profil entwickeln? Was unterscheidet öffentliche Sammlungen von Sammlungen in Unternehmen? Mit aktuellen Fragen zum Thema „Museum im Dialog“ startete die IHK-Kulturstiftung am 1. Dezember 2010 im Auditorium des Neuen Museums Nürnberg eine neue Veranstaltungsreihe. „Das ‚IHK-Kulturforum‘ soll künftig an verschiedenen Orten stattfinden, die kulturellen Kraftfelder der Region thematisieren, Begegnungen von Wirtschaft und Kultur aufzeigen, zu gemeinsamen Aktivitäten anregen und die IHK-Kulturstiftung auch im kulturpolitischen Diskurs profilieren“, erläuterte IHK-Präsident Dirk von Vopelius. Er unterstrich die zunehmende Bedeutung von Kultur als Bildungs- und Standortfaktor sowie die historische Verbundenheit von IHK und Neuem Museum, das im Jahr 2010 das zehnjährige Bestehen feiern konnte. Von Beginn an hatte die IHK die Realisierung und die Entwicklung des Museums maßgeblich gefördert. Dr. Angelika Nollert, Direktorin des Neuen Museums, dankte der IHK für das Engagement und verdeutlichte die auf Sammlungsinhalt und Architektur basierenden, programmatischen Leitlinien ihrer Institution.

Die anschließenden Gesprächsrunden moderierten Kathleen Rahn, Direktorin des Kunstvereins Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft, und Manfred Rothenberger, Direktor des Instituts für moderne Kunst Nürnberg. Zu den geladenen Spezialisten, die die Konzepte ihrer Häuser vorstellten, zählte Dr. Bärbel Kopplin, Kuratorin der Sammlung HypoVereinsbank (HVB), verantwortlich für 25 000 Werke, die einen Zeitraum von etwa 3000 Jahren Kunstgeschichte umspannen und sich in 600 Filialen sowie teilweise auch als Leihgaben in Museen befinden. Die Schwerpunkte seien deutsche Gegenwartskunst mit Künstlern wie Beuys, Richter, Baselitz sowie mittlerweile auch junge Kunst, die zunehmend europäisch wie international ausgerichtet sei. Als Gründe warum eine Bank sammle, nannte sie einerseits die Weiterführung einer über 25-jährigen Tradition und gesellschaftliches Engagement, andererseits das Potenzial der Kunst als Kommunikationsplattform zu Öffentlichkeit, Kunden und Mitarbeitern. Jährlich werden etwa 4 000 Umhängungen von Werken zu Ausstattungs- oder Ausstellungszwecken durchgeführt. Ein Vorteil im Unterschied zu öffentlichen Sammlungen sei, dass sie als Kuratorin keine Lücken schließen müsse. Die Kompetenz der Bank in Sachen Kunst erweise sich auch im Hinblick des steigenden Beratungsbedarfs bei Art-Banking und Sammlungsaufbau als Pluspunkt.

Identität der Museen

Prof. Dr. Stephan Berg, bekannt als Kurator herausragender Ausstellungen und innovativer Ansätze in der Kunstvermittlung, bis heute auch als Kunstpublizist, Mitglied in wichtigen Kunst-Gremien und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig tätig, erklärte zunächst die Entwicklungslinien des Kunstmuseums Bonn, das er seit 2008 als Intendant leitet: August Macke, die Rheinischen Expressionisten und das Motiv der Farbe bilden bis heute den Ausgangspunkt des Sammlungskonzepts. „Wie kann man diese spezielle Identität noch besser kommunizieren? Wie macht man sich als Museum unverzichtbar?“, lauteten für ihn die Schlüsselfragen in Zeiten von Internet, Globalsierung, Sparmaßnahmen und Restrukturierungen. Eine klare Selektionsstrategie, Kooperationen mit anderen Häusern seien auch zukünftig wichtig. Gefragt, wie man verstärkt auch die 15- bis 30-Jährigen erreiche, stimmte Berg zu, das dies ein Problem sei, welches aber alle Institutionen betreffe.

Für Dr. Ulrike Groos, seit Januar 2010 Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart, gilt es vor allem den Spagat zwischen Forschung und guten Wechselausstellungen hinzubekommen. Bis 2009 leitete sie die Kunsthalle Düsseldorf und positionierte das Haus auf internationaler Ebene mit Ausstellungen zur rheinischen Avantgarde sowie zur jungen Kunst. Auch sie ist Mitglied zahlreicher Gremien wie dem Goethe-Institut und lehrte von 2001 bis 2006 an der Hochschule für Gestaltung in Zürich. Neue Ausstellungen im Hinblick auf den Sammlungsbestand zu Otto Dix, Willi Baumeister und Adolf Hölzl sieht sie nur verbunden mit wissenschaftlicher Forschungsarbeit, in die man Zeit und Arbeit investieren müsse. Mit guten Argumenten ließen sich in Stuttgart Presse und Öffentlichkeit überzeugen, während Politiker meist publikumswirksame Blockbuster-Ausstellungen erwarten würden.

Gesellschaftlicher Auftrag

Öffentlichen Legitimationsdruck braucht Unternehmer und Privat-Sammler Thomas Grässlin nicht auszuhalten. Schon die Eltern sammelten seit den 1970er Jahren deutsches Informel. Initialzündung zur eigenen Kunstleidenschaft war vor allem der Gedankenaustausch mit Künstlerpersönlichkeiten. Ernsthaftigkeit statt Spekulation, wenige Künstler, diese aber mit großen, zentralen Werkkomplexen, bestimmen das Sammlungskonzept. Seit 1995 nutzt die Sammlerfamilie Grässlin, zu der auch die Schwestern Sabine, Karola und Bärbel zählen, leer stehende Läden, um zeitgenössische Kunst in St. Georgen im Schwarzwald zu präsentieren. An 21 Stationen sind 150 Werke von 40 Künstlern wie Albert Oehlen, Isa Genzken, Hubert Kiecol, Georg Herold und Martin Kippenberger ausgestellt. Im Jahr 2006 kam der „Kunstraum Grässlin“ als zentraler Ausstellungsort hinzu. Regelmäßig werden Führungen angeboten, im Hinblick auf nachfolgende Generationen gebe es positive Erfahrungen mit Führungen von Schülern für Schüler. Kooperationen mit Museen wie dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe (ZKM) oder der Robert Bosch Stiftung zwecks des Modellversuchs „Kunst-Stück“ für Kindergärten sind weitere Beispiele für das gesellschaftliche Engagement und das Potenzial der Kunst.

Neuestes Pilotprojekt von Thomas Grässlin und Partnerin Nanette Hagstotz ist die Echtwald AG, die das Ziel hat, künstlerische Naherholungsgebiete mit einer hohen Qualität von Natur zu schaffen. Die Entwicklung, dass öffentliche Museen immer mehr event-getrieben zum „Museum Light“ abglitten, bezeichnete der Kunstsammler als gefährlich. Er appellierte an die Politik, die Institutionen in ihrem Bildungs- und Forschungsauftrag zu stärken. Privatsammlungen seien sinnvolle Ergänzungen und weitere Meinungsbilder, keinesfalls ein Ausweg aus einer wirtschaftlich problematischen Situation. Kunst und Kultur seien wesentliche Faktoren für geistiges Klima, Innovation, Demokratie und Identität einer Nation.

Autor/in: 
Eva Schickler
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2011, Seite 20

 
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